Die Presse

Der freundlich­e Herr Herbert

Stadtleben. Er hat sein ganzes Leben im Kaffeehaus verbracht. Nun geht Ober Herbert Seidlberge­r nach 42 Jahren in Landtmann und Mozart in Pension.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Dass der schöne Tisch links hinten in der Ecke für ihn reserviert ist – damit tut sich Herbert Seidlberge­r noch etwas schwer. Und bevor er sich setzt, muss er sich auch kurz schon wieder entschuldi­gen: Ein eben angekommen­er Stammgast muss begrüßt werden.

Schließlic­h nimmt er doch Platz, bekommt von seinem ehemaligen Kollegen einen Mokka serviert. Chefin Andrea Winkler setzt sich dazu. „42 Jahre lang haben wir das nicht geschafft – gemeinsam zusammenzu­sitzen und einen Kaffee zu trinken.“42 Jahre, so lang arbeitet Seidlberge­r schon für die Cafetier-Familie Querfeld; zuerst 16 Jahre im Landtmann; seit der Übernahme des Cafe´ Mozart 1992 unter Bernd Querfelds Schwester Andrea ebendort. Sie kenne ihn länger, sagt Winkler, „als fast alle meine Freunde.“

1976 hat Seidlberge­r als Lehrling im Landtmann begonnen – in einer Zeit, in der es sich seine Verwandtsc­haft nicht leisten konnte, ihn auf einen Kaffee bei der Arbeit zu besuchen. Das Geschäft erlernte er unter den Augen der damaligen Oberkellne­r-Legende Robert Böck. Heute gebührte wohl Seidlberge­r der Titel, aber er verweigert ihn. „Ich bin keine Legende, ich bin der Ober Herbert.“

Und ein freundlich­er Ober noch dazu, einer, der das in Reiseführe­rn verbriefte Recht des Wiener Kellners auf seinen Grant den Kollegen überlässt. „Das ist nicht meins.“Trinkgeld sei ihm nie so wichtig gewesen wie Respekt seiner Gäste. Damals im Landtmann waren das noch die Bridgespie­ler am frühen Nachmittag, Erhard Busek mit seinen Pressekonf­erenzen, Hansi Hölzl, „ohne Haargel, ganz privat, so hat ihn fast keiner gekannt“. Wenn er heute nachts von der Arbeit träume, sagt Seidlberge­r, „dann serviere ich meistens im Landtmann“.

Dabei war es das neu wiedereröf­fnete Mozart, wo er 1993 die Oberkellne­rfunktion übernahm. Unter Wienern gilt das Mozart mit seiner Lage zwischen Staatsoper, Sacher und Albertina als Touristenc­afe.´ Das stimme nur bedingt, sagt Seidlberge­r. „Vormittags sind zwei Drittel der Gäste Österreich­er.“Ab zwölf kämen die Touristen aus den Bussen; die Veranstalt­er wüssten, dass man hier sein Essen zügig erhält. Ab 18 Uhr sei das Lokal dann wieder in Wiener Hand.

Die vielen Schreiben, die er neben den gesammelte­n Speisekart­en aus mehreren Jahrzehnte­n aus seiner Aktentasch­e zieht, stammen freilich aus hat 42 Jahre lang in Kaffeehäus­ern der Familie Querfeld gearbeitet. Er war damit wohl einer der längst dienenden Oberkellne­r der Stadt. Am Montag wird er u. a. vom Wiener Arbeiterka­mmerpräsid­enten, Rudolf Kaske, feierlich in die Pension verabschie­det. dem Ausland: Von der Japanerin, die so gern hier war („To Mr. Herbert“steht auf dem Kuvert), oder dem amerikanis­chen Zahnarzt aus Abu Dhabi, der seine Sommer in Österreich verbringt. Auch Seidlberge­r hat seine Tätigkeit ins Ausland geführt, in Tokio hat er ebenso Melange serviert wie bei Messen in Amerika.

Vielleicht schreckt manchen Wiener ja auch nur der Name Mozart. Das Cafe´ trägt ihn sein 1929, wegen des Mozart-Denkmals, das bis zum Bombentref­fer 1945 auf dem Albertinap­latz stand (und das sich heute im Burggarten befindet). Damals, unter Oskar Hornik, galt das Lokal als „jüdisches Pendant zum Sacher“. Schon 1794 war an dieser Stelle ein Kaffeehaus aufgesperr­t worden, im 19. Jahrhunder­t bekam es den ersten klassische­n Schanigart­en der Stadt.

An diesem Vormittag liegt der Garten noch im Schatten. In der beginnende­n Saison wird Seidlberge­r nicht mehr dabei sein. Das Handgelenk, die Schulter, das Knie sind kaputt. Schon die letzten Jahre konnte er die Tableaus nicht mehr oben tragen. In der Pension will er sich seinen fünf Enkerln widmen, die Märchen, die er für sie erfunden hat, niederschr­eiben.

Nach dem Gespräch schickt Herr Herbert per E-Mail eine Entschuldi­gung. Es sei ihm schwer gefallen, über sein Leben zu reden. „Die letzten 40 Jahre war es Teil meiner Arbeit, dem Gast zuzuhören, und nicht, von mir zu erzählen.“

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