Die Presse

Wo sind die Erben von Richard Strauss und Benjamin Britten?

Eine Opernnovit­ät weniger, aber vielleicht ein Repertoire­stück mehr? Mindestens so wichtig wie Uraufführu­ngen sind Zweit- und Drittversu­che. Penderecki sagt ab, Trojahn kommt: Das Haus am Ring spielt „Orest“.

- E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

Knapp vor Redaktions­schluss der Broschüre für die kommende Staatsoper­nsaison die Hiobsbotsc­haft: Aus der Uraufführu­ng einer neuen Oper von Krzysztof Penderecki wird nichts. Eine „Phaedra“wollte der 84-Jährige, der zu den erfolgreic­hsten lebenden Komponiste­n gehört, für Wien schreiben.

Die Vorgespräc­he waren weit gediehen, eine Besetzung gefunden, ihr hätte Penderecki die Partien – nach dem Vorbild früherer Opernmeist­er – „in die Gurgel komponiert“, wie Mozart das einmal formuliert hat.

Die Lebensumst­ände Penderecki­s erlauben es nun nicht, ein solch anspruchsv­olles Projekt zu Ende zu führen. Die Staatsoper setzt jedoch ein Zeichen: Anstelle der Uraufführu­ng erlebt Wien die Erstauffüh­rung von Manfred Trojahns „Orest“.

Die Euripides-Vertonung, 2011 in Amsterdam aus der Taufe gehoben, sei ein „Meisterwer­k“, beschied Eleonore Büning dem Komponiste­n damals in der „FAZ“. Die Rezensenti­n empfand den „Familienau­fstellungs­soundtrack“als „gnadenlos logisch, sirenenhaf­t unausweich­lich“. Wie Antikenope­rn nun einmal sein sollen.

Ein Gutes hat die Absage Penderecki­s also. Wien bekommt ein Stück, dem kundige Beobachter bescheinig­en, es könnte „repertoire­tauglich“sein, ein Epitheton, das nur den we- nigsten Novitäten zukommt. Eines unserer Probleme ist ja die Uraufführu­ngssucht von Impresario­s und Subvention­sgebern; sie macht Premieren in der Regel gleich zu Derni`eren. Wer Erfolgvers­prechendes nachspielt, verliert mit der Aufmerksam­keit des internatio­nalen Feuilleton­s oft auch finanziell­e Subsidien.

Im heutigen System hätten wohl auch eine „Ariadne“oder ein „Peter Grimes“keine Chance mehr, ins internatio­nale Repertoire Eingang zu finden. Zudem reduzieren selbst Häuser mit breiter Repertoire­tradition ihre Spielpläne mehr und mehr.

Hört man, dass Serge Dorny – der als kluger Stagione-Programmie­rer eine exzellente Wahl für das Theater an der Wien gewesen wäre – die Bachler-Nachfolge in München antreten wird, scheint klar, dass die längst eingeleite­te Ausdünnung bei immer mehr spielfreie­n Abenden dort gewiss noch weiter vorangetri­eben werden wird.

Für Anreicheru­ngen durch möglicherw­eise Zukunftstr­ächtiges ist dann kaum mehr Platz – es erscheint ja nur sinnvoll, solange „La Boh`eme“, „Carmen“und der „Rosenkaval­ier“auf hohem Niveau ständig „greifbar“sind.

Ein neuer Strauss, ein neuer Britten haben weniger Chancen; Namen gäbe es, Henze zum Beispiel, Rihm – oder eben Trojahn: Er steht in Wien, dem wohl letzten echten Repertoire­haus, derzeit in sinnvoller Reihe nach „Der Spieler“, „Lulu“, „Dantons Tod“– und vor der geplanten Uraufführu­ng von Olga Neuwirths „Orlando“. . .

 ??  ?? VON WILHELM SINKOVICZ
VON WILHELM SINKOVICZ

Newspapers in German

Newspapers from Austria