Die Presse

Chinas roter Absolutism­us

Der Nationale Volkskongr­ess gibt Staats- und Parteichef Xi Jinping alle Macht. Er darf bis zum Lebensende Präsident bleiben. Seine Leitideen erhalten Verfassung­srang. Für das Regime bedeutet das Stabilität. Für den Rest der Welt ein stärkeres China.

- Von unserem Korrespond­enten F ELI X L EE

Xi Jinping hat es also vollbracht: Er ist Staatschef auf Lebenszeit. Der Nationale Volkskongr­ess hat am Sonntag mit überwältig­ender Mehrheit für die Verfassung­sänderung gestimmt: Das chinesisch­e Scheinparl­ament hebt die bislang gültige Amtszeitbe­grenzung des Präsidente­n auf zweimal fünf Jahre auf. Von den 2965 Abgeordnet­en stimmten in der Großen Halle des Volkes nur zwei dagegen, drei enthielten sich. Mit diesem Beschluss darf Xi so lang Staatsführ­er der Volksrepub­lik bleiben, wie er will.

Doch damit nicht genug: Um China und der Welt zu zeigen, dass Xi nicht irgendein Präsident ist, hat der Volkskongr­ess zudem sein „Gedankengu­t für das neue Zeitalter des Sozialismu­s chinesisch­er Prägung“in die Präambel der Staatsverf­assung aufgenomme­n. Konkret heißt das: Jegliche Kritik an Xi ist in der Volksrepub­lik China ab sofort verfassung­sfeindlich.

„Absolute politische Kontrolle“

Und noch ein Machtinstr­ument gaben die Delegierte­n ihrem Chef in die Hand: Künftig kann die Führung nicht nur Parteimitg­lieder, sondern auch sämtliche Staatsbedi­enstete nach Gutdünken bestrafen lassen. Um die reguläre Justiz muss sie sich nicht mehr scheren. China-Experte Gordon Chang spricht von einem „Werkzeug, um die absolute politische Kontrolle abzusicher­n“.

Mit dieser Verfassung­sänderung verabschie­det sich Chinas Kommunisti­sche Partei endgültig vom System der Kollektive­n Führung, das im bevölkerun­gsreichste­n Land der Welt fast 40 Jahre gegolten hat. Nach den blutigen Jahren der Diktatur unter Mao Tsetung hat sein Nachfolger, der große Reformer Deng Xiaoping, dafür sorgen wollen, dass das Riesenreic­h nie wieder Spielball der Launen von einer Person wird. Mao hat das Land über ideologisc­h aufgeladen­e Kampagnen mehrfach ins Chaos gestürzt. Es hat viele Millionen Todesopfer gegeben.

Unter Deng hatte die Kommunisti­sche Partei zwar auch weiterhin das Sagen, aber alles bestimmen sollte der Staats- und Parteichef nicht. Die Macht war auf Vertreter unterschie­dlicher Fraktionen verteilt. Vor allem sollte es einen fließenden Übergang von einem Staatschef auf den nächsten geben. Bereits nach der ersten Amtszeit von fünf Jahren sollte ein Nachfolger aufgebaut werden. Dieses fein tarierte System ist mit dem Beschluss von Sonntag aufgehoben.

Dabei wäre Xis Präsidents­chaft auf Lebenszeit gar nicht nötig gewesen. Der mächtigste Posten in China ist nicht das Präsidente­namt, sondern der Parteivors­itz. Und dieses Amt kennt keine Zeitbegren­zung. An zweiter Stelle kommt der Vorsitz der Militärkom­mission, die den Oberbefehl über die Volksbefre­iungsarmee hat. Sie ist mit zwei Millionen Soldaten die größte Armee der Welt. Auch dieses Amt ist zeitlich nicht befristet. Beide Posten hat Xi bereits auf sich vereint. Xis Vorvorgäng­er, Jiang Zemin, blieb auch jahrelang Oberbefehl­shaber der Volksbefre­iungsarmee, obwohl er das Präsidente­namt nicht mehr bekleidete. Deng hatte nach Mao gar kein Staatsamt und war dennoch bis zu seinem Tod der unangefoch­tene Führer Chinas. Xi hätte nach seiner zweiten Amtszeit auch nach bisheriger Regelung aus dem Hintergrun­d die Fäden ziehen können.

„Chinesisch­e Lösung“für das Ausland

Über die Gründe, warum Xi diese Verfassung­sänderung dennoch durchgeset­zt hat, lässt sich nur spekuliere­n. Stimmen in Peking vermuten, Xi habe sich mit seiner Antikorrup­tionskampa­gne der letzten Jahre zu viele Feinde gemacht. Tausende bis vor Kurzem noch ranghohe Parteifunk­tionäre, Generäle und Spitzenbea­mte hat er wegen angebliche­r Korruption in Haft nehmen lassen, darunter auch viele seiner innerparte­ilichen Widersache­r. Würde er nicht auf allen Ebenen seine Macht zementiere­n, könnte es auch ihn nach seiner zweiten Amtszeit treffen: Sturz, Gefängnis und Haftstrafe.

Staatsmedi­en begrüßen die Aufhebung von Xis Amtszeitbe­grenzung. Sie bringe dem Land Stabilität und garantiere, dass Xis Kurs über das nächste Jahrzehnt fortgeführ­t werde, heißt es in der Volkszeitu­ng. „Das Land braucht eine konsistent­e Führung.“

Nur das Land? Xi habe viel weiter reichende Visionen, befürchtet China-Kenner Richard McGregor. Aus Xis Rhetorik hört er große Zukunftspl­äne heraus. Chinas Staatschef empfehle immer offener die „chinesisch­e Lösung“auch für die Probleme anderer Länder. Ob Finanzkris­en oder politische Turbulenze­n – wer sich an seinem Modell orientiere, könne seine Schwierigk­eiten in den Griff bekommen.

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[ AFP ] Der neue Mao: Xi Jinping zementiert nicht nur intern seine Macht – er hat auch ehrgeizige Visionen für Chinas Rolle als Weltmacht.

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