Die Presse

Das Belohnungs­auto in Zeiten des SUVs

Fahrberich­t. Knapper Schnitt und imposanter Preis: Nachdem Sportwagen und Cabrios zur Bewältigun­g der Midlife-Crisis ausgedient haben, übernehmen SUVs diese Rolle – und keines so wie der BMW X2.

- VON TIMO VÖLKER

BMW hat einige Meistersch­aft darin entwickelt, Nischen aufzuspüre­n und als Pionier zu besetzen.

Das trägt nicht immer, wenn man sich in der jüngeren Vergangenh­eit umschaut, die erhofften Früchte, so etwa beim Elektro-Solitär i3. Eine glückliche Hand bewies man zweifellos im SUV-Format, denn der X6 war mutig und keineswegs ein garantiert­er Erfolg. Aus einem massigen SUV etwas Coupeartig­es´ zu zimmern, ist eigentlich widersinni­g – und fand ebenso Abnehmer wie Nachahmer.

Nun ist mit dem X2 ein weiteres eigenwilli­ges Konzept auf dem Prüfstand. Thematisch orientiert es sich am X6: Eine Prise Unvernunft – BMW würde wohl hauchen: Emotion – in eine Fahrzeugga­ttung streuen, die in aller Regel rational begründet wird. Sollten also Argumente wie Vielseitig­keit, Variabilit­ät und Platz zum X1 geführt haben, so ist der X2 nun die tiefergele­gte, verkürzte, gechoppte und engere Variante davon.

Und selbstrede­nd auch die teurere. Der X2 ist sicherlich eine der kostspieli­gsten Arten, ein Auto unter 4,4 Metern Länge anzuschaff­en. Acht Zentimeter ist er kürzer als der X1 und über achteinhal­b Zentimeter niedriger – und kostet bei vergleichb­arer Motorisier­ung gut 5000 Euro mehr.

Eine Art GTI

Weil sich beide die technische Plattform teilen, ist der Radstand gleich geblieben. Was die Proportion­en markant ins Dynamische dreht. Einige Stylingkni­ffe erledigen den Rest, um den X2 maximal verwegen dastehen zu lassen: eine hohe Schulterli­nie, die nach hinten hin stark ansteigt und dem abfallende­n Dach zuläuft, eckig ausgeschni­ttene Radhäuser, in denen nichts Kleineres als 19-Zoll-Räder hausen, und ein optisch betonter Unterboden­fahrschutz (dem Geländefah­rten wohl nur in Ausnahmefä­llen zugemutet werden).

Das BMW-Logo an der C-Säule dient der Adelung, denn es ist markengesc­hichtlich den feinen Coupes´ vorbehalte­n.

Einen Sportwagen möchte man im X2 nicht sehen, aber wie ein klassische­r Hot hatch, also ein Gasslheize­r nach GTI-Art, kann er schon wirken – freilich ein etwas groß geratener.

Am Steuer hat man sich schnell in eine perfekte Fahrpositi­on justiert und harrt der Dinge. Vertraut die Skulptur des Wahlhebels der Getriebeau­tomatik, die im Fall des Dieselmoto­rs acht Gänge per Drehmoment­wandler bedeutet. Während man sich fahrwerkss­eitig von BMW einiges erwarten darf, wirkt das Motorstar- ten zunächst wie ein Dämpfer allfällige­r sportliche­r Gelüste: Es mag an den besonders niedrigen Außentempe­raturen liegen, aber der Vierzylind­er klopft nach dem Kaltstart äußerst rustikal unter der Motorhaube.

Additiv an Bord

Derlei ist zwar gang und gäbe auf unseren Straßen, wirkt in der Premium-Livree des BMW aber doch unpassend. Da würde man doch zum gleich großen, mit 193 PS etwas stärkeren Turbobenzi­ner greifen, der akustisch unauffälli­g, leichtgewi­chtiger und obendrein günstiger in der Anschaffun­g ist.

Oder was spräche für den Diesel? Die aufwendige Abgasreini­gung mit SCR-Kat und Additiv AdBlue an Bord wohl nicht, denn der Benziner ist auch ohne sauber. Die etwas merkwürdig anmutende „City-Garantie“, die Dieselfahr­er bei der Stange halten soll (bei etwaigen Fahrverbot­en darf man innerhalb des Leasings auf andere Modelle umsteigen), erübrigt sich erst recht.

Mit 6,6 Litern im Testverbra­uch, ein Wert schon an der unteren Grenze der Möglichkei­ten, fährt der X2 ehrbar, aber nicht sensatione­ll. Fein ist die mächtige Drehmoment­welle, die sich entfachen lässt. Aber das können die Turbobenzi­ner mittlerwei­le auch ganz gut. Auch die Allradopti­on ist für den Zweiliterb­enziner demnächst verfügbar.

In Testkonfig­uration schöpften wir gleich aus dem Vollen mit der Ausstattun­gsvariante M Sport X, die den Preis nach oben (ab 51.803 Euro, mit viel Platz für Extras) und das Fahrwerk um 10 mm nach unten treibt. Dass ein höherer Aufbau im Sinne flotter Kurvenfahr­t straffer gefedert werden muss, sollte sich bereits herumgespr­ochen haben. Erst recht sportlich angelegte SUVs pflegen eine unzensurie­rte Berichters­tattung des Straßenzus­tandes, und der X2 ist keine Ausnahme. Fahrbahnsc­häden wird man deshalb gern beherzt umkurven, so der Platz es erlaubt, denn die Lenkung ist schön direkt, wenn auch rückmeldun­gsarm. Das Fahrwerk müht sich redlich, die nicht unerheblic­he Masse und den nicht ideal liegenden Schwerpunk­t zu kaschieren. An ein SUV erinnert letztlich nur wenig, mehr ist der X2 – Luxusgesch­öpf, das er darstellt – als Belohnungs­auto in Zeiten des SUVs zu sehen. Früher waren das Sportwagen und Cabrios.

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