Feminismus, Glamour und Punchlines
Interview. Die Hamburger Rapperin Haiyti, It-Girl der Saison, überzeugte in Wien mit Trap- und Gangsterrap.
Ich hab’ 100.000 Fans, die mich noch nicht kennen!“, krähte sie gleich zu Beginn. Es dröhnte eine delikate Mischkulanz aus stolpernden Beats und elektrischen Störgeräuschen. Die entrückten Fans gaben der Hamburger Rapperin Haiyti sofort vielgestaltiges Echo. Während die Mädchen lauthals mitsangen, präferierten die Burschen eher die martialische Gestikulation. Zwischen den Twens tummelten sich auch milieuuntypische Gestalten älterer Jahrgänge. Kein Wunder, ist doch Haiyti das It-Girl der Saison. Hochglanzmagazine reißen sich derzeit genauso um sie wie Vorstadtschundhefterln. „Mein Steuerberater hat mich im ,Pinneberger Tageblatt‘ gesehen und sich sehr gefreut,“sagt sie, die gerade noch wild mit einer Springschnur am Donaukanal vor der Grellen Forelle zugange war. Fit muss sie sein, schließlich tigert sie während ihrer Show eineinhalb Stunden über die Bretter.
Trap, also Falle, nennt sich jener Substil von Hip-Hop, dem Haiyti besonders zugetan ist. Die düsteren, von billigen Keyboardfiguren aufgezuckerten Sounds spiegeln ideal die derben Raps wider. Mit „Montenegro Zero“legt Haiyti nun ihr erstes professionell produziertes Album vor. Es bereichert ihren Trademark-Hip-Hop-Sound um New-Waveund Popelemente. Das Wunder dabei: Haiyti konnte ihre freche Do-it-yourself-Attitüde bei allem Druck vom Majorlabel retten. Vom Glamour, der mit so einem Mainstreamerfolg einhergehen soll, verspürt sie herzlich wenig. Was sie jetzt genießt? „Da muss ich lange überlegen. Der Gedanke, dass es vielen Menschen schlechter geht als mir, hält mich noch am Leben. Ich krieg’ das Positive, das ich geschafft habe, nicht mit. Will es gar nicht mitkriegen. Ich kapsle mich da ab.“
Sie weiß, sie ist nur so gut, wie ihre nächste ins Handy geballerte Punchline. Schlagkräftige Pointen wie „Ich bin ganz anders, ganz speziell, ich bin ein Serienmodell“, sind zentral in ihrer Rapkunst. Näher darüber nachdenken mag sie aber nicht.
„Es kommt etwas raus aus mir und das ist dann Kunst“, beschied sie der „Presse“in aller Prägnanz. Der Frage, ob es im Gangsterrap auch so etwas wie eine weibliche Perspektive geben könnte, begegnete sie mit Erstaunen. „Dass es da weniger Frauen gibt, finde ich nicht schlimm. Wieso soll man hier einen Feminismus erzwingen, den keiner will?“Und doch traf man auch an diesem Abend in ihren ausgelassenen Raps auf zahlreiche weibliche Figuren, die sich in die Pose der Selbstermächtigung begeben. Zuweilen naiv wie die Antiheldin in „Kate Moss“. Haiyti hustete effektvoll „Ich smoke die Kippen wie Kate Moss“. Rüde ging es in „Bahama Mama“zu, wo ein Bad Girl im Rotlichtmilieu abcasht, ohne aufs eigene Äußere zu achten. Schließlich tanzte da noch die killende Protagonistin von „Bitches“vors innere Auge. Sie finanziert sich ihre Ghettosilberketten selbst.
Das Bedürfnis nach männlichen Helden ist bei Haiyti auch eher gering ausgeprägt. Wenn sie sich schon damit abgibt, wie im Video von „120 Jahre“, dann wählt sie einen Loser von epischer Größe. In diesem Fall war es der argentinische Fußballer Carlos Tevez,´ der als Megaflop am Transfermarkt gilt. Haiyti trug im Video ein Sporttrikot mit Tevez-´Namenszug. Einen verdienten, alten Mann hätte sie dann aber doch gerne geherzt. Sie lud Udo Lindenberg dazu ein, sie bei ihrem wehen Abgesang auf den „American Dream“zu begleiten. Der alte Nöler lehnte leider ab. „Das fand ich ganz schön enttäuschend, schließlich hatte ich ihm den perfekten Part geschrieben. Nun ja, er hatte seine Chance . . .“