„Auf dem Everest weint jeder einmal“
Interview. Lukas Furtenbach führt Expeditionen auf die höchsten Berge der Welt. Das ist teuer, dafür gibt es eine Sauna im Basislager und Internet bis auf 8300 Meter Höhe. Seit er Kinder hat, geht er nicht mehr mit auf den Gipfel.
Die Presse: Sie organisieren Touren auf die höchsten und gefährlichsten Berge der Welt. Wer sind Ihre Kunden, lauter gelangweilte Millionäre? Lukas Furtenbach: Es sind vor allem Menschen, die Trophäen sammeln. Nach dem Mount Everest ist der K2 oft die nächste Trophäe: Nach dem höchsten will man auch den gefährlichsten Berg haben. Die meisten unserer Kunden sind betuchtere Leute, aber wir haben auch den Arbeiter, der einen Zusatzjob annimmt und zwei Jahre spart, um sich seinen Lebenstraum zu erfüllen.
Die Tour auf den Everest kostet 52.000 Euro und dauert zwei Monate. Das muss man sich nicht nur finanziell, sondern auch zeitlich leisten können. Die Zeit ist für die meisten Menschen das größere Problem als das Geld. Heuer bieten wir zum ersten Mal die „Everest Flash“Expedition an, sie dauert vier statt acht Wochen und kostet das Doppelte. Man schläft davor acht Wochen lang zu Hause in einem Höhenzelt. Diese Zeit spart man sich auf dem Berg. Die Expedition war innerhalb von zwei Monaten ausgebucht, obwohl sie 95.000 Euro kostet. Wann geht es los? Im Mai, die Vorbereitungen laufen, rund um den Globus. Es sind zwei Österreicher dabei, Norweger, Israelis, Amerikaner, Australier, Deutsche, Schweizer.
Die Vorbereitung lässt sich so einfach nebenbei erledigen? Ja, weil das hauptsächlich in der Nacht stattfindet. Man baut das Zelt über dem Bett auf, darin wird der Sauerstoffgehalt in der Höhe simuliert. Das steigert man im Lauf der Wochen. Wir überwachen das täglich. Wenn man den Generator in der Früh ausschaltet, hat man seinen ganz normalen Alltag. Parallel dazu müssen die Teilnehmer ihre Kondition trainieren.
Nehmen Sie jeden mit, der zahlt? Nein, wir lehnen zwei Drittel der Anfragen ab. Zur Not fliegen wir nach Südamerika und überprüfen die Bergfähigkeit der Interessenten. Seit den 1990er-Jahren sind die Anbieter nur so aus dem Boden geschossen, nepalesische Billigfirmen boten den Everest zeitweise um 15.000 Euro an. Es gab viele Tote, weil Leute auf dem Berg waren, die dort nichts verloren hatten: viele Chinesen und Inder, die als ersten Berg in ihrem Leben den Everest bestiegen haben. Die fünf Toten im Jahr gehen fast nur auf das Konto nepalesischer Billigfirmen.
Wie können Sie sich da mit Ihren hohen Preisen durchsetzen? Wir sind vor vier Jahren in den Markt eingestiegen, als die Preise im Keller waren. Zu Tiefpreisen, aber mit westlichen Standards. Bei den ersten Touren haben wir draufgezahlt, aber wir konnten uns die Reputation erarbeiten. Heute sind wir der teuerste Veranstalter der Welt. Und wir hatten noch keinen einzigen Todesfall.
Was ist in den Preisen für die Expeditionen alles inkludiert? Alles: die Vorakklimatisation, die Reise, die Zelte, der Sauerstoff, die ganze Expedition. Wir versuchen, jeden Luxus ins Basislager zu bringen, der irgendwie möglich ist. Heuer haben wir eine Sauna, eine Infrarotkabine, beheizte Zelte mit Teppichböden, große Flachbildschirme zum Filmeschauen, eine Bar. Strom und Internet sowieso.
Also Extremerfahrungen größtmöglichem Komfort. Ja; wir wollen, dass die Leute während der Expedition abschalten können. Und ihr Kommunikationsbedürfnis stillen. Internet haben wir bis ins letzte Lager auf 8300 Metern Höhe. Bis zum Nordsattel auf 7000 Metern ist es noch richtig komfortabel: Da sitzt man mit Stühlen bei Tisch im beheizten Zelt, mitten in einer großen Gletscherspalte, und wird bekocht.
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Was muss man noch investieren? Man braucht die persönliche Spezialausrüstung, einen Daunenanzug, Handschuhe und so. Das sind noch einmal bis zu 15.000 Euro.
