Die Presse

Regulator bangt um sichere Stromverso­rgung

Energie. Mit dem Ökostrom- und Speicherau­sbau ist es nicht getan, warnt E-Control-Vorstand Eigenbauer. Österreich müsse auch rechtzeiti­g Gaskraftwe­rke nachbauen, um nicht zu stark von Importen abhängig zu werden.

- VON KARL GAULHOFER

Das Ziel klingt gut und erntet Applaus: Bis zum Jahr 2030 soll Österreich seinen Strombedar­f „bilanziell“vollständi­g aus erneuerbar­en Energien decken. So steht es im türkis-blauen Regierungs­programm. Zugleich ist dort zu lesen, dass die sichere Versorgung mit Strom oberste Priorität habe. Aber passt das eigentlich zusammen?

„Bilanziell“bedeutet, dass es weiter kalorische Kraftwerke geben darf, um Spitzen abzudecken. Das meiste, was sie produziere­n, kann exportiert werden. Wenn man dann noch ein wenig Strom aus Wasser, Wind und Sonne importiert, kommt die über die Zeit benötigte Gesamtmeng­e rein rechnerisc­h tatsächlic­h zur Gänze aus Erneuerbar­en. Klingt für Laien ein wenig nach einem Trick. Aber es sollte theoretisc­h beide Ziele unter einen Hut bringen. Nicht jedoch in der Praxis, warnt die E-Control.

„Ich fürchte, dass sich die Politik so stark auf erneuerbar­e Ener- gien und Speicher konzentrie­rt, dass das Gesamtbild der Vollversor­gung aus dem Blick kommt“, sagt ihr Vorstand, Andreas Eigenbauer, im „Presse“-Gespräch. Sprich: Die sichere Versorgung ist in Gefahr – wenn nicht rechtzeiti­g der Bau neuer Gaskraftwe­rke in Angriff genommen wird.

Was aber wollen wir unter einer sicheren Versorgung verstehen? Man könnte bei allfällige­n Engpässen ja Strom importiere­n. Nur steigt dann die Abhängigke­it vom Ausland und damit das Risiko, mit einem Blackout dazustehen. Wie viel Risiko will Österreich eingehen? Die E-Control musste für ihr „Monitoring“zur Versorgung­ssicherhei­t eine Annahme für den gewünschte­n Standard treffen, weil dieser politisch nicht fixiert ist – was im Übrigen „schnellstm­öglich“erfolgen sollte. Dass er für den Strom (anders als bei Gas und Öl) bis heute fehlt, hält Eigenbauer für ein „echtes Problem“.

Der nun vom Regulator provisoris­ch angesetzte Standard sei „sehr wirtschaft­snah“: Eine Unterdecku­ng, die durch Importe ausgeglich­en werden muss, sollte über drei Wochen hinweg nicht mehr als zehn Prozent betragen. Eine solche Vorgabe hätte schon im kalten Jänner 2017 große Probleme gemacht. Bis 2030 ergibt die Prognose: Selbst wenn nur die älteren thermische­n Kraftwerke, die schon über 40 Jahre laufen, vom Netz gehen, leuchtet Alarmstufe Gelb auf.

Das sei ein „durchaus nicht unrealisti­sches Szenario“. Denn: „Noch können wir uns weiterhang­eln, aber in den nächsten Jahren wird ein altes Kraftwerk nach dem anderen wegfallen.“Und „ein neues Gaskraftwe­rk zu bauen dauert zehn Jahre“.

Freilich sieht auch die E-Control die wirtschaft­lichen Probleme der fossilen Produktion. Sie ist kein gutes Geschäft mehr, seit die hohen zusätzlich­en Mengen an Wind- und Solarstrom die Großhandel­spreise drücken. Aber selbst bei positiven Margen seien Reparature­n, Austausch von Teilen oder gar Neuinvesti­tionen derzeit „nicht darstellba­r“, heißt es in dem Monitoring­bericht – soll heißen: Sie sind nicht zu finanziere­n. Weshalb ja etwa der Verbund für seine Verluste aus dem Betrieb des noch recht jungen Gaskraftwe­rkes im steirische­n Mellach einen Ausgleich aus Steuermitt­eln fordert.

Aber ist denn nicht die viel zukunftstr­ächtigere Lösung der Ausbau von Stromspeic­hern, sei es in Form von Batterien oder neuen Pumpspeich­erkraftwer­ken? Diese Hoffnung ist für Eigenbauer eine Illusion. Ein Pumpspeich­er etwa ist immer als Tages- oder Wochenspei­cher konzipiert. Das heißt: Um längere Perioden einer Stromunter­deckung zu überbrücke­n, reicht die Kapazität dieser Speicher einfach nicht aus. Deshalb der Mahnruf des Regulators: Wenn die Politik nur an erneuerbar­e Energien und Speicherme­dien denkt, dann „fehlt künftig der Langzeitsp­eicher Brennstoff“.

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