Mediziner ohne Spezialwissen musste Krebs nicht erkennen
Arztfehler II. Patient klagte Radiologen: Er hatte mangels vertiefender Ausbildung ein Karzinom nicht entdeckt.
Wegen der Nachkontrolle bei einem Nierenkarzinom war ein Patient von seinem Hausarzt zu einem Facharzt für Radiologie überwiesen worden. Der Facharzt kontrollierte den Patienten in diesem Punkt auch pflichtgemäß. Was der Radiologe bei dieser Untersuchung aber nicht entdeckte, war ein Schilddrüsenkarzinom. Haftet der Facharzt nun deswegen?
Der Patient hatte den Mediziner auf 63.000 Euro Schmerzengeld und eine Haftung für weitere mögliche Schäden geklagt. Durch den Fehler des Arztes sei die Krankheit erst später diagnostiziert worden, sodass sich die Behandlung um zehn Monate und die nötige Operation um ein Jahr verzögert habe. Bereits auf den vom Radiologen angefertigten Computertomografiebildern wären die Auffälligkeiten aber zu erkennen gewesen.
Der Arzt entgegnete, die Untersuchung bei ihm habe nicht der Abklärung der Schilddrüse gedient. Der Schilddrüsenkrebs habe auch nichts mit dem zuvor erlittenen Nierenkrebs zu tun. Man kön- ne ihm im Halsbereich nicht dieselbe Aufmerksamkeit zumuten wie bei den untersuchten Regionen Thorax, Abdomen und Becken, meinte der Mediziner.
Der Facharzt hat die allgemeine Ausbildung als Radiologe absolviert. Er verfügt über keine vertiefte Spezialausbildung, insbesondere nicht bezüglich des Hals/ Schilddrüsenbereichs oder in der Kopf-Hals-Radiologie.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied, dass dem Facharzt kein Vorwurf gemacht werden könne. „Für ein vertieftes Spezialwissen, über das er nicht verfügte, hat der Beklagte hier nicht einzustehen“, erklärten die Höchstrichter.
Der Einwand des Patienten, dass dann Ärzte, die sich nirgendwo vertiefen, in vielen Bereichen von jeder Schuld befreit seien, ließ der OGH (6 Ob 233/17h) nicht gelten. Maßstab für die Haftung seien die Kenntnisse, die ein durchschnittlicher Mediziner in seinem Bereich haben müsse. (aich)