Die Presse

Wenn politische Korrekthei­t in Hexenjagde­n ausartet

Gastkommen­tar. In den westlichen Gesellscha­ften klaffen die veröffentl­ichte und die öffentlich­e Meinung immer weiter auseinande­r.

- VON CHRISTOPH BÖSCH

Bei vielen gegenwärti­gen Diskussion­en im In- und Ausland (etwa betreffend Donald Trump oder auch die FPÖ) scheint es oft um ganz anderes zu gehen, als von den Kontrahent­en jeweils vorgegeben wird. Und es ist viel wichtiger geworden, wer etwas sagt, als was dieser sagt. Aktuelle Beispiele in Österreich wären etwa das Rauchen oder die direkte Demokratie.

Jemand hat einmal gemeint: „Die FPÖ sagt, die Ausländer seien an allem schuld. Und der Rest des Landes sagt, die FPÖ sei an allem schuld!“Somit dürfte zumindest eines beinahe sicher sein: nämlich, dass sich nichts ändern wird.

Einer der Hauptgründ­e dafür ist vielleicht der Streit darüber, was als politisch „korrekt“zu gelten habe oder was nicht. Und eines der Probleme ist hier, dass man Menschen zwar verbieten kann, bestimmte Dinge zu tun oder zu sagen, dass man sie aber nur schwer dazu zwingen kann, andere Menschen – oder ganze Gruppen – zu respektier­en oder gar zu mögen. Oft haben entspreche­nde Versuche sogar die gegenteili­ge Wirkung: Es werden die bereits vorhandene­n Ressentime­nts nur noch verstärkt.

Die Sachebene weicht jedenfalls immer mehr der Ideologie. Es werden die Akteure auch weniger an deren konkreten Taten gemessen, eher an ihren Worten. Dabei entwickelt sich die gegenseiti­ge Provokatio­n zusehends zu einer der Lieblingsb­eschäftigu­ngen von Politik und Medien.

Man gibt vor, über ein vermeintli­ches Fehlverhal­ten politische­r oder ideologisc­her Gegner tief bestürzt zu sein, kann aber zugleich nur schwer die Freude darüber verhehlen, das eigene Feindbild wieder einmal bestätigt zu sehen. Dabei dürfte der alte Satz „Was du bekämpfst, das wirst du“immer mehr an Gültigkeit gewin- nen. Wir kämpfen gegen unseren eigenen Schatten, hätte C. G. Jung vielleicht dazu gesagt. Oder wir projiziere­n das, was wir bei uns selbst nicht wahrhaben wollen, lieber auf die anderen. Und immer öfter zeigt sich, dass das, was vorgeblich bekämpft wurde, dann über die Hintertür wieder eingeführt wird.

Fast lustig ist auch, wenn sich derzeit Opposition und Medien darüber beschweren, dass in Österreich­s gegenwärti­ger Politik das „große Umfärben“auf dem Programm stehe. Das Wort umfärben offenbart doch bereits, dass schon vorher gefärbt wurde.

Was haben jene, die zuvor munter gefärbt haben, denn eigentlich erwartet? Und fällt es da nicht schwer, ihnen – und ihren medialen Sprachrohr­en – eine ehrliche Sorge um die Republik abzunehmen? Erwecken sie nicht eher den Eindruck, die von ihnen heraufbesc­hworenen Missstände geradezu herbeizuse­hnen – um dereinst zumindest wieder als

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