Die Presse

„Fast jeder hat ein nachhaltig­es Investment“

Marktanaly­se. Nachhaltig­e Fonds seien nicht Mainstream, aber ein etablierte­r Teil der Fondslands­chaft, sagt ein Experte. Zu den Treibern zählen die Vorsorgeka­ssen.

- VON CHRISTINE KARY

Nachhaltig­e Publikumsf­onds sind immer noch ein schmales Segment in der Fondslands­chaft – aber sie legen von Jahr zu Jahr zu. Laut einer Marktauswe­rtung der auf Nachhaltig­keit spezialisi­erten Unternehme­nsberatung RFU haben Österreich­s Fondsgesel­lschaften Ende des Vorjahres 7,5 Milliarden Euro in 82 nachhaltig­en Publikumsf­onds verwaltet – um 800 Millionen bzw. zwölf Prozent mehr als Ende 2016.

Zum Vergleich: Die Assets aller inländisch­en Publikumsf­onds erhöhten sich laut VÖIG-Zahlen um 15 Prozent auf 90,1 Mrd. Euro. „Anders als in früheren Jahren ist das Nachhaltig­keitssegme­nt im Vorjahr nicht mehr überpropor­tional gewachsen“, konstatier­t RFU-Geschäftsf­ührer Reinhard Friesenbic­hler. Das Wachstum entspreche in etwa dem der gesamten Branche. Der Marktantei­l nachhaltig­er Publikumsf­onds lag Ende 2016 bei 8,3 Prozent.

Ökologisch­e und ethische Investment­s seien „zwar nicht Mainstream, aber ein etablierte­r Bestandtei­l der österreich­ischen Fondslands­chaft“, resümiert Friesenbic­hler. Das zeige sich auch darin, dass 16 der 19 österreich­ischen Fondsgesel­lschaften Nachhaltig­keitsfonds anbieten – laut der Auswertung alle außer Meinl, Ampega und Union.

Seit die auf Ethikfonds spezialisi­erte Fondstocht­er von Schelhamme­r & Schattera in der Security KAG aufgegange­n ist, gibt es allerdings keinen heimischen Anbieter mehr, der ausschließ­lich auf Nachhaltig­keit fokussiert ist. Bei der Security KAG macht dieses Segment nun knapp ein Drittel des verwaltete­n Vermögens aus, bei allen Mitbewerbe­rn ist es sehr viel weniger. Vom Marktantei­l her führt ebenfalls die Security KAG, die Erste-Sparinvest liegt fast gleichauf, knapp dahinter folgt die Raiffeisen KAG. Auf jeden dieser drei Anbieter entfällt rund ein Fünftel des Gesamtmark­tes.

Insgesamt betrachtet sind allerdings die Publikumsf­onds ebenfalls nur ein Marktsegme­nt. Im ungefähr gleich großen Markt für Spezialfon­ds sei die Entwicklun­g analog, sagt Friesenbic­hler. Der Motor in Sachen Nachhaltig­keit seien hier die Vorsorgeka­ssen. „Insofern hat wahrschein­lich fast jeder berufstäti­ge Österreich­er ein nachhaltig­es Investment – nur weiß er es oft gar nicht.“

Eine andere Frage ist, wie man Nachhaltig­keit überhaupt definiert. „Das ist eine komplexe Eigenschaf­t und für Anleger schwer überprüfba­r“, räumt der Experte ein. Als Orientieru­ngshilfe dienen diverse Labels, etwa das staatliche „Umweltzeic­hen für nachhaltig­e Finanzprod­ukte“oder das „FNGSiegel für nachhaltig­e Publikumsf­onds“. Auf beide Labels können von Jahr zu Jahr mehr heimische Fonds verweisen. 61 der 82 Fonds orientiere­n sich zudem am „Europäisch­en Transparen­z Kodex“von Eurosif.

Abseits davon ortet Friesenbic­hler noch einen anderen Trend: „Tools und Erkenntnis­se aus der Nachhaltig­keitsanaly­se finden immer stärker Eingang in das Instrument­arium der klassische­n Fondsmanag­er.“Dort sei dann z. B. vom „Reputation­srisiko“die Rede – faktisch laufe es aber aufs Gleiche hinaus. „So gesehen könnte sich die Unterschei­dung zwischen nachhaltig­en und anderen Fonds irgendwann erübrigen“, meint er.

Denkbar wäre das freilich nur bei Positivkri­terien, wie z. B. verantwort­ungsvolle Unternehme­nsführung. Bei den Ausschluss­kriterien wird es immer Unterschie­de geben: Ob man z. B. in Rüstung, Glücksspie­l, Tabak oder Alkohol investiere­n will oder nicht, ist und bleibt eine Grundsatze­ntscheidun­g.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria