OGH bremst bei Restschuldbefreiung
Privatkonkurs. Nach der jüngsten Novelle war unklar, wie die Übergangsregeln für laufende Verfahren zu deuten sind. Das Höchstgericht stellt klar: Die Abschöpfungsfrist wird nicht verkürzt.
Bekanntlich hat die rotschwarze Koalition voriges Jahr eine substanzielle, allerdings auch kontroversielle Erleichterung des Privatkonkurses für Schuldner umgesetzt. Unter dem Vorhaben „Zweite Chance – ein modernes Insolvenzrecht“(so das Regierungsprogramm vom Jänner 2017) sollten vor allem hoch verschuldete Personen, primär wohl ehemalige Unternehmer, im Einklang mit einem Generalvorhaben der EU, eine Erleichterung der Restschuldbefreiung erlangen. Dies wurde nach intensiver Diskussion beschlossen. Die Eckpfeiler dieser Gesetzesnovelle traten am 1. August und am 1. November 2017 in Kraft. Fortan gibt es keine Mindestquote mehr, und das Abschöpfungsverfahren wird auf fünf (bisher sieben) Jahre verkürzt.
Dies war ein wirklicher Paradigmenwechsel im geltenden Entschuldungsrecht und bedeutet, dass in Zukunft Menschen auch gänzlich ohne Zahlungen an ihre Gläubiger und auch ohne Zustimmung der Gläubiger von ihren Schulden befreit werden können.
Nicht alle Erwartungen jedoch wurden vom Gesetzgeber erfüllt. Dies betrifft gegenwärtig jedenfalls viele laufende Abschöpfungsverfahren, für die eine eigene Übergangsbestimmung geschaffen wurde. § 280 Insolvenzordnung lautet:
„Nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens und bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung ist auf Antrag des Schuldners das Abschöpfungsverfahren zu beenden, wenn die Abtretungserklärung abgelaufen ist oder seit dem 1. November 2017 fünf Jahre der Abtretungserklärung abgelaufen sind.“
Für den Fall der Beendigung des Abschöpfungsverfahrens gilt bereits seit 1. August 2017, dass es keine Mindestquote (ehemals 10%) oder hilfsweise Entscheidung nach Billigkeit mehr gibt, sondern sofort eine Restschuldbefreiung zu erteilen ist, soferne keine Obliegenheitsverletzungen vorliegen.
Immerhin dürfte es zum Inkrafttreten der Regelung am 1. August 2017 schätzungsweise 18.000 anhängige Abschöpfungsverfahren gegeben haben, von denen rund 2000 entweder verlängert waren oder in denen den Schuldnern zur Erlangung der Restschuldbefreiung Zusatzzahlungen aufgetragen worden waren. Diese 2000 Schuldner hegten nun gewisse Hoffnungen, eine sofortige Restschuldbefreiung zu erlangen, da sie sich alle schon länger als sieben Jahre in der Abschöpfung befanden und die Novelle ja eine Verkürzung und Erleichterung versprochen hatte.
Da die Übergangsbestimmung des § 280 IO zwar textlich klar, aber hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf die diversen Fallgestaltungen nicht explizit formuliert ist, darf es nicht verwundern, dass die angerufenen Gerichte zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen kommen: Manche fanden, es genügt, dass die erste, siebenjährige Abtretungsperiode abgelaufen sei, und gestatten eine sofortige Restschuldbefreiung; andere Gerichte meinten, dass Verfahren, wenn sie schon mindestens fünf Jahre gelaufen sind, vorzeitig beendet werden können. Zuweilen gab es gleichlautende Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz, wodurch nach den Prozessgesetzen eine Anrufung des OGH ausscheidet; und zwar Entscheidungen sowohl in die eine wie auch in die andere Richtung.
Nun hat (im Übrigen wie auch das OLG Wien in einem gleich gelagerten Fall) der Oberste Gerichtshof erstmals im Zusammenhang mit § 280 IO entschieden, dass im Fall einer Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens nach § 213 Abs 4 IO alte Fassung eine sofortige Beendigung des Abschöpfungsverfahrens mit Erteilung der Restschuldbefreiung nicht in Betracht kommt (8 Ob 6/18t). Unter Berücksichtigung des Wortsinns und des grammatikalischen Zusammenhangs liege es auf der Hand, dass mit der Wendung „Abtretungserklärung abgelaufen“die unmittelbar vor dem Beendigungsantrag abgelaufene, also zuletzt gültige Abtretungserklärung gemeint ist.
Hätte der Gesetzgeber ausdrücken wollen, dass in allen anhängigen Verfahren ein insgesamt sie- benjähriger Abschöpfungszeitraum für die Antragsberechtigung ausreicht und ein Verlängerungsbeschluss unbeachtlich ist, wäre eine deutliche Formulierung zu erwarten gewesen. Auch aus teleologischen Überlegungen heraus lasse sich nicht ableiten, dass der Gesetzgeber gerade die nach § 213 Abs 4 IO aF verlängerten Abschöpfungsverfahren durch eine sofortige Verkürzung privilegieren wollte.
Für diese Annahme bestehe auch deswegen kein Grund, weil den Schuldnern aus der Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens auch ohne vorzeitige Beendigung weiterhin ein erheblicher Vorteil erwachse. Wäre nämlich die Verlängerung nicht bewilligt worden, hätte das Verfahren bereits nach den ersten sieben Jahren ohne Restschuldbefreiung geendet. Und in so einem Fall hätte ein solcher Schuldner nach dem 31. Oktober 2017 ein neues, fünfjähriges Abschöpfungsverfahren in Kauf nehmen müssen. Im Ergebnis wird also diesen Schuldnern vom OGH der individuelle Abschöpfungszeitraum nicht verkürzt, jedoch profitieren sie ebenso von der neu geschaffenen Restschuldbefreiung ohne Mindestquote.