Ein Traditionsklub am Abgrund
Deutschland. Der Abstieg des Hamburger SV ist kaum noch zu verhindern. Nach der 0:6-Niederlage beim FC Bayern bedrohen erboste Anhänger die Mannschaft.
Die Stimmung in Hamburg ist nach der Niederlagenserie des HSV und dem höchstwahrscheinlichen Abstieg aus der deutschen Bundesliga völlig vergiftet. Noch in der Nacht nach der 0:6-Schlappe bei Bayern München mussten Polizeikräfte zum Volksparkstadion ausrücken.
Unbekannte hatten am Zaun des Trainingsgeländes in der Nacht zum Sonntag elf Grabkreuze aufgestellt. Dazu wurde ein Transparent mit dem Spruch aufgehängt: „Eure Zeit ist abgelaufen! Wir kriegen euch alle!“Ermittlungen wurden aufgenommen, die Zahl der Ordner um das Volksparkstadion herum wurde erhöht. Beim Auslaufen am Sonntagvormittag blieb es ruhig.
Nach dem erschütternden Auftritt seiner Mannschaft hatte Trainer Bernd Hollerbach den schlimmsten sportlichen Schreckensort des HSV in der Bundesliga einsam und ohne Illusionen verlassen. Der 48-Jährige befürchtet, dass der neue HSV-Präsident Bernd Hoffmann nach dem Aus von Vorstandschef Heribert Bruchhagen und Sportdirektor Jens Todt auch bei ihm vorzeitig den Daumen senken könnte. „Ich werde auch bis zum Ende alles reinhauen – wenn man das möchte“, sagte Hollerbach am Samstagabend in München.
Öl ins Feuer goss Sven Schipplock. Der Stürmer antwortete auf die Frage, warum Einsatz und Leidenschaft fehlten: „Das müssen Sie die fragen, die heute keine Lust hatten.“Er habe „keine Ahnung, was in manchen Köpfchen so vorgeht“, wetterte der Angreifer, der während der Saison zumeist auf Bank oder Tribüne saß.
Sieben sieglose Spiele liegen nun hinter Hollerbach. „Das ist nicht die Art Fußball, wie ich sie mir vorstelle“, bemängelte der Trainer. „Ich kann verlieren, aber ich muss dann ein bisschen unangenehm sein“, sagte der Mann, der als Profi den Kampfnamen „Hol- leraxt“trug. An ihm kamen wenige ungeschoren vorbei.
Lewandowski (3 Tore), Ribery´ (2) und Robben durften einem nicht einmal zweitligareif auftretenden HSV nach Herzenslust einschenken. Auch ein zweistelliges Resultat wäre möglich gewesen. „Es kann nicht sein, dass man hier immer so eine Klatsche kriegt“, schimpfte Hollerbach. 50 Gegentore kassierte der HSV bei acht Partien gegen Bayern am Stück.
Hollerbach verhehlte nicht, dass das Beben mit der Beurlaubung von Bruchhagen und Todt so kurz vor dem Spiel die Aufgabe zusätzlich erschwerte. Er nahm die Spieler ein Stück weit in Schutz. „Es soll keine Ausrede sein, aber es sind alles auch noch Menschen.“Er wartet nun auf Ansagen von Präsident Hoffmann und InterimsVorstandschef Frank Wettstein, wie es weitergeht. Gegen Hertha steht am Samstag das nächste Endspiel an. „Jetzt haben wir wieder Gegner, die auf Augenhöhe sind“, glaubt Hollerbach. (dpa/red)