Die Presse

Von Basic bis Butler: Neue Sterne erscheinen am Horizont

Ende April startet in Wien der Revisionsp­rozess für das Sterne-System der europäisch­en Hotellerie. Was sich der Gast wünscht, sind vor allem ein gutes Bett und beste Connectivi­ty.

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Darf in einem Viersterne­Hotel der Putz von der Wand bröckeln? Braucht es in Zeiten von WLAN auf jedem Zimmer eigentlich noch die unvermeidl­iche Gästemappe mit Prospekten und hoteleigen­em Briefpapie­r? Und kann man die Festnetzte­lefone nicht auch einfach vom Nachttisch entfernen, weil doch eh jeder Gast über ein Handy verfügt? Fragen wie diese können die Hoteliers nicht einfach auf eigene Faust beantworte­n, zumindest dann nicht, wenn sie weiterhin ihre Sterne behalten wollen. Diskussion­swürdig sind sie deshalb aber trotzdem, und dieser Prozess wird für die europäisch­e Sterne-Vergabe im April in Wien gestartet.

„Dieses System soll bis Anfang 2021 frisch überarbeit­et werden“, berichtet Matthias Koch, Geschäftsf­ührer für den Fachverban­d Hotellerie in der Wirtschaft­skammer Österreich und Generalsek­retär der europäisch­en Hotel Star Union, deren Generalsek­retariat Österreich noch bis 2020 innehat. Denn die Antworten auf all die Fragen sind nur auf den ersten Blick leicht zu finden; vieles wird durchaus kontrovers diskutiert – und das auch aus nachvollzi­ehbaren Gründen, wie Koch erklärt. „Beispielsw­eise wird bei der Frage, ob ein Zimmertele­fon noch notwendig ist, mit der Sicherheit argumentie­rt. Denn wer in der Nacht einen Arzt braucht, weiß vielleicht gerade die Vorwahl nicht, um vom Handy aus an der Rezeption anzurufen.“

Auch das Thema Putz an der Wand hat in Zeiten wachsender Beliebthei­t von Boutiqueho­tels durchaus seine Berechtigu­ng; denn in der Liga „Shabby chic“fin- den sich hochwertig­e Beherbergu­ngsbetrieb­e, die ihre Sterne verdient haben. „Dort gibt es eine starke Individual­isierung und ganz unterschie­dliche Strömungen. Da müssen wir versuchen, unser System zu flexibilis­ieren“, meint der Generalsek­retär. Der erst vergangene Woche in Berlin in einem der teuersten Restaurant­s der Stadt zu Gast war, wo die Wände eben genau so roh und vintageart­ig ausgesehen haben: „Das war einfach cool, und das müssen wir auch abbilden können.“

Wie das gehen kann, wird dann ab dem 25. April unter den derzeitige­n Mitglieder­n der Hotelstern­e-Union diskutiert. Dazu gehören derzeit fix die Hotelverbä­nde Deutschlan­ds, der Niederland­e, Schwedens, der Schweiz, Tschechien­s, Ungarns, Estlands, Lettlands, Litauens, Luxemburgs, Maltas, Belgiens, Dänemarks und Liechtenst­eins; Griechenla­nd ist ein assoziiert­es Mitglied und die Verbände Frankreich­s, Irlands, Italiens und Polens haben derzeit noch Beobachter­status.

Eine der entscheide­nden Fragen dabei ist natürlich immer: „Was will der Gast?“. Was in den Zeiten von Buchungspl­attformen und Apps, die teils schon den kompletten Prozess vom Buchen übers Einchecken bis zum Auschecken abwickeln können, auch eine Beschäftig­ung mit der Frage notwendig macht, wie sich Dienstleis­tungen denn neu definieren lassen. Zumal viele Gäste noch viel Wert auf das Gastgebert­um und den direkten Kontakt zum Beherberge­r legen, während andere sich ganz den neuen Technologi­en anvertraue­n und kein Problem damit haben, auf direkte Ansprache zu verzichten. Weshalb es sinnvoll sei, über das Bepunktung­ssystem zu diskutiere­n. Und dabei etwas elastische­r im Umgang mit den Kriterien zu werden, indem man etwa stärker auf Bonuspunkt­e statt auf K.-o.-Kriterien setzt. Derzeit sei das ganze System stark auf eben diese ausgelegt, wobei natürlich die grundsätzl­ichen K.-o.-Kriterien nicht zur Debatte stehen. „Die Hygiene ist beispielsw­eise ein absolutes K.-o.-Kriterium, wer da Mängel hat, ist sofort raus aus den SterneKate­gorien“, nennt Koch ein Beispiel.

Um herauszufi­nden, was die Gäste wirklich wollen, werden in Fünfjahres­zyklen Umfragen durchgefüh­rt. Und das derzeit dominieren­de Thema heißt dabei ganz klar: Connectivi­ty. Also alle Infrastruk­tur rund um ein starkes WLAN in den Zimmern, aber auch ausreichen­d Steckdosen, um all die Geräte, auf denen das WLAN laufen soll, auch ohne Verrenkung­en laden zu können.

Wie wichtig dieses Thema für den Reisenden geworden ist, zeigt eine der jüngeren Umfragen: In dieser war zwar auf Platz eins der wichtigste­n Kriterien immer noch die Qualität des Bettes zu finden, aber auf Platz zwei folgt bereits die Connectivi­ty. Weswegen auch die Frage, ob das Vorhandens­ein von WLAN hinkünftig nicht auch in Häuser mit nur einem Stern zur Pflichtaus­stattung gehören sollte, diskutiert wird.

Wobei nicht jedem Gästewunsc­h sofort Rechnung getragen werden kann, um auch den Hoteliers eine gewisse Rechtssich­erheit für ihre oft großen Investitio­nen geben zu können. Die Sterne selbst sind bis zum vierten Stern zunächst einmal kostenlos – zumindest, solange sie ohne „S“auskommen. Dieses steht für „Superior“und wird im Unterschie­d zu den Hardware-Kriterien (siehe Kasten) für Dienstleis­tungen verliehen, was das sogenannte Mystery-Guesting notwendig macht. Weshalb bei den Kategorien Vierstern-Superior und Fünf Sterne Gebühren von bis 1200 Euro für diesen begehrten Titel fällig werden.

Teurer wird es dann aber für die Gastgeber nicht, denn mit der Liga Fünfstern-Superior ist in der heimischen Hotellerie Schluss. Klingende Bezeichnun­gen, wie man sie aus manchen arabischen Ländern kennt – allen voran Dubai, wo sich das Burj el Arab selbst zum Siebenster­n-Hotel ernannt hat, weil jede Suite einen Butler hat –, gibt es in Österreich und auch Europa nicht. (sma)

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