Regulator bangt um sichere Stromversorgung
Energie. Mit dem Ökostrom- und Speicherausbau ist es nicht getan, warnt E-Control-Vorstand Eigenbauer. Österreich müsse auch rechtzeitig Gaskraftwerke nachbauen, um nicht zu stark von Importen abhängig zu werden.
Das Ziel klingt gut und erntet Applaus: Bis zum Jahr 2030 soll Österreich seinen Strombedarf „bilanziell“vollständig aus erneuerbaren Energien decken. So steht es im türkis-blauen Regierungsprogramm. Zugleich ist dort zu lesen, dass die sichere Versorgung mit Strom oberste Priorität habe. Aber passt das eigentlich zusammen?
„Bilanziell“bedeutet, dass es weiter kalorische Kraftwerke geben darf, um Spitzen abzudecken. Das meiste, was sie produzieren, kann exportiert werden. Wenn man dann noch ein wenig Strom aus Wasser, Wind und Sonne importiert, kommt die über die Zeit benötigte Gesamtmenge rein rechnerisch tatsächlich zur Gänze aus Erneuerbaren. Klingt für Laien ein wenig nach einem Trick. Aber es sollte theoretisch beide Ziele unter einen Hut bringen. Nicht jedoch in der Praxis, warnt die E-Control.
„Ich fürchte, dass sich die Politik so stark auf erneuerbare Ener- gien und Speicher konzentriert, dass das Gesamtbild der Vollversorgung aus dem Blick kommt“, sagt ihr Vorstand, Andreas Eigenbauer, im „Presse“-Gespräch. Sprich: Die sichere Versorgung ist in Gefahr – wenn nicht rechtzeitig der Bau neuer Gaskraftwerke in Angriff genommen wird.
Was aber wollen wir unter einer sicheren Versorgung verstehen? Man könnte bei allfälligen Engpässen ja Strom importieren. Nur steigt dann die Abhängigkeit vom Ausland und damit das Risiko, mit einem Blackout dazustehen. Wie viel Risiko will Österreich eingehen? Die E-Control musste für ihr „Monitoring“zur Versorgungssicherheit eine Annahme für den gewünschten Standard treffen, weil dieser politisch nicht fixiert ist – was im Übrigen „schnellstmöglich“erfolgen sollte. Dass er für den Strom (anders als bei Gas und Öl) bis heute fehlt, hält Eigenbauer für ein „echtes Problem“.
Der nun vom Regulator provisorisch angesetzte Standard sei „sehr wirtschaftsnah“: Eine Unterdeckung, die durch Importe ausgeglichen werden muss, sollte über drei Wochen hinweg nicht mehr als zehn Prozent betragen. Eine solche Vorgabe hätte schon im kalten Jänner 2017 große Probleme gemacht. Bis 2030 ergibt die Prognose: Selbst wenn nur die älteren thermischen Kraftwerke, die schon über 40 Jahre laufen, vom Netz gehen, leuchtet Alarmstufe Gelb auf.
Das sei ein „durchaus nicht unrealistisches Szenario“. Denn: „Noch können wir uns weiterhangeln, aber in den nächsten Jahren wird ein altes Kraftwerk nach dem anderen wegfallen.“Und „ein neues Gaskraftwerk zu bauen dauert zehn Jahre“.
Freilich sieht auch die E-Control die wirtschaftlichen Probleme der fossilen Produktion. Sie ist kein gutes Geschäft mehr, seit die hohen zusätzlichen Mengen an Wind- und Solarstrom die Großhandelspreise drücken. Aber selbst bei positiven Margen seien Reparaturen, Austausch von Teilen oder gar Neuinvestitionen derzeit „nicht darstellbar“, heißt es in dem Monitoringbericht – soll heißen: Sie sind nicht zu finanzieren. Weshalb ja etwa der Verbund für seine Verluste aus dem Betrieb des noch recht jungen Gaskraftwerkes im steirischen Mellach einen Ausgleich aus Steuermitteln fordert.
Aber ist denn nicht die viel zukunftsträchtigere Lösung der Ausbau von Stromspeichern, sei es in Form von Batterien oder neuen Pumpspeicherkraftwerken? Diese Hoffnung ist für Eigenbauer eine Illusion. Ein Pumpspeicher etwa ist immer als Tages- oder Wochenspeicher konzipiert. Das heißt: Um längere Perioden einer Stromunterdeckung zu überbrücken, reicht die Kapazität dieser Speicher einfach nicht aus. Deshalb der Mahnruf des Regulators: Wenn die Politik nur an erneuerbare Energien und Speichermedien denkt, dann „fehlt künftig der Langzeitspeicher Brennstoff“.