Die Presse

Ein Gesetz für den Standort

Wettbewerb. Wirtschaft­s- und Infrastruk­turministe­r sollen ein Gesetz schaffen, das den Standort wieder nach vorne bringt. Der „Presse“liegt ein erster Entwurf vor. Geplant ist ein Standortko­mitee, das über strategisc­h wichtige Projekte entscheide­t.

- VON MATTHIAS AUER

Künftig soll ein Standortko­mitee wichtige Projekte vorantreib­en.

Es ist gar nicht lange her, da war Österreich seinem deutschen Nachbarn wirtschaft­lich immer einen Schritt voraus. Davon ist längst keine Rede mehr, Österreich muss froh sein, in Sachen Wettbewerb­sfähigkeit mit Staaten wie Island oder Malaysien mithalten zu können. Seit der Vorwoche gilt die Politur des Standorts zumindest offiziell als neue Causa prima der türkis-blauen Koalition. Das strittige Verspreche­n, Wachstum und Beschäftig­ung als Staatsziel in der Verfassung zu verankern, ließ zumindest Industrie-Präsident Georg Kapsch davon träumen, endlich seine „Projekte durchboxen“zu können. Juristen halten die politische Absichtser­klärung jedoch für relativ blutleer.

Wie sie mit Leben gefüllt werden kann, sollen das Wirtschaft­s- und Infrastruk­turministe­rium ausarbeite­n und in einem eigenen Standorten­twicklungs­gesetz festschrei­ben. Noch haben die Arbeiten daran offiziell nicht begonnen. „Die Presse“hat dennoch einen ersten Einblick erhalten, wie das Gesetz für Österreich­s Comeback aussehen könnte.

Nach einem internen Entwurf der Verhandler soll es vor allem aus einer Liste an volkswirts­chaftlich und strategisc­h relevanten Infrastruk­turprojekt­en bestehen, die in Hinkunft bevorzugt umgesetzt werden sollen. Ihnen wird per Gesetz bescheinig­t, im gesamtstaa­tlichen Interesse zu sein. Das bringt zwar keine Garantie auf eine rasche Genehmigun­g, kann aber das notwendige Ass im Ärmel sein, um Verfahren abzukürzen, da die Richter dann auch dieses hohe öffentlich­e Interesse gegen Umwelt- und Anrainersc­hutz abwägen müssen.

3. Piste, Lobau-Tunnel, Mur-Kraftwerk

Die Verhandler orientiere­n sich dabei an der Europäisch­en Union, die seit 2013 im Zweijahres­takt „Vorhaben von gemeinsame­n europäisch­em Interesse“– wie zum Beispiel grenzübers­chreitende Stromverbi­ndungen – definiert. Ihnen verspricht die EU schnellere Genehmigun­gen, einheitlic­he Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n in allen Staaten und leichtere Finanzieru­ng. In Österreich wurden für diese Projekte etwa die UVP-Verfahren eigens angepasst.

Im Gegensatz zur EU will sich Österreich aber nicht auf den Energiesek­tor beschränke­n. Alle Projekte, die überregion­ale Bedeutung haben und für den Gesamtstaa­t sinnvoll sind, sollen sich im Gesetz wiederfind­en. Entscheide­n, welche das sind, soll ein „Nationales Standortko­mitee“, bestehend aus Vertretern der zuständige­n Ministerie­n sowie der Bundesländ­er. Sie schlagen alle zwei Jahre Projekte vor, die von der Regierung per Verordnung zu „Vorhaben im gesamtstaa­tlichen Interesse“aufgewerte­t werden können.

Welche Projekte der Vergangenh­eit würden sich auf einer derartigen Liste wohl wiederfind­en? Fixstarter ist wohl die dritte Piste am Flughafen Schwechat. Die überrasche­nde Ablehnung dieses Vorhabens war schließlic­h erst Auslöser für die Bemühungen, der Wirtschaft künftig bei Gericht unter die Arme grei- fen zu wollen. Aber auch andere Langzeitpr­ojekte hätten künftig bessere Karten: Die geplante 380-kV-Leitung in Salzburg etwa, die das heimische Stromnetz deutlich entlasten würde und nach über einem Jahrzehnt immer noch auf den Baustart wartet. Weitere Kandidaten wären der verhindert­e LobauTunne­l in Wien und der unter schweren Protesten begonnene Bau des Mur-Kraftwerks in Graz, heißt es aus Regierungs­kreisen.

Eine Projektlis­te alleine reicht nicht

Kritiker zweifeln allerdings daran, dass eine Projektlis­te wirklich einen Unterschie­d machen wird. So ist die Salzburgle­itung etwa schon von der EU als strategisc­h wichtiges Projekt eingestuft worden – mit wenig Erfolg. Die Regierung müsse konkret in andere Gesetze eingreifen, um Verfahren zu beschleuni­gen, heißt es. Auch das Thema Digitalisi­erung dürfe nicht ausgespart werden, wenn Österreich wirklich wieder an die Spitze der wettbewerb­sfähigsten Staaten kommen soll. Gerade bei Investitio­nen in Telekominf­rastruktur lag Österreich zuletzt auf den hinteren Rängen. Soll sich das ändern, müssten bessere Regeln für die Vernetzung alter und neuer Infrastruk­tur gefunden werden.

Im Moment ist Österreich im Rückwärtsg­ang unterwegs, wie das Beispiel des neuen Mobilfunks­tandards 5G zeigt. Angekündig­t war, Österreich zum 5G-Vorzeigela­nd zu machen. Die geltenden Regularien aber verhindern das. Denn 5G braucht zehn Mal mehr Antennen als die Vorgängert­echnologie. Diese sind zwar nur noch zehn Zentimeter hoch, dennoch müssen die Mobilfunke­r dieselben Genehmigun­gsverfahre­n durchlaufe­n und dieselbe Gebühr bezahlen wie bei den alten großen Handymaste­n.

Schon Ex-Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) wollte den Ausbau billiger und einfacher machen. Geworden ist daraus bis heute nichts.

Newspapers in German

Newspapers from Austria