Das Belohnungsauto in Zeiten des SUVs
Fahrbericht. Knapper Schnitt und imposanter Preis: Nachdem Sportwagen und Cabrios zur Bewältigung der Midlife-Crisis ausgedient haben, übernehmen SUVs diese Rolle – und keines so wie der BMW X2.
BMW hat einige Meisterschaft darin entwickelt, Nischen aufzuspüren und als Pionier zu besetzen.
Das trägt nicht immer, wenn man sich in der jüngeren Vergangenheit umschaut, die erhofften Früchte, so etwa beim Elektro-Solitär i3. Eine glückliche Hand bewies man zweifellos im SUV-Format, denn der X6 war mutig und keineswegs ein garantierter Erfolg. Aus einem massigen SUV etwas Coupeartiges´ zu zimmern, ist eigentlich widersinnig – und fand ebenso Abnehmer wie Nachahmer.
Nun ist mit dem X2 ein weiteres eigenwilliges Konzept auf dem Prüfstand. Thematisch orientiert es sich am X6: Eine Prise Unvernunft – BMW würde wohl hauchen: Emotion – in eine Fahrzeuggattung streuen, die in aller Regel rational begründet wird. Sollten also Argumente wie Vielseitigkeit, Variabilität und Platz zum X1 geführt haben, so ist der X2 nun die tiefergelegte, verkürzte, gechoppte und engere Variante davon.
Und selbstredend auch die teurere. Der X2 ist sicherlich eine der kostspieligsten Arten, ein Auto unter 4,4 Metern Länge anzuschaffen. Acht Zentimeter ist er kürzer als der X1 und über achteinhalb Zentimeter niedriger – und kostet bei vergleichbarer Motorisierung gut 5000 Euro mehr.
Eine Art GTI
Weil sich beide die technische Plattform teilen, ist der Radstand gleich geblieben. Was die Proportionen markant ins Dynamische dreht. Einige Stylingkniffe erledigen den Rest, um den X2 maximal verwegen dastehen zu lassen: eine hohe Schulterlinie, die nach hinten hin stark ansteigt und dem abfallenden Dach zuläuft, eckig ausgeschnittene Radhäuser, in denen nichts Kleineres als 19-Zoll-Räder hausen, und ein optisch betonter Unterbodenfahrschutz (dem Geländefahrten wohl nur in Ausnahmefällen zugemutet werden).
Das BMW-Logo an der C-Säule dient der Adelung, denn es ist markengeschichtlich den feinen Coupes´ vorbehalten.
Einen Sportwagen möchte man im X2 nicht sehen, aber wie ein klassischer Hot hatch, also ein Gasslheizer nach GTI-Art, kann er schon wirken – freilich ein etwas groß geratener.
Am Steuer hat man sich schnell in eine perfekte Fahrposition justiert und harrt der Dinge. Vertraut die Skulptur des Wahlhebels der Getriebeautomatik, die im Fall des Dieselmotors acht Gänge per Drehmomentwandler bedeutet. Während man sich fahrwerksseitig von BMW einiges erwarten darf, wirkt das Motorstar- ten zunächst wie ein Dämpfer allfälliger sportlicher Gelüste: Es mag an den besonders niedrigen Außentemperaturen liegen, aber der Vierzylinder klopft nach dem Kaltstart äußerst rustikal unter der Motorhaube.
Additiv an Bord
Derlei ist zwar gang und gäbe auf unseren Straßen, wirkt in der Premium-Livree des BMW aber doch unpassend. Da würde man doch zum gleich großen, mit 193 PS etwas stärkeren Turbobenziner greifen, der akustisch unauffällig, leichtgewichtiger und obendrein günstiger in der Anschaffung ist.
Oder was spräche für den Diesel? Die aufwendige Abgasreinigung mit SCR-Kat und Additiv AdBlue an Bord wohl nicht, denn der Benziner ist auch ohne sauber. Die etwas merkwürdig anmutende „City-Garantie“, die Dieselfahrer bei der Stange halten soll (bei etwaigen Fahrverboten darf man innerhalb des Leasings auf andere Modelle umsteigen), erübrigt sich erst recht.
Mit 6,6 Litern im Testverbrauch, ein Wert schon an der unteren Grenze der Möglichkeiten, fährt der X2 ehrbar, aber nicht sensationell. Fein ist die mächtige Drehmomentwelle, die sich entfachen lässt. Aber das können die Turbobenziner mittlerweile auch ganz gut. Auch die Allradoption ist für den Zweiliterbenziner demnächst verfügbar.
In Testkonfiguration schöpften wir gleich aus dem Vollen mit der Ausstattungsvariante M Sport X, die den Preis nach oben (ab 51.803 Euro, mit viel Platz für Extras) und das Fahrwerk um 10 mm nach unten treibt. Dass ein höherer Aufbau im Sinne flotter Kurvenfahrt straffer gefedert werden muss, sollte sich bereits herumgesprochen haben. Erst recht sportlich angelegte SUVs pflegen eine unzensurierte Berichterstattung des Straßenzustandes, und der X2 ist keine Ausnahme. Fahrbahnschäden wird man deshalb gern beherzt umkurven, so der Platz es erlaubt, denn die Lenkung ist schön direkt, wenn auch rückmeldungsarm. Das Fahrwerk müht sich redlich, die nicht unerhebliche Masse und den nicht ideal liegenden Schwerpunkt zu kaschieren. An ein SUV erinnert letztlich nur wenig, mehr ist der X2 – Luxusgeschöpf, das er darstellt – als Belohnungsauto in Zeiten des SUVs zu sehen. Früher waren das Sportwagen und Cabrios.