Ein Gesetz für den Standort
Wettbewerb. Wirtschafts- und Infrastrukturminister sollen ein Gesetz schaffen, das den Standort wieder nach vorne bringt. Der „Presse“liegt ein erster Entwurf vor. Geplant ist ein Standortkomitee, das über strategisch wichtige Projekte entscheidet.
Künftig soll ein Standortkomitee wichtige Projekte vorantreiben.
Es ist gar nicht lange her, da war Österreich seinem deutschen Nachbarn wirtschaftlich immer einen Schritt voraus. Davon ist längst keine Rede mehr, Österreich muss froh sein, in Sachen Wettbewerbsfähigkeit mit Staaten wie Island oder Malaysien mithalten zu können. Seit der Vorwoche gilt die Politur des Standorts zumindest offiziell als neue Causa prima der türkis-blauen Koalition. Das strittige Versprechen, Wachstum und Beschäftigung als Staatsziel in der Verfassung zu verankern, ließ zumindest Industrie-Präsident Georg Kapsch davon träumen, endlich seine „Projekte durchboxen“zu können. Juristen halten die politische Absichtserklärung jedoch für relativ blutleer.
Wie sie mit Leben gefüllt werden kann, sollen das Wirtschafts- und Infrastrukturministerium ausarbeiten und in einem eigenen Standortentwicklungsgesetz festschreiben. Noch haben die Arbeiten daran offiziell nicht begonnen. „Die Presse“hat dennoch einen ersten Einblick erhalten, wie das Gesetz für Österreichs Comeback aussehen könnte.
Nach einem internen Entwurf der Verhandler soll es vor allem aus einer Liste an volkswirtschaftlich und strategisch relevanten Infrastrukturprojekten bestehen, die in Hinkunft bevorzugt umgesetzt werden sollen. Ihnen wird per Gesetz bescheinigt, im gesamtstaatlichen Interesse zu sein. Das bringt zwar keine Garantie auf eine rasche Genehmigung, kann aber das notwendige Ass im Ärmel sein, um Verfahren abzukürzen, da die Richter dann auch dieses hohe öffentliche Interesse gegen Umwelt- und Anrainerschutz abwägen müssen.
3. Piste, Lobau-Tunnel, Mur-Kraftwerk
Die Verhandler orientieren sich dabei an der Europäischen Union, die seit 2013 im Zweijahrestakt „Vorhaben von gemeinsamen europäischem Interesse“– wie zum Beispiel grenzüberschreitende Stromverbindungen – definiert. Ihnen verspricht die EU schnellere Genehmigungen, einheitliche Umweltverträglichkeitsprüfungen in allen Staaten und leichtere Finanzierung. In Österreich wurden für diese Projekte etwa die UVP-Verfahren eigens angepasst.
Im Gegensatz zur EU will sich Österreich aber nicht auf den Energiesektor beschränken. Alle Projekte, die überregionale Bedeutung haben und für den Gesamtstaat sinnvoll sind, sollen sich im Gesetz wiederfinden. Entscheiden, welche das sind, soll ein „Nationales Standortkomitee“, bestehend aus Vertretern der zuständigen Ministerien sowie der Bundesländer. Sie schlagen alle zwei Jahre Projekte vor, die von der Regierung per Verordnung zu „Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse“aufgewertet werden können.
Welche Projekte der Vergangenheit würden sich auf einer derartigen Liste wohl wiederfinden? Fixstarter ist wohl die dritte Piste am Flughafen Schwechat. Die überraschende Ablehnung dieses Vorhabens war schließlich erst Auslöser für die Bemühungen, der Wirtschaft künftig bei Gericht unter die Arme grei- fen zu wollen. Aber auch andere Langzeitprojekte hätten künftig bessere Karten: Die geplante 380-kV-Leitung in Salzburg etwa, die das heimische Stromnetz deutlich entlasten würde und nach über einem Jahrzehnt immer noch auf den Baustart wartet. Weitere Kandidaten wären der verhinderte LobauTunnel in Wien und der unter schweren Protesten begonnene Bau des Mur-Kraftwerks in Graz, heißt es aus Regierungskreisen.
Eine Projektliste alleine reicht nicht
Kritiker zweifeln allerdings daran, dass eine Projektliste wirklich einen Unterschied machen wird. So ist die Salzburgleitung etwa schon von der EU als strategisch wichtiges Projekt eingestuft worden – mit wenig Erfolg. Die Regierung müsse konkret in andere Gesetze eingreifen, um Verfahren zu beschleunigen, heißt es. Auch das Thema Digitalisierung dürfe nicht ausgespart werden, wenn Österreich wirklich wieder an die Spitze der wettbewerbsfähigsten Staaten kommen soll. Gerade bei Investitionen in Telekominfrastruktur lag Österreich zuletzt auf den hinteren Rängen. Soll sich das ändern, müssten bessere Regeln für die Vernetzung alter und neuer Infrastruktur gefunden werden.
Im Moment ist Österreich im Rückwärtsgang unterwegs, wie das Beispiel des neuen Mobilfunkstandards 5G zeigt. Angekündigt war, Österreich zum 5G-Vorzeigeland zu machen. Die geltenden Regularien aber verhindern das. Denn 5G braucht zehn Mal mehr Antennen als die Vorgängertechnologie. Diese sind zwar nur noch zehn Zentimeter hoch, dennoch müssen die Mobilfunker dieselben Genehmigungsverfahren durchlaufen und dieselbe Gebühr bezahlen wie bei den alten großen Handymasten.
Schon Ex-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wollte den Ausbau billiger und einfacher machen. Geworden ist daraus bis heute nichts.