„ Jetzt ist der Beifall viel breiter“
Kulturpolitik. Es sei nicht die Aufgabe von Künstlern, sich vor oder hinter eine Koalition zu stellen, sagt Minister Blümel. Und Nutzerdaten soll der ORF mit Privatsendern künftig teilen.
Die Presse: Sie sind als Minister auch für Medien und alle EU-Agenden zuständig. Welches Gewicht hat da die Kultur? Gernot Blümel: Ich gewichte alle Bereiche absolut gleichwertig. Von der Emotion her ist der Bereich Kunst und Kultur aber der bedeutungsschwerste.
Vom Zeitaufwand her kann die Kultur nicht gleichwertig sein. Das müsste ich mir genauer anschauen. Termine wie Ausstellungseröffnungen spielen sich vor allem am Abend ab, und viele Stakeholder treffe ich im Büro. Auslandsreisen gibt es in diesem Bereich weniger – bisher einmal nach Berlin und bald zur Biennale nach Venedig.
Ihre Aufgabe beschränkt sich ja nicht auf den Besuch von Veranstaltungen. Sie sollten doch vor allem kulturpolitische Visionen entwickeln. Natürlich. Darum sind ja Treffen mit Stakeholdern, also Künstlern, Kunstmanagern oder Museumsdirektoren, so wichtig. Niemand kommt als Experte auf die Welt.
Ihre Vorgänger standen in regelmäßigen Austausch mit Künstlern und Intellektuellen. Haben Sie auch so eine Art Jour fixe? Mein Zugang ist, mich zuerst mit möglichst vielen Personen aus dem Kunst- und Kulturbereich auszutauschen und in weiterer Folge abzuschätzen, welche Gespräche wie befruchtend wirken.
Haben Sie Künstler kennengelernt, von denen Sie sich beraten lassen wollten? Viele haben mich beeindruckt. Es wäre nicht passend, einzelne herauszugreifen. Ich tue es jetzt aber doch: Martha Jungwirth habe ich sehr zu schätzen gelernt, sie hat so einen pragmatischen Zugang zu ihrer eigenen Tätigkeit. Als sie mir ihre Bilder in der Albertina zeigte, sprach sie von Flecken, die man einfach intelligent anordnen muss, damit sie etwas Schönes ergeben – ein sehr unprätentiöser Zugang.
Dass ein Künstler sein Werk pragmatisch betrachtet, ist eher die Ausnahme. Ich hatte das Gefühl, dass sie das tut. Es war ein besonders interessanter Austausch.
Ihre Partei koaliert mit einer Partei, die unter Künstlern ein sehr schlechtes Image hat. Haben Sie diese Ressentiments schon zu spüren bekommen? Ich habe es mir fordernder vorgestellt, was Rückmeldungen dieser Art betrifft. In meiner vorigen Funktion als Wiener Stadtrat war es wesentlich herausfordernder, im Gemeinderat eine Rede zu halten. Von 100 Anwesenden haben sieben applaudiert, und 93 waren gegen alles, was ich gesagt habe. Jetzt ist der Beifall viel breiter. Es gibt aber kaum einen Künstler, der sagt, dass er hinter Türkis-Blau steht. Ich habe so noch nie gefragt. Es ist aber auch nicht die Aufgabe von Künstlern, sich vor oder hinter eine Koalition zu stellen. Ich sage nicht, dass man es nicht tun darf, aber ich würde es auch von niemanden einfordern. Das wäre ein Fehler.
Es deklarieren sich aber viele Künstler ausdrücklich dagegen. Das ist ihr gutes Recht. Aber ich möchte sie überzeugen, dass es nicht notwendig ist. Ich erinnere an die Befürchtungen, dass das Budget gekürzt und alles abgeschafft werde. Diese sind mit der Präsentation des Budgets entkräftet. Ich weiß nicht, ob all jene, die solche Vorbehalte artikuliert haben, nun überzeugt sind, dass diese Regierung super ist. Aber ich werde jeden, den ich von ihnen treffe, fragen: „Jetzt überzeugt?“
Wie unterscheidet sich Ihre Kulturpolitik von der Ihrer sozialdemokratischen Vorgänger? Auch unter ihnen ist viel Gutes passiert. Nun geht es darum, eine eigene Note hineinzubringen. In vielen Bereichen bedarf es mehr Transparenz, nicht nur bei Vergabe- und Förderkriterien.
Ihr Vorgänger hat noch wichtige Personalentscheidungen getroffen. Können Sie sich mit ihnen identifizieren? Ich werde keine rein aus Prinzip zurücknehmen und finde viele auch spannend, wenn ich etwa an Bogdan Rosˇciˇc´ oder Martin Kusejˇ denke.
2019 endet der Vertrag von Albertina-Chef Klaus Schröder. Was dann? Wie es das Gesetz vorsieht, wird es eine Ausschreibung geben, die allen qualifizierten Bewerbern offensteht. Sind Sie mit Schröders Arbeit zufrieden? Ich finde, er macht viele Dinge sehr gut.
Sie sagen, der ORF soll starker Partner von Privatsendern sein. Was heißt das genau? Nachdem alles in Richtung Digitalisierung geht, kommt eine neue Dimension dazu, die in der wirtschaftlichen Abbildung noch keinen Niederschlag gefunden hat. Wenn die Medienlandschaft gesund aufgestellt werden soll, dann müssen beide kooperieren.
In welcher Weise? Es geht etwa um Daten und die gemeinsame Vermarktbarkeit. Je mehr Daten man hat, desto eher ist man imstande, sich über Werbemittel zu finanzieren.
An welche Daten denken Sie? An Nutzerdaten.
Diese hin- und herzutransferieren ist datenschutzrechtlich nicht so unheikel. Facebook und Google lukrieren den Großteil der Werbegelder, weil sie auch über die meisten Daten verfügen. So funktioniert das System. Das Medium mit der größten Reichweite ist in Österreich der ORF, auch im digitalen Bereich. Die Frage ist: Wie können Private partizipieren – etwa in Form einer Vermarktungsplattform, um gemeinsam stärker gegenüber der tatsächlichen Konkurrenz zu sein?
Welches Interesse sollte der ORF haben, seine eigene Konkurrenz zu fördern? Wenn der ORF sich als Konkurrent Privater sieht, missversteht er