Erdo˘gan festigt Griff auf die Medien
Türkei. Der Konzern Do˘gan verkauft seine Publikationen und TV-Sender an ein AKP-freundliches Unternehmen. Beobachtern zufolge sind nun 90 Prozent der Tageszeitungen auf Regierungslinie.
Türkei. Die größte Mediengruppe der Türkei wechselt unter die Kontrolle eines regierungsnahen Unternehmers: Wie der Dogan-˘Konzern mitteilte, laufen Gespräche über den Verkauf an die Demirören-Holding. Zum Dogan-˘Konzern gehören die auflagenstarke Zeitung „Hürriyet“und der Nachrichtensender CNN-Türk, die noch halbwegs kritisch berichtet haben. Das Verhältnis der Dogan-˘Mediengruppe zur regierenden AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ war oft von Spannungen geprägt. Die Demirören-Gruppe kaufte 2011 bereits die Zeitungen „Milliyet“und „Vatan“von Dogan,˘ die seither einen regierungsfreundlichen Kurs fahren. Der Konzern gehört Erdogan˘ Demirören, der für seine Nähe zu Präsident Erdogan˘ bekannt ist. Weil die meisten Medien in der Türkei zu großen Mischkonzernen gehören, hat es die Politik ohnehin leicht, über Staatsaufträge genehme Berichterstattung zu erzwingen.
In den großen Medien ihres Landes dürften die Einwohner in der Türkei künftig noch weniger kritische Berichte über die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ finden als bisher: Der regierungsfreundliche Konzern Demirören übernimmt die Mediensparte der Dogan˘ Holding, bei der unter anderem die Zeitung „Hürriyet“und der Nachrichtensender CNN-Türk zu Hause sind.
Neben der gefälligen Berichterstattung sicherte sich die Regierung ein Jahr vor dem Superwahljahr eine zusätzliche Kontrollmöglichkeit über das Internet.
Die Übernahme der Dogan-˘ Medien durch Demirören sei der Sargnagel für eine ohnehin todkranke Branche, sagte der unabhängige Journalist Rus¸en C¸akır im Internet-Fernsehsender Medyascope. So lege sich Demirören Zeitungen und Fernsehsender lediglich zu dem Zweck zu, der Regierung zu Diensten zu sein. „Eine Ära geht zu Ende“, so C¸akır weiter.
Mit dem geplanten Verkauf der Dogan-˘Medien an Demirören für etwa eine Milliarde Dollar gibt es in der Türkei keine großen Medien mehr, die außerhalb des Einflusses der Erdogan-˘Regierung stehen. Kritische Stimmen gibt es künftig nur noch in relativ kleinen Zeitungen, die von Stiftungen getragen oder von Kleinparteien oder Gewerkschaften unterstützt werden, sowie in Onlinemedien.
Laut einer Aufstellung der Zeitung „BirGün“, eine der wenigen regierungskritischen, linken Publikationen, gehören künftig 21 der 29 überregionalen Tageszeitungen der Türkei zu Erdogan-˘nahen Häusern. Etwa 90 Prozent der türkischen Gesamtauflage bei den Tageszeitungen sind auf der Linie des Präsidenten. Bei den Fernsehsendern sieht es mit der Meinungsvielfalt noch schlechter aus.
Dabei waren die Zeitungen und Fernsehsender des Unternehmers Aydın Dogan˘ keinesfalls radikale Gegner der Regierung. Zwar lästerten die strikt säkular ausgerichteten Dogan-˘Medien noch im vorigen Jahrzehnt über den Islamisten Erdogan,˘ er könne nach einer Verurteilung wegen Volks- verhetzung Ende der 1990er-Jahre „nicht einmal Dorfvorsteher“werden. Doch diese Zeiten sind lange vorbei.
Wie die allermeisten Medienunternehmer der Türkei setzte Dogan˘ seine Zeitungen hin und wieder dafür ein, um sich durch publizistische Zugeständnisse an die Regierung Vorteile, also Staatsaufträge, für andere Zweige seines Imperiums zu verschaffen; beim Dogan-˘Konzern zählt dazu unter anderem die Energiebranche. So nahm Dogan˘ die kritische Zeitung „Radikal“vom Markt.
Dennoch stellt die künftige Konzentration großer Medien im Haus Demirören eine neue Dimension dar. Demirören, der den Deal mit Dogan˘ offenbar mithilfe einer staatlichen Bank finanziert, ist dem Präsidenten treu ergeben. Ähnliches wird jetzt für „Hürriyet“und weitere Dogan-˘Medien erwartet.
Selbst Erdogan-˘Anhänger sprechen von einer eingeebneten Medienlandschaft, allerdings begrüßen sie dies. Der Journalist Cem Kücük¸ etwa freut sich darauf, dass nun alle Journalisten bei den bisherigen Dogan-˘Medien, die nicht national eingestellt seien, auf die Straße gesetzt würden. In der Medienwelt der Türkei werde von nun an „Frieden“herrschen.
Dieser „Frieden“gleicht einer Grabesruhe, die sich auch online ausbreiten könnte. Per Gesetz stärkte das Parlament jetzt die Rolle der Medienaufsicht über das Internet. Online-Fernsehsender oder -Radiostationen wie Medyascope müssen künftig eine eigene Lizenz beantragen. Damit könnten regierungskritische Sender, die bereits aus dem Satellitenfernsehen verdrängt wurden, jetzt auch im Internet gesperrt werden. Zudem blockiert Ankara den Zugang zu mehreren sogenannten VPN-Systemen, die es Internetnutzern erlauben, sich über die Beschränkungen in der Türkei hinwegzusetzen. Die Opposition spricht von Zensur, ist aber machtlos.
Ein Jahr vor den geplanten Kommunal-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wächst Erdogans˘ Macht in der Türkei damit noch weiter. Für Journalisten wie C¸akır, die auf Distanz zur Regierung achten, wird der Spielraum noch enger. Aufgeben will C¸akır aber nicht: „Wir machen weiter unseren Job.“