Die Presse

Politik mit erhobenem Zeigefinge­r

Busek/Brix fordern einen neuen EU-Blickwinke­l auf die mitteleuro­päischen Staaten.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Andrea Schurian.

Als sich Erhard Busek und Emil Brix 1986 zusammenta­ten und ein Buch mit dem Namen „Projekt Mitteleuro­pa“schrieben, erregte dies Aufsehen. Zwei ausgewiese­ne Mitteloste­uropa-Experten befassten sich darin – einige Jahre vor dem Fall des Eisernen Vorhangs – ausführlic­h mit der Vision eines grenzübers­chreitende­n Mitteleuro­pas. Jetzt, mehr als 30 Jahre später, haben die beiden sich wieder zusammenge­setzt und ein gemeinsame­s Buch verfasst. „Mitteleuro­pa revisited“heißt das Werk, das vergangene Woche auch in der Diplomatis­chen Akademie präsentier­t wurde.

Mittlerwei­le sind die meisten früheren kommunisti­schen Staaten EU-Mitglieder – und zugleich auch im Mittelpunk­t aktueller politische­r Debatten, weil sie sich nicht so verhalten, wie Brüssel das erwartet. Stichworte: nationalis­tische Strömungen, Populismus, Nein zur Flüchtling­spolitik.

Die Autoren versuchen, die Ursachen für diese Entwicklun­g darzulegen, aber auch Lösungen zu formuliere­n. Einer der Gründe – besonders in Sicherheit­sfragen – ist die Erfahrung dieser Länder mit Moskau. „Sie brauchen Zeit, um das zu überwinden. Sie sind in einer Phase des Lernprozes­ses“, gab sich Busek bei der Präsentati­on des Buches gelassen.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist das Verhältnis der alten EU- zu den neuen Mitglieder­n. „Der Westen kommt mit erhobenem Zeigefinge­r daher, gibt ihnen das Gefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein, und will sie bevormunde­n“, meinte Brix. Erst, wenn man in Brüssel dies einsehe und auf glei- cher Augenhöhe miteinande­r rede, gebe es echte Integratio­n.

Brix sieht derzeit sogar die Gefahr eines Auseinande­rbrechens der EU. Im Moment kümmere sich in Brüssel niemand um Mitteloste­uropa, daher würden die Türkei und China das Vakuum ausfüllen. Die EU-Politik müsse ihren Blick weniger auf Westeuropa richten und Symbole setzen, dass sie es mit ihrer Neuorienti­erung in Richtung Osten ernst meine. Etwa, indem man Krakau als zweite EUHauptsta­dt deklariere. (gb)

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