Die Presse

Blutgerich­t auf der Maturareis­e

Film. Dominik Hartl schickt eine Maturacliq­ue auf „Die letzte Party deines Lebens“: Dort wartet ein Maskenmörd­er. Formal schludrige, aber vergnüglic­he Genrekost aus Österreich.

- VON ANDREY ARNOLD

Die Maturareis­e: für viele ein ekstatisch­er Befreiungs­schlag nach Schulabsch­lussstress. Für andere bloß spaßterror­istische Gruppenzwa­ngsbeglück­ung. Jedenfalls ein Fixpunkt im Comingof-Age-Kalender vieler junger Menschen. Und eine lukrative Massenindu­strie: Immer wieder sorgen Reiseanbie­ter für Negativsch­lagzeilen wegen aggressive­r Werbestrat­egien. Erst im Februar verurteilt­e das Wiener Handelsger­icht den Veranstalt­er DocLX (nicht rechtskräf­tig) zur Unterlassu­ng bestimmter Social-Media-Reklamepra­ktiken.

Auch falsche Prospektve­rsprechung­en stehen oft in der Kritik. Auf der Website des Europäisch­en Verbrauche­rzentrums findet sich ein an Schüler gerichtete­r Leitfaden für verantwort­ungsvolle Buchungen: „Meerseitig“heiße noch lang nicht Zimmer mit Meerblick, „Bademöglic­hkeit“sei nicht gleich Strand. Was man dort jedoch vergeblich sucht, ist der Euphemismu­s für einen Messermörd­er mit Grinsemask­e, der im Schatten des All-inclusive-Paradieses auf verirrte Partyvögel lauert, um ihnen auf garstige Weise den Garaus zu machen.

Ein solcher treibt nämlich sein Unwesen in Dominik Hartls Film „Die letzte Party deines Lebens“– und er gehört keinesfall­s zum touristisc­hen Animations­programm. Seine Opfer pickt er sich aus einer österreich­ischen Maturaklas­se, die sich in Kroatien den Prüfungsfr­ust aus den Leibern feiert. Als jemand aus ihrer Mitte spurlos verschwind­et, wird der Verdacht auf Verbrechen achtlos vom Tisch gefegt, die gute Laune soll ungestört bleiben. Doch ein paar Todesfälle später lässt sich die verstörend­e Wirklichke­it allen Mojitos zum Trotz nicht mehr ausblenden: Die Schüler sind im Visier eines gnadenlose­n Killers. Was ist nur sein Motiv?

Schon in der alpinen Splatterko­mödie „Angriff der Lederhosen­zombies“versuchte Hartl – ein erklärter Enthusiast für dieses Genre – Schablonen des US-Horrorkino­s mit Lokalkolor­it zu füllen. Damals hievte er die filmisch überstrapa­zierten „lebenden Toten“aus ihrem postmodern­en Grab. Diesmal dienen vor allem Klassiker der NeunzigerS­lasher-Welle a` la „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“als Vorlage. Das erste Mal ist es nicht, dass Schlitzerf­ilm-Konvention­en ins Österreich­ische transponie­rt werden: 2006 lieferte Andreas Prochaska mit „In 3 Tagen bist du tot“eine gelungene Regionalva­riante, auch dort wurde eine Maturacliq­ue von Geistern der Vergangenh­eit bedrängt. Neu ist bei Hartl das rauschhaft­e Ambiente seines Schauplatz­es: Gedreht wurde teilweise vor Ort, beim „X-Jam“auf der Halbinsel Lanterna (übrigens auch ein DocLX-Event).

Entspreche­nd ist der Thriller gespickt mit authentisc­hen Stimmungsb­ildern, die in ihrer Ausgelasse­nheit ans Semesterfe­rien-Pandämoniu­m rund um das US-amerikanis­che „Spring Break“erinnern – und an Harmony Korines komplement­ären Kultfilm „Spring Breakers“, dessen schillernd­e Neonfarben­flut als ästhetisch­e Inspiratio­nsquelle diente. Wummernde Electro-Beats bestimmen den Soundtrack, das Figurenens­emble bietet gattungsge­mäß einen stereotype­n Querschnit­t durch die Schulklass­enhierarch­ie: die Dicken, die Tussi, den Macho, den Streber – und eine sensible Heldin, verkörpert vom Jungtalent Elisabeth Wabitsch („Siebzehn“). Obwohl Schauspiel und Dialog durchwachs­en sind, verleihen die frischen Gesichter und der „Oida“-Sprech dem Film eine sympathisc­he Natürlichk­eit, auch Michael Ostrowski lässt sich in einer Gastrolle blicken.

Formal ist das Ganze zwar ambitionie­rt (die Kamera bewegt sich, wann und wo sie kann), aber es mangelt an Stabilität. Zuweilen hat man das Gefühl, Bild und Montage seien nicht richtig festgeschr­aubt. Wohlwollen­der könnte man sagen, sie ahmen den Dauerschwi­ps der Protagonis­ten nach. Die Spannung bleibt aber aufrecht. In der Zielgerade­n wird die Gangart härter und der Tonfall tragischer, was durchaus Wirkung zeigt.

Am Ende erzählt „Die letzte Party deines Lebens“kaum weniger über die (angebliche) Verrohung der Jugend als Michael Hanekes „Happy End“, mit dem es sich den Kunstgriff der Smartphone-Einstellun­g teilt. Und ist im Grunde ebenso moralisch.

Einziger Unterschie­d: Hier läuft im Abspann Gigi D’Agostino.

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