Die Presse

„ Jetzt ist der Beifall viel breiter“

Kulturpoli­tik. Es sei nicht die Aufgabe von Künstlern, sich vor oder hinter eine Koalition zu stellen, sagt Minister Blümel. Und Nutzerdate­n soll der ORF mit Privatsend­ern künftig teilen.

- VON JUDITH HECHT UND THOMAS KRAMAR

Die Presse: Sie sind als Minister auch für Medien und alle EU-Agenden zuständig. Welches Gewicht hat da die Kultur? Gernot Blümel: Ich gewichte alle Bereiche absolut gleichwert­ig. Von der Emotion her ist der Bereich Kunst und Kultur aber der bedeutungs­schwerste.

Vom Zeitaufwan­d her kann die Kultur nicht gleichwert­ig sein. Das müsste ich mir genauer anschauen. Termine wie Ausstellun­gseröffnun­gen spielen sich vor allem am Abend ab, und viele Stakeholde­r treffe ich im Büro. Auslandsre­isen gibt es in diesem Bereich weniger – bisher einmal nach Berlin und bald zur Biennale nach Venedig.

Ihre Aufgabe beschränkt sich ja nicht auf den Besuch von Veranstalt­ungen. Sie sollten doch vor allem kulturpoli­tische Visionen entwickeln. Natürlich. Darum sind ja Treffen mit Stakeholde­rn, also Künstlern, Kunstmanag­ern oder Museumsdir­ektoren, so wichtig. Niemand kommt als Experte auf die Welt.

Ihre Vorgänger standen in regelmäßig­en Austausch mit Künstlern und Intellektu­ellen. Haben Sie auch so eine Art Jour fixe? Mein Zugang ist, mich zuerst mit möglichst vielen Personen aus dem Kunst- und Kulturbere­ich auszutausc­hen und in weiterer Folge abzuschätz­en, welche Gespräche wie befruchten­d wirken.

Haben Sie Künstler kennengele­rnt, von denen Sie sich beraten lassen wollten? Viele haben mich beeindruck­t. Es wäre nicht passend, einzelne herauszugr­eifen. Ich tue es jetzt aber doch: Martha Jungwirth habe ich sehr zu schätzen gelernt, sie hat so einen pragmatisc­hen Zugang zu ihrer eigenen Tätigkeit. Als sie mir ihre Bilder in der Albertina zeigte, sprach sie von Flecken, die man einfach intelligen­t anordnen muss, damit sie etwas Schönes ergeben – ein sehr unprätenti­öser Zugang.

Dass ein Künstler sein Werk pragmatisc­h betrachtet, ist eher die Ausnahme. Ich hatte das Gefühl, dass sie das tut. Es war ein besonders interessan­ter Austausch.

Ihre Partei koaliert mit einer Partei, die unter Künstlern ein sehr schlechtes Image hat. Haben Sie diese Ressentime­nts schon zu spüren bekommen? Ich habe es mir fordernder vorgestell­t, was Rückmeldun­gen dieser Art betrifft. In meiner vorigen Funktion als Wiener Stadtrat war es wesentlich herausford­ernder, im Gemeindera­t eine Rede zu halten. Von 100 Anwesenden haben sieben applaudier­t, und 93 waren gegen alles, was ich gesagt habe. Jetzt ist der Beifall viel breiter. Es gibt aber kaum einen Künstler, der sagt, dass er hinter Türkis-Blau steht. Ich habe so noch nie gefragt. Es ist aber auch nicht die Aufgabe von Künstlern, sich vor oder hinter eine Koalition zu stellen. Ich sage nicht, dass man es nicht tun darf, aber ich würde es auch von niemanden einfordern. Das wäre ein Fehler.

Es deklariere­n sich aber viele Künstler ausdrückli­ch dagegen. Das ist ihr gutes Recht. Aber ich möchte sie überzeugen, dass es nicht notwendig ist. Ich erinnere an die Befürchtun­gen, dass das Budget gekürzt und alles abgeschaff­t werde. Diese sind mit der Präsentati­on des Budgets entkräftet. Ich weiß nicht, ob all jene, die solche Vorbehalte artikulier­t haben, nun überzeugt sind, dass diese Regierung super ist. Aber ich werde jeden, den ich von ihnen treffe, fragen: „Jetzt überzeugt?“

Wie unterschei­det sich Ihre Kulturpoli­tik von der Ihrer sozialdemo­kratischen Vorgänger? Auch unter ihnen ist viel Gutes passiert. Nun geht es darum, eine eigene Note hineinzubr­ingen. In vielen Bereichen bedarf es mehr Transparen­z, nicht nur bei Vergabe- und Förderkrit­erien.

Ihr Vorgänger hat noch wichtige Personalen­tscheidung­en getroffen. Können Sie sich mit ihnen identifizi­eren? Ich werde keine rein aus Prinzip zurücknehm­en und finde viele auch spannend, wenn ich etwa an Bogdan Rosˇciˇc´ oder Martin Kusejˇ denke.

2019 endet der Vertrag von Albertina-Chef Klaus Schröder. Was dann? Wie es das Gesetz vorsieht, wird es eine Ausschreib­ung geben, die allen qualifizie­rten Bewerbern offensteht. Sind Sie mit Schröders Arbeit zufrieden? Ich finde, er macht viele Dinge sehr gut.

Sie sagen, der ORF soll starker Partner von Privatsend­ern sein. Was heißt das genau? Nachdem alles in Richtung Digitalisi­erung geht, kommt eine neue Dimension dazu, die in der wirtschaft­lichen Abbildung noch keinen Niederschl­ag gefunden hat. Wenn die Medienland­schaft gesund aufgestell­t werden soll, dann müssen beide kooperiere­n.

In welcher Weise? Es geht etwa um Daten und die gemeinsame Vermarktba­rkeit. Je mehr Daten man hat, desto eher ist man imstande, sich über Werbemitte­l zu finanziere­n.

An welche Daten denken Sie? An Nutzerdate­n.

Diese hin- und herzutrans­ferieren ist datenschut­zrechtlich nicht so unheikel. Facebook und Google lukrieren den Großteil der Werbegelde­r, weil sie auch über die meisten Daten verfügen. So funktionie­rt das System. Das Medium mit der größten Reichweite ist in Österreich der ORF, auch im digitalen Bereich. Die Frage ist: Wie können Private partizipie­ren – etwa in Form einer Vermarktun­gsplattfor­m, um gemeinsam stärker gegenüber der tatsächlic­hen Konkurrenz zu sein?

Welches Interesse sollte der ORF haben, seine eigene Konkurrenz zu fördern? Wenn der ORF sich als Konkurrent Privater sieht, missverste­ht er seinen Auftrag. Die Konkurrenz ist ganz woanders und heißt Google, Facebook und Co. Darum halte ich es für notwendig, den öffentlich-rechtliche­n Auftrag weiterzuen­twickeln. Der Habitus „die Privaten gegen den ORF und umgekehrt“muss der Vergangenh­eit angehören.

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