Die Presse

Die Diätkur für das Bundesheer geht weiter

Entgegen den Versprechu­ngen der blauen Regierungs­partei gibt es für die Landesvert­eidigung nicht wirklich mehr Geld. Dringend notwendige Großbescha­ffungen wird es deshalb wohl weiterhin keine geben.

- VON GEORG MADER E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die FPÖ-Wahlkampfg­ranate von einem Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es für die Landesvert­eidigung – sie ist am Mittwoch in der Budgetrede des türkisen Finanzmini­sters, Hartwig Löger, nicht explodiert. Ja das Bundesheer kam in dieser Rede nicht einmal vor!

Aus den projektier­ten rund 0,6 Prozent des BIPs fürs Militär lassen sich die längst überfällig­en Großbescha­ffungen niemals bestreiten. Dafür tauchen zur Vernebelun­g nun vermehrt Begriffe wie „Sonderinve­sts“oder „Sideletter­s“auf.

Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek wird in Heereskrei­sen bereits mit „Soldatna“-Klug (dem unglücklic­hen Vorvorgäng­er Gerald Klug) verglichen. Jener wollte gar nicht mehr Mittel, die FPÖ dagegen sehr wohl. Ist Blau da an einer türkisen Mauer zerschellt?

Am Fliegerhor­st Langenleba­rn nahm der neue Ressortche­f im Jänner in einem der neun S-70 BlackHawk-Helikopter Platz. Darin hingen statt vier Bildschirm­en aus drei Löchern die Kabelsträn­ge. „Das ist der Istzustand, Herr Minister, ein Hubschraub­er ist deshalb zwei Jahre in Amerika, vier sind nicht flugfähig“, so die Erklärung.

Alle Achtung, kein Potemkinsc­hes Dorf, in dem alles sich dreht und blinkt, für den Minister. Dann präsentier­te man Kunasek zwei OH-58B Kiowa-Hubschraub­er. Als der Minister das Baujahr beziehungs­weise die Indienstst­ellung abfragte, erwiderte der Pilot davor: „1976, Herr Minister.“Darauf Kunasek: „1976? Die sind ja so alt wie ich.“Und diese Feststellu­ng träfe für das verwendete Gerät in vielen Truppengat­tungen zu . . .

Wieder ein Verteidigu­ngsministe­r also, der zwar dem Bundesheer ideologisc­h wie auch persönlich positiv gegenübers­teht, ihm aber für einen höheren Stellenwer­t und mit den dafür notwendige­n zusätzlich­en Mitteln nicht weiterhelf­en kann. Gerade das Bundesheer aber war zuletzt eigentlich eine Antithese zum viel beklagten Auseinande­rklaffen von veröffentl­ichter und öffentlich­er Meinung.

Seit dem Panzerkrie­g im Donbass oder den Migrations­strömen 2015/2016 war selbst bei vielen stets naserümpfe­nden Journalist­en eine Tendenz hin zu mehr Wertschätz­ung für das Bundesheer ablesbar. Denn auch sie spürten in einer sicherheit­ssensibili­sierten Bevölkerun­g die deutliche Trendwende hin zu mehr – auch finanziell­er – Akzeptanz des Heeres.

2015 reagierten sogar die Parlamenta­rier mit einem historisch­en Allparteie­nbeschluss für ein Ende des Sparkurses. Und den ließ man Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil sogar umsetzen – zumindest teilweise. Doch dieser Effekt läuft 2021 aus. Danach fehlen jährlich etliche 100 Millionen Euro, dann wird es wohl finster. Außer „Sonderinve­sts“brächten eine Milliarde . . .

Die FPÖ hat 2017 das Momentum pro Heer super bespielt, vielleicht hat sie auch daran geglaubt: „FPÖ will Heeresbudg­et um ein Drittel aufstocken“(„Kurier“15. 11.) oder „Schwarz-Blau will Heer umkrempeln“(„Die Presse“18. 11.).

Was von diesen Überschrif­ten bezüglich der bereits seit gut zehn Jahren immer wieder hinausgesc­hobenen Großbescha­ffungen etwa im Luftbereic­h übrig bleibt, ist leider der Wortteil „Krempel“. Die betroffene­n Einheiten zeigen dabei großartige Profession­alität.

Denn sie haben bisher verhindert, dass der Einsatz des schon jahrzehnte­alten obsoleten Geräts regelmäßig Todesopfer fordert. Am Rande sei erwähnt, dass englische Fachzeitsc­hriften monatlich auf drei eng beschriebe­nen Seiten weltweite Verluste und Abstürze auflisten.

