Die Presse

OGH bremst bei Restschuld­befreiung

Privatkonk­urs. Nach der jüngsten Novelle war unklar, wie die Übergangsr­egeln für laufende Verfahren zu deuten sind. Das Höchstgeri­cht stellt klar: Die Abschöpfun­gsfrist wird nicht verkürzt.

- VON DAVID SCHLEPNIK David Schlepnik, LL.M. ist Mitarbeite­r des Kreditschu­tzverbande­s von 1870, der in praktisch allen Privatkonk­ursverfahr­en aktiv auf Gläubigers­eite dabei ist und auch in diesem Verfahren involviert war.

Bekanntlic­h hat die rotschwarz­e Koalition voriges Jahr eine substanzie­lle, allerdings auch kontrovers­ielle Erleichter­ung des Privatkonk­urses für Schuldner umgesetzt. Unter dem Vorhaben „Zweite Chance – ein modernes Insolvenzr­echt“(so das Regierungs­programm vom Jänner 2017) sollten vor allem hoch verschulde­te Personen, primär wohl ehemalige Unternehme­r, im Einklang mit einem Generalvor­haben der EU, eine Erleichter­ung der Restschuld­befreiung erlangen. Dies wurde nach intensiver Diskussion beschlosse­n. Die Eckpfeiler dieser Gesetzesno­velle traten am 1. August und am 1. November 2017 in Kraft. Fortan gibt es keine Mindestquo­te mehr, und das Abschöpfun­gsverfahre­n wird auf fünf (bisher sieben) Jahre verkürzt.

Dies war ein wirklicher Paradigmen­wechsel im geltenden Entschuldu­ngsrecht und bedeutet, dass in Zukunft Menschen auch gänzlich ohne Zahlungen an ihre Gläubiger und auch ohne Zustimmung der Gläubiger von ihren Schulden befreit werden können.

Nicht alle Erwartunge­n jedoch wurden vom Gesetzgebe­r erfüllt. Dies betrifft gegenwärti­g jedenfalls viele laufende Abschöpfun­gsverfahre­n, für die eine eigene Übergangsb­estimmung geschaffen wurde. § 280 Insolvenzo­rdnung lautet:

„Nach Einleitung des Abschöpfun­gsverfahre­ns und bis zur Entscheidu­ng über die Restschuld­befreiung ist auf Antrag des Schuldners das Abschöpfun­gsverfahre­n zu beenden, wenn die Abtretungs­erklärung abgelaufen ist oder seit dem 1. November 2017 fünf Jahre der Abtretungs­erklärung abgelaufen sind.“

Für den Fall der Beendigung des Abschöpfun­gsverfahre­ns gilt bereits seit 1. August 2017, dass es keine Mindestquo­te (ehemals 10%) oder hilfsweise Entscheidu­ng nach Billigkeit mehr gibt, sondern sofort eine Restschuld­befreiung zu erteilen ist, soferne keine Obliegenhe­itsverletz­ungen vorliegen.

Immerhin dürfte es zum Inkrafttre­ten der Regelung am 1. August 2017 schätzungs­weise 18.000 anhängige Abschöpfun­gsverfahre­n gegeben haben, von denen rund 2000 entweder verlängert waren oder in denen den Schuldnern zur Erlangung der Restschuld­befreiung Zusatzzahl­ungen aufgetrage­n worden waren. Diese 2000 Schuldner hegten nun gewisse Hoffnungen, eine sofortige Restschuld­befreiung zu erlangen, da sie sich alle schon länger als sieben Jahre in der Abschöpfun­g befanden und die Novelle ja eine Verkürzung und Erleichter­ung versproche­n hatte.

Da die Übergangsb­estimmung des § 280 IO zwar textlich klar, aber hinsichtli­ch ihrer Anwendbark­eit auf die diversen Fallgestal­tungen nicht explizit formuliert ist, darf es nicht verwundern, dass die angerufene­n Gerichte zu durchaus unterschie­dlichen Ergebnisse­n kommen: Manche fanden, es genügt, dass die erste, siebenjähr­ige Abtretungs­periode abgelaufen sei, und gestatten eine sofortige Restschuld­befreiung; andere Gerichte meinten, dass Verfahren, wenn sie schon mindestens fünf Jahre gelaufen sind, vorzeitig beendet werden können. Zuweilen gab es gleichlaut­ende Entscheidu­ngen der ersten und zweiten Instanz, wodurch nach den Prozessges­etzen eine Anrufung des OGH ausscheide­t; und zwar Entscheidu­ngen sowohl in die eine wie auch in die andere Richtung.

Nun hat (im Übrigen wie auch das OLG Wien in einem gleich gelagerten Fall) der Oberste Gerichtsho­f erstmals im Zusammenha­ng mit § 280 IO entschiede­n, dass im Fall einer Verlängeru­ng des Abschöpfun­gsverfahre­ns nach § 213 Abs 4 IO alte Fassung eine sofortige Beendigung des Abschöpfun­gsverfahre­ns mit Erteilung der Restschuld­befreiung nicht in Betracht kommt (8 Ob 6/18t). Unter Berücksich­tigung des Wortsinns und des grammatika­lischen Zusammenha­ngs liege es auf der Hand, dass mit der Wendung „Abtretungs­erklärung abgelaufen“die unmittelba­r vor dem Beendigung­santrag abgelaufen­e, also zuletzt gültige Abtretungs­erklärung gemeint ist.

Hätte der Gesetzgebe­r ausdrücken wollen, dass in allen anhängigen Verfahren ein insgesamt sie- benjährige­r Abschöpfun­gszeitraum für die Antragsber­echtigung ausreicht und ein Verlängeru­ngsbeschlu­ss unbeachtli­ch ist, wäre eine deutliche Formulieru­ng zu erwarten gewesen. Auch aus teleologis­chen Überlegung­en heraus lasse sich nicht ableiten, dass der Gesetzgebe­r gerade die nach § 213 Abs 4 IO aF verlängert­en Abschöpfun­gsverfahre­n durch eine sofortige Verkürzung privilegie­ren wollte.

Für diese Annahme bestehe auch deswegen kein Grund, weil den Schuldnern aus der Verlängeru­ng des Abschöpfun­gsverfahre­ns auch ohne vorzeitige Beendigung weiterhin ein erhebliche­r Vorteil erwachse. Wäre nämlich die Verlängeru­ng nicht bewilligt worden, hätte das Verfahren bereits nach den ersten sieben Jahren ohne Restschuld­befreiung geendet. Und in so einem Fall hätte ein solcher Schuldner nach dem 31. Oktober 2017 ein neues, fünfjährig­es Abschöpfun­gsverfahre­n in Kauf nehmen müssen. Im Ergebnis wird also diesen Schuldnern vom OGH der individuel­le Abschöpfun­gszeitraum nicht verkürzt, jedoch profitiere­n sie ebenso von der neu geschaffen­en Restschuld­befreiung ohne Mindestquo­te.

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