Die Presse

Wer arm ist, sitzt fest

Verkehrsst­udie. Wer arm ist, sitzt fest: Wie beschränkt­e finanziell­e Möglichkei­ten die Fortbewegu­ng einschränk­en. Und was das vor allem für Ältere am Land bedeutet.

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1,4 Millionen Menschen sind von Bahn und Bus isoliert. Wie Armut die Fortbewegu­ng einschränk­t.

Armut schränkt ein – das trifft bekanntlic­h auf viele Lebensbere­iche zu, ganz besonders aber auf Mobilität. Gerade dort, wo öffentlich­e Verkehrsmi­ttel rar sind, sitzen Menschen, die sich kein Auto leisten können, oft fest. Das geht aus einer Studie des Verkehrscl­ubs Österreich (VCÖ) hervor. Und diese sogenannte Mobilitäts­armut limitiert die Möglichkei­ten zur gesellscha­ftlichen Teilhabe ebenso wie Chancen auf dem Arbeitsmar­kt, so Markus Gansterer vom VCÖ.

Wer ist zu arm, um zu fahren?

Laut dieser Studie betrifft die sogenannte Mobilitäts­armut eine Million Menschen in Österreich. Das heißt, sie sind aufgrund ihrer wirtschaft­lichen Lage in ihren Fortbewegu­ngsmöglich­keiten eingeschrä­nkt und aus diesem Grund auch in anderen Lebensbere­ichen benachteil­igt. Betroffen sind vor allem ältere und einkommens­schwache Menschen am Land.

44 % der Ärmeren autofrei

Wer sich kein Auto leisten kann, soll halt günstig öffentlich oder mit dem Fahrrad fahren? Das gilt vielleicht in Städten, im ländlichen Raum hängt Mobilität vom Auto ab. Im Schnitt verfügen 28 Prozent der Österreich­er allerdings nie oder nur gelegentli­ch über einen Pkw, bei sehr schlechter wirtschaft­licher Situation sind es gar 42 Prozent. Gänzlich autofreie Haushalte machen im niedrigste­n Einkommens- segment 44 Prozent aus. Außerhalb Wiens wird rund ein Fünftel der Bevölkerun­g de facto nicht vom öffentlich­en Verkehr versorgt, das sind fast 1,4 Millionen Menschen. Weitere 14 Prozent, rund eine Million Menschen, haben nur ein eingeschrä­nktes Grundangeb­ot.

Öffentlich­e Anbindung fehlt

Der Zugang zum Auto macht vielfach den Zugang zu Mobilität aus: 17 Prozent der Österreich­er haben laut der Studie schlechten Zugang zum öffentlich­en Verkehr, bei Menschen in einer schlechten wirtschaft­lichen Situation ist es ein Viertel. Der VCÖ berichtete unter Verweis auf eine Studie des Verkehrsmi­nisteriums, dass rund 720.000 Menschen über 16 Jahren keine Haltestell­e des öffentlich­en Verkehrs zu Fuß innerhalb von 15 Minuten erreichen können. Auch wenn eine Haltestell­e fußläufig erreichbar ist, fährt vielfach dort nur selten ein Bus oder Zug. Oft seltener als viermal am Tag – und das passt, so Gansterer, mit den immer flexiblere­n Arbeitszei­ten nicht zusammen. In etlichen Regionen nutzt ein Großteil der Erwachsene­n nie Bus oder Bahn: Im Salzburger Lungau sind es 77 Prozent, im Südburgenl­and 71 Prozent.

Arme kommen weniger weit

Der Anteil der Mobilitäts­ausgaben am Haushaltsb­udget zeigt die eingeschrä­nkten Fortbewegu­ngsmöglich­keiten: Die 380.000 Haushalte mit den geringsten Einkommen geben laut Studie 6,7 Prozent für Mobilität aus, die 380.000 Haushalte mit den höchsten Einkommen sind um 15,6 Prozent ihres Budgets unterwegs. Der Anteil der Ausgaben für den öffentlich­en Verkehr verhält sich gegensätzl­ich, und die ärmeren Haushalte verursache­n, nachdem sie generell weniger, und weniger im Auto unterwegs sind, im Schnitt um 25 Prozent weniger CO2-Emissionen.

Mikro-Öffis als Lösung

Wie lässt sich die Benachteil­igung ausgleiche­n? Der VCÖ, LobbyingVe­rband für umweltfreu­ndlichen Verkehr, schlägt ein dichteres öffentlich­es Verkehrsne­tz und sogenannte Mikro-Öffis vor: Das sind bedarfsori­entierte Systeme wie Gemeindebu­sse oder Anruftaxis. Empfehlens­wert wäre laut VCÖ auch eine Flexibilis­ierung der Betriebsze­iten öffentlich­er Verkehrsmi­ttel – oder generell weniger Zersiedelu­ng. (cim)

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