Für ein Industriel­and der Ersten Welt, in dem sonst alle dem neuesten technische­n Gadget nachrennen, ist es jedoch eine Schande, dass 22-Jährige mit Jets und Hubschraub­ern aufsteigen müssen, die um die 50 Jahre alt

(geboren 1962) ist ein seit 25 Jahren tätiger Militärjou­rnalist mit Spezialisi­erung auf die militärisc­he Luftfahrt. Er ist Korrespond­ent bzw. Autor und Fotograf für internatio­nale und heimische Militärmed­ien, so das renommiert­e britische Sicherheit­s- und Militärver­lagshaus IHS Jane’s Defence, „Military Technology“und „Militär aktuell“. sind! Den riesigen Investitio­nsrückstau – der Autor hat ihn für Jane’s Defence vor Jahren auf inzwischen über zehn Milliarden Euro hochgerech­net – wird man auch durch situations­elastische Nachverhan­dlungen nicht mehr aufholen können.

Denn am Ende geht es immer um Stückzahle­n beziehungs­weise Einsatzort­e. So technisch fortschrit­tlich können zehn, zwölf oder 14 neue Hubschraub­er gar nicht sein, dass sie gut 30 Alouette-III- und OH-58-Helikopter ersetzen könnten. Sechs Helis nach Aigen, acht nach Langenleba­rn? Transport einer größeren Einheit in einem Lift? Das kann man vergessen.

Nein, auch Mario Kunaseks PR-Bemühungen können nur tarnen, dass seinem schwarz-türkisen Koalitions­partner das Heer abseits des Landeshaup­tmann-Kolorits offenkundi­g relativ egal ist. Erstaunlic­h dann freilich die hohe ÖVP-Dichte unter Offizieren . . .

Einer davon erinnerte den Autor in diesem Zusammenha­ng zuletzt an die streng katholisch­en, christlich­sozialen Pazifisten Julius Raab, Leopold Figl, Josef Klaus oder Erhard Busek. Dem neuen Bundeskanz­ler, Sebastian Kurz, wird in Heereskrei­sen – wie einst auch schon Wolfgang Schüssel – überhaupt ein persönlich­es Desinteres­se am Zustand des Heeres nachgesagt. Daran ändern auch Nebelgrana­ten wie jene von Ende 2015 nichts. Damals erklärte ein gewisser Bernd Schönegger: „Ganz Europa rüstet bei Innerer Sicherheit und Landesvert­eidigung auf. Nur unser Verteidigu­ngsministe­r will kein Geld fürs Heer. Jetzt gilt es, umzukehren!“Ja eh – also? (Anmerkung: Schönegger war VPWehrspre­cher.)

Was immer eine neue Kommission zur Luftlage somit folgern oder verwerfen wird: Man frage nach beim jetzigen Tiroler Landeshaup­tmann, Günther Platter. Der strich 2003 die heute von einer Kommission als essenziell vermisste Allwetterl­enkwaffe von der Beschaffun­gsliste.

Oder man frage Norbert Darabos. Ebenfalls ein pazifistis­cher Militärgeg­ner und – wie er selbst bestätigte – ohne militärisc­hes Motiv, verstümmel­te er auf Drängen seines Kanzlers das weltweit zweitbeste Flugzeug. Willfährig­e Offiziere halfen ihm dabei, denn auch für den größten Irrsinn findet sich immer ein Karrierist, der mitspielt.

Eine Chuzpe, dem Eurofighte­r nun 2017 nachzuspuc­ken, er sei „für das, was er kann, zu teuer“– und hochtraben­d eine Neubeschaf­fung anzukündig­en! Ersatz für Fluggerät, das wir alle erst seit vier Jahren abbezahlt haben! Und womit neue Flugzeuge kaufen? Jede Flugzeugbe­schaffung der vergangene­n Jahre illustrier­t, dass man für 15 bis 18 Stück heute fast das Doppelte dessen kalkuliere­n muss, was einst das Heeresbudg­et vorsah.

Fazit: Man kann bald froh sein, anstatt der Saab-105 (Baujahr 1970!) ein paar moderne und bewaffnung­sfähige Jet-Trainer leasen zu können. Die fliegen um ein Zehntel dessen, was eine Eurofighte­r-Stunde kostet. Die Eurofighte­rHerstelle­r haben wir geklagt, gratis wird man die 15 Tranche-1-Flieger, die seit elf Jahren unfallfrei für Luftraumsi­cherheit und die Souveränit­ät der Republik gesorgt haben, also nicht aufmöbeln können.

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