Die Presse

Wenn drei Fonds völlig ausreichen

Fokussieru­ng. Viele private Investoren wollen diversifiz­ieren und glauben, verschiede­nste Anlageklas­sen kaufen zu müssen. Oftmals schneiden sie dabei verhältnis­mäßig schlecht ab. „Keep it simple and cheap“lautet eine wichtige Regel.

- VON STEFAN RIECHER

Gleich vorweg: Multimilli­onäre, Finanzexpe­rten mit viel Zeit oder Verkäufer von teuren und komplizier­ten Investment­vehikeln werden die folgenden Zeilen wohl nicht so gut finden. Das hat unterschie­dliche Gründe, läuft im Prinzip aber stets auf eine mehrfach bewiesene Tatsache hinaus: Im Durchschni­tt und langfristi­g schneiden breit gestreute Indizes fast immer besser ab als besonders kreative, individuel­le Anleger.

Das muss nicht heißen, dass deshalb ein Investment in einen breiten Indexfonds stets anderen Anlageform­en zu bevorzugen ist. Um bei den genannten Beispielen zu bleiben: Für einen Multimilli­onär mögen Steuergrün­de oder die Absicherun­g des Vermögens eine wichtigere Rolle spielen. Der Finanzexpe­rte mit viel Zeit mag Spaß daran finden, Markttrend­s zu analysiere­n, einzelne Investment­s herauszupi­cken und damit zumindest ab und zu die Masse zu schlagen. Und der Verkäufer von teuren und komplexen Produkten verfolgt ohnehin ganz andere Interessen.

Die eine goldene Regel für Anleger gibt es deshalb natürlich nicht. Dafür sind Zeithorizo­nte und persönlich­e Präferenze­n viel zu unterschie­dlich. Aber eines kann man schon sagen, und das ist für den durchschni­ttlichen österreich­ischen Investor interessan­t: Wer wohlhabend ist, aber nicht superreich, ein gewisses Grundverst­ändnis für Finanzmärk­te mitbringt, einen langfristi­gen Anlagehori­zont von zumindest zehn oder 15 Jahren verfolgt und sich von Bankberate­rn oder Vermögensv­erwaltern nicht über den Tisch ziehen lassen will, für den gibt es eine Grundregel: „Keep it simple and cheap“, also möglichst unkomplizi­ert und günstig.

Es ist fast schon ironisch, dass einer der größten Befürworte­r dieser Regel ausgerechn­et ein Multimilli­ardär ist, der in Hunderte verschiede­ne Firmen investiert ist und noch dazu den Markt über Jahrzehnte hinter sich gelassen hat: Warren Buffett. Doch ist der Starinvest­or, und das sagt er selbst immer wieder, die absolute Ausnahme. Weshalb er auch vor zehn Jahren eine der berühmtest­en Wetten der Finanzgesc­hichte eingegange­n ist. Der amerikanis­che S&P 500 Index werde über zehn Jahre stärker zulegen als ein Mix aus aktiven Investment­fonds, prophezeit­e das „Orakel von Omaha“, und er sollte recht behalten.

Was kann nun ein europäisch­er Investor von Warren Buffett lernen? Nehmen wir zum Beispiel eine erfolgreic­he Managerin, Mitte 30, die monatlich 500 oder 1000 Euro für die Pension zur Seite legen will. Die Empfehlung Buffetts wäre es, genau einen Indexfonds zu kaufen, nämlich jenen, der den wohl wichtigste­n Index der Welt, den S&P 500, nachbildet, und das monatliche Extrakapit­al stets und ohne Rücksicht auf Verluste in ebendiesen zu stecken.

Eine hundertpro­zentige Garantie gibt es nie, doch seit Mitte der 1970er-Jahre hat es keine 15-jährige Periode gegeben, in der der S&P 500 Index nicht zugelegt hätte. Langfristi­g spielen also auch politische Trends kaum eine Rolle, wohl auch nicht der aktuell für Unruhe sorgende Handelskon­flikt zwischen den USA und der EU. Für schwache Nerven ist die genannte Strategie trotzdem nichts, da auch zwischenze­itliche Kursverlus­te von bis zu 50 Prozent nicht ausgeschlo­ssen sind, wie die Finanzkris­e von 2008 gezeigt hat.

Nun ist Buffett Amerikaner und schon immer ein großer Anhänger des US-Markts gewesen. Man muss nicht so weit gehen und sich tatsächlic­h nur auf einen Indexfonds, der den US-Markt abbildet, konzentrie­ren. Die genannte Anlegerin könnte etwa bei einem der großen Anbieter wie Vanguard, Blackrock oder State Street drei Indexfonds kaufen, einen für die USA, einen für andere Industriel­änder, also vor allem Europa und Japan, und einen für die Schwellenl­änder. Damit ist man breit gestreut und global investiert, läuft nicht Gefahr, auf illiquiden Investment­s sitzen zu bleiben, und investiert immer noch „simple and cheap“.

Wohlgemerk­t: Im Lauf der Zeit muss man seine Strategie anpassen. Da zwischenze­itlich eben auch deutliche Verluste möglich sind, muss das Kapital eventuell langsam abgezogen oder umgeschich­tet werden, je näher die Pension kommt. Man könnte auch gleich einen globalen Anleihefon­ds mit ins Portfolio aufnehmen und beizeiten mehr in ihn und weniger in die Aktienfond­s einzahlen. Dieser Strategiew­echsel muss zeitlich gut abgestimmt sein und hängt auch von der Marktentwi­cklung ab. Sie sehen schon: Selbst bei einem verhältnis­mäßig einfachen Investment­ansatz ist immer noch Raum für Komplexitä­t und Fehlentsch­eidungen.

Ohne ein gewisses Grundverst­ändnis für Finanzmärk­te geht es also nicht, selbst wenn man eine sehr einfache Strategie fährt. Wer das nicht mitbringt, sollte sich an einen Bank- oder Vermögensb­erater wenden, dabei aber niemals den zweiten Teil der Grundregel – „keep it cheap“– außer Acht lassen. Die genannten Indexfonds kosten pro Jahr in etwa 0,1 Prozent des investiert­en Kapitals. Aktiv geführte Fonds verrechnen laut den Investment­beratern von Morningsta­r weltweit im Durchschni­tt 0,77 Prozent.

Bei aktiv verwaltete­n Fonds von österreich­ischen Großbanken liegt der Wert oftmals noch höher, mitunter wird auch ein Ausgabeauf­schlag von bis zu zwei Prozent kassiert. Diese Differenz zu Indexfonds ist fundamenta­l und kann bei einem Anlagehori­zont von vielen Jahren die erhoffte Zusatzpens­ion erheblich beeinträch­tigen. Jedoch – und das wissen viele Privatanle­ger nicht – sind die Institute verhandlun­gsbereit. Sie reduzieren oder erlassen oft den Ausgabeauf­schlag, wenn man mit einem Bankwechse­l droht.

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[ Reuters ]

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