Die Berggebühren sind dabei? Ja, das sind auf der chinesischen Seite 9950 Dollar pro Person. China verlangt zusätzlich eine Müllgebühr, eine Nationalparkgebühr, eine Gebühr für den Verbindungsoffizier, der verpflichtend dabei ist.
Eine Müllgebühr? Ich dachte, den Müll müssen die Expeditionen hinunter selbst mitnehmen. Man muss sogar mehr Müll hinunternehmen, als man oben produziert. Das wird streng kontrolliert. Sonst gibt es Abschläge auf die Müllkaution von 45.000 Dollar. Die Strafe kann das schnell übersteigen. Die Generation von Reinhold Messner vergisst das immer zu erwähnen, wenn sie sich über die heutigen Bergsteiger mokiert: dass der ganze Müll damals auf dem Berg geblieben ist. Wenn man sie heute darauf anspricht, werden sie ganz kleinlaut.
Betuchte Kunden haben sicher auch recht ausgefallene Wünsche während der Expeditionen. Ja, und wir versuchen, so viel wie möglich zu erfüllen. 50 bis 60 Hubschrauber fliegen jeden Tag zum Basislager. Sie bringen Essen und Luxusgüter und holen Bergsteiger ab, die für ein Abendessen nach Kathmandu oder über Nacht zum Ausspannen in ein Luxushotel fliegen wollen. Und sie bringen chinesische Touristen, die auf einen Sprung im Basislager vorbeischauen, um ein Foto zu machen.
Welche Wünsche können nicht erfüllt werden? Oft betrifft das die Taktik auf dem Berg. Viele Kunden sind Menschen, die sonst das Sagen haben: Topmanager, Anwälte, Unternehmer. Aber auf dem Berg sind wir die Chefs, weil wir mehr Erfahrung haben. Es gab auch schon den Wunsch nach Prostituierten im Basislager. Das machen wir nicht.
Was verdient man mit so einer Expedition auf den Everest? Das sagen wir nicht, aber es ist nicht unsere Cashcow. Wir veranstalten auch ganz normale Skitouren, Heliski-Ausflüge, Trekkingund Radreisen. Wir profitieren da natürlich vom Mythos Everest. Aber man kann damit nicht unendlich viel verdienen, weil man nur eine Expedition im Jahr anbieten kann, das geht wegen des Wetters nur im April und im Mai. Wie oft waren Sie selbst auf dem Gipfel des Mount Everest? Nur ein Mal, und ich habe es derzeit nicht noch einmal vor.
Wieso nicht? Weil mich der Mount Everest nie sonderlich gereizt hat. Ich finde andere Berge anziehender, unbestiegene oder schwierige wie den Nanga Parbat. Oder von einem 8000er mit Skiern abzufahren. Seit ich Kinder habe, gehe ich nicht mehr so große Risken ein. Ich verstehe aber jeden, der diese Trophäe haben will. Auf dem höchsten Punkt der Erde zu stehen ist schon ein sehr erhabenes Gefühl.
(40) begann als Kind mit dem Bergsteigen und Klettern. Von den Alpen zog es den Innsbrucker bald auf die hohen Berge des Himalaja und Karakorum, darunter der Mount Everest, der K2 und der Broad Peak. Seit seinem 21. Lebensjahr leitet Furtenbach Expeditionen. Nach Jobs in Mexiko und Belize und einem Ausflug in die Kommunikationsbranche gründete er 2014 seine eigene Firma. Furtenbach Adventures ist europäischer Marktführer für Expeditionen. Wie fühlt sich das an? Mich hat es mit extremer Genugtuung erfüllt. Das Ego der Kunden wächst nach dem Gipfel um zehn Zentimeter. Man findet auf dem Berg nicht sich selbst, wie manche sagen. Aber man lernt sich selbst besser kennen, weil man so extreme Gefühle erlebt: Freude, Leid, Missgunst, Streit, menschliche Abgründe. Und das, während es ständig um Leben und Tod geht. Ich habe auch noch jeden auf der Expedition weinen sehen, auch die knallhärtesten Topmanager.
Wie reagieren diese Alphatiere, wenn sie nicht auf den Gipfel dürfen, weil das Wetter nicht passt oder weil sie krank werden? Das kann sehr heikel werden. Wir lassen vorab jeden unterschreiben, dass die Entscheidung beim Bergführer liegt. Und wir nehmen so viel Sauerstoff wie möglich mit. Je mehr Sauerstoff, desto sicherer. Kritiker wie Messner sagen, das sei kein echtes Bergsteigen. Aber wir geben unseren Kunden nicht den Stil der Besteigung vor. Es geht darum, auf dem Gipfel zu stehen, um sonst nichts.