Das Alien war kein Alien
Chile. Über eine 2003 in der Wüste gefundene winzige Mumie wurde spekuliert, sie könne ein Zwergmensch, Primat oder Außerirdischer gewesen sein. Nun steht die ernüchternde Wahrheit fest.
Die Spekulationen über eine 2003 in Chile gefundene winzige Mumie haben nun ein Ende. Ein Außerirdischer war es jedenfalls nicht.
Santiago de Chile. War es ein zwergenwüchsiger Mensch? Ein menschenähnlicher Primat oder Frühmensch aus ferner Vergangenheit? Ein deformierter Fötus? Oder doch ein mumifizierter Außerirdischer?
Seit ein Schatzsucher namens Oscar Mun˜oz 2003 in einer Geisterstadt in der nordchilenischen Atacamawüste eine etwa 15 Zentimeter große, weitgehend skelettierte, teilweise noch mit Gewebe überzogene Mumie gefunden hatte, blühten die Gerüchte in der Wissenschafts- und der Ufologenszene. Wobei Letztere den Anfang machte: Das „Ding“gleicht einem Menschen, passt aber mit dem deformierten Schädel, den großen Augen und überlangen Armen auch zu gängigen Vorstellungen über Extraterrestrische in den Parawissenschaften und der Science-Fiction (s. Fotos).
Nach wissenschaftlichen Untersuchungen, die schon 2013 zur weitgehenden Lösung des Rätsels führten, steht die Erklärung nach weiteren Studien vor allem der DNA nun fest. Das schreiben Forscher der Universität von Kalifornien in San Francisco und der Stanford University in ihrem Abschlussartikel im Fachjournal „Genome Research“. Doch dazu später.
Mun˜oz stöberte in den Ruinen von La Noria, rund 30 Kilometer Luftlinie von der Hafenstadt Iquique entfernt nahe der Überlandstraße Panamericana. La Noria war eine im 19. Jahrhundert gegründete Siedlung von Arbeitern einer Salpetermine und - fabrik, die man 1931 aufließ. Der Sage nach sind dort Schätze vergraben.
Spielplatz der Ufos
Mun˜oz zeigte den Fund anderen Suchern, einer machte ein Foto und gab es einer Ufo-Forschergruppe in Chile (Berichte über Ufos sind in der Atacamaregion häufig). Ein Wirt in Iquique kaufte die Mumie um rund 40 Euro, später erwarb sie ein Geschäftsmann in Spanien um viel Geld. Der Hype um die „Ata“getaufte Mumie brach los. So wurden Kopien von Fotos um Hunderte Euro verkauft, ein Doku-Film „enthüllt“sie als Alien. Ein chilenischer Biologe befand sie anhand von Fotos für humanoid, doch das ging unter.
2013 wurde Ata von Garry Nolan, Professor für Mikrobiologie und Immunologie an der Uni Stanford, und Kollegen anderer Fächer wie Kinderröntgen und Anthropologie untersucht. DNA und Gewebe waren, wobei das trockene Klima die Konservierung ohnehin begünstigt, in so „frischem“Zustand, dass man Ata als Mensch einstufen und das Alter der Mumie auf einige Jahrzehnte schätzen konnte. Seltsam war, dass man zehn statt zwölf Rippenpaare sah, dass Zustand und Dichte der Wachstumsfugen an den Beinen ein Alter von fünf bis zehn Jahren andeuteten, die Größe der Mumie und die offene Stirnnaht aber einen Fötus der 22. bis 24. Schwangerschaftswoche. Überhaupt, dieser Kopf!
Nolan folgerte, die Person könne zwergenwüchsig geboren und Jahre später gestorben sein; sie könne auch im Mutterleib an extremer Form von Progerie (frühzeitiger Alterung) gestorben sein; vielleicht war eine Vergiftung mit im Spiel, die Deformationen auslösen könnte wie einst Contergan.
Weißes Tuch, violette Schleife
Weitere Studien folgten, und auch andere Forscher widerlegten viele Hypothesen: So wurde die fortgeschrittene Entwicklung der Fugen widerlegt; die kleinen „unechten“Rippen elf und zwölf sind nicht recht ausgebildet, jedenfalls nur im Röntgen nicht sichtbar. Und so kam man zum nüchternen, traurigen Schluss: Ata war ein Mädchen; sie hatte als Fötus einige bekannte, sehr seltene genetisch bedingte Fehlbildungen von Skelett und Muskulatur, auch infolge von Progerie. Ihre Mutter erlitt deswegen in der Gegend vor höchstens gut 40 Jahren einen Abort und wird Ata in La Noria abgelegt haben.
Man hätte Oscar Munoz˜ damals genauer zuhören sollen: Er hatte, so sagte er, das Skelett nahe der Kirche gefunden – eingewickelt in ein weißes Tuch, das mit einem violetten Band verschnürt war.