Konzerthaus: Spinnweben und Wiesenduft
Das Belcea-Quartett begeistert mit Haydn, Ligeti und Dvor´aks „Amerikanischem Quartett“.
So licht und zart wie Spinnweben wirken die Klänge zu Beginn – aber in ihrem Netz verfängt sich die Aufmerksamkeit im Nu und bleibt 20 Minuten lang gefesselt. Einem unscheinbaren Motiv aus vier Tönen entwachsen zwölf Episoden, extrem unterschiedlich und doch zusammenhängend: Ausgeburten der enormen Fantasie des damals 30-jährigen György Ligeti, mit sicherer Hand in ihre knappste, bündigste Gestalt gebracht. Da gibt es wuselnde Klangflächen oder sonor gestrichene Cluster, angeheizt von Ostinato-Energie und garniert mit der Wucht knallender Bartok-´Pizzicati; sogar ein Walzer schlängelt sich schlaksig um allerlei harmonische Ecken, die Bratsche gerät ins Schlingern und lallt genüsslich ihre Kantilene – und einmal liefert eine rudimentäre Kadenz eine ironische, aber sofort wieder verlassene Pointe.
„Metamorphoses´ nocturnes“nannte Ligeti sein 1. Streichquartett, entstanden noch hinter dem Eisernen Vorhang vor seiner Flucht nach Österreich. Bald erschien es ihm als unbedeutendes Jugendwerk, musste er doch von der westlichen Avantgarde damals noch weitgehend abgeschnitten komponieren. Heute können wir in dem Quartett sehr wohl schon das Profil des reifen Ligeti erahnen – und im Konzert macht es sich gerade in einem betont kulinarischen Programm zwischen Haydn und Dvorak´ prächtig, weil es ein völlig anderes, aber nicht minder großes Hörvergnügen bietet. Zumal dann, wenn das famose Belcea-Quartett noch die hintersten Winkel und kleinsten Verästelungen der Partitur auszuleuchten versteht.
Den nächtlichen Verwandlungen antworteten die vier nach der Pause mit strahlender Sonne in Dvoraks´ „Amerikanischem Quartett“, entstanden 1893 im Einwandererdörfchen Spilville in Iowa – eine melodisch überquellende Musik, in der Wiese und Wald, kuhwarme Milch und frischer Honig zu duften scheinen. Nur im Lento regiert Wehmut: Wenn da der innige Zwiegesang der Violinen immer wieder ins Pianissimo zurücksinkt oder am Ende das Cello seine makellose Legatolinie formt, dann rührt das ans Herz, gerade weil das Belcea-Quartett einen unsentimentalen, nie süßlichen Ton findet. Nicht durchwegs glücklich wurde man dagegen eingangs bei Haydns D-Dur-Quartett op. 20/4, weil schon der Kopfsatz um Nuancen zu neutral blieb und im Finale nicht alle Effekte zündeten. Doch der langsame Satz wirkte, als leide hinter einer strengen barocken Fassade ein empfindsames Gemüt: der Höhepunkt der Belcea-Deutung.