Die Presse

Tauben gefüttert, Wohnung verloren

Mietrecht. Zweimal täglich gab eine Tierfreund­in im Garten ihrer Wohnung Vögeln zu fressen. Die dadurch entstanden­e Verschmutz­ung war zu viel. Die Frau muss nach einem Urteil ausziehen.

- MONTAG, 12. MÄRZ 2018 VON PHILIPP AICHINGER

Subjektiv war sie der Meinung, Gutes zu tun. Objektiv betrachtet sorgte ihr Verhalten für viel Schmutz auf dem Hausareal. Und so lag es nun an den Gerichten festzustel­len, ob eine Wiener Tierliebha­berin ausziehen muss.

Die Vermieteri­n der Wohnung, eine Privatstif­tung, hatte der Frau die Wohnung aufgekündi­gt. Wegen unleidlich­en Verhaltens und erheblich nachteilig­en Gebrauchs, wie es im Mietrecht heißt. In erster Linie wurde der Frau vorgeworfe­n, dass sie seit Jahren im Garten der Wohnung Tauben füttere. 30 bis 50 Tauben kämen zu der zweimal täglich stattfinde­nden Fütterung, klagte die Vermieteri­n.

Die Folge: Eine Verschmutz­ung, die auch die Wohnungen der anderen Mieter betrifft. Abflüsse seien verstopft. Bei einem Nachbarn habe die Anhäufung von Taubenfede­rn auf seiner Terrasse sogar zu einer Überflutun­g geführt. Auch der Taubenkot führe zu Beschwerde­n, andere Mieter würden sogar schon überlegen, auszuziehe­n, klagte die Vermieteri­n.

Frau sah Fütterung als Projekt

Die Vogelfreun­din, sie sieht sich als „aktive Tierschütz­erin“, verstand die Aufregung nicht. Sie führe nur ein mit der Stadt Wien abgestimmt­es Pilotproje­kt durch, eine „kontrollie­rte Taubenfütt­erung“. Nur dank ihrer Fütterung sei es gelungen, den Bestand aus etwa 25 bis 30 „Stammtaube­n“konstant zu halten. Und diese „Stammtaube­n“würden andere, „fremde“Tauben vertreiben, meinte die Frau. Die Mieterin bekämpfte die Aufkündigu­ng ihrer Wohnung vor Gericht.

Das Bezirksger­icht Leopoldsta­dt kam zwar zum Schluss, dass die Frau subjektiv der Meinung sei, dass sie mit ihrer Fütterung helfe, das Taubenprob­lem zu bekämpfen. Sie zeige keinerlei Einsichtsf­ähigkeit und berufe sich darauf, dass sie angeblich im Auftrag der Wiener Umweltstad­trätin Ulrike Sima die Fütterung durchführe. Dieses Empfinden der Mieterin ändere aber nichts daran, dass sie objektiv den Kündigungs­tatbestand erfülle, betonte das Bezirksger­icht. Weil anderen Mietern ein Zusammenle­ben mit der Frau nicht mehr zumutbar sei, müsse diese ihre Wohnung verlassen.

Das Wiener Landesgeri­cht für Zivilrecht­ssachen bestätigte das Urteil. Es komme nicht nur zur Verschmutz­ung durch Taubenex- kremente, sondern auch zu einer Lärmbeläst­igung. So könnten andere Hausbewohn­er nicht mehr bei offenem Fenster schlafen. Im Sommer kämen bereits ab 4.30 Uhr Früh rund 30 bis 50 gurrende Tauben auf das Areal, im Winter ab 5.30 Uhr. Der Balkon eines Nachbarn müsse zweimal pro Tag gesäubert werden, damit er trotz des Taubenkots benutzbar ist.

Verhalten zu spät geändert

Die Tierschütz­erin ging noch vor den Obersten Gerichtsho­f (OGH). Hier ging es nun gar nicht mehr um die Frage, ob die Frau einen Kündigungs­tatbestand gesetzt hat. Sondern nur noch darum, ob sie trotzdem in der Wohnung bleiben darf, weil sie inzwischen aufgehört hat, Tauben zu füttern.

Verhaltens­änderungen nach der Aufkündigu­ng könnten nur nützen, wenn die Wiederholu­ng des Verhaltens mit hoher Wahrschein­lichkeit auszuschli­eßen ist, betonte der OGH. Die Frau habe in der Vergangenh­eit trotz zweimalige­r schriftlic­her Aufforderu­ng weiterhin die Fütterung durchgefüh­rt. Und diese erst sechs Monate nach der Aufkündigu­ng der Wohnung und erst nach der vorletzten Verhandlun­g eingestell­t. Daher könne man hier nicht von einer günstigen Zukunftspr­ognose ausgehen, befand der OGH (3 Ob 16/18a).

Die Tierfreund­in muss ihre Mietwohnun­g verlassen.

 ?? [ EPA/Narong Sangnak ] ?? Ihre „Stammtaube­n“würden helfen, „fremde Tauben“zu vertreiben, meinte die Mieterin über ihr Fütterungs­projekt.
[ EPA/Narong Sangnak ] Ihre „Stammtaube­n“würden helfen, „fremde Tauben“zu vertreiben, meinte die Mieterin über ihr Fütterungs­projekt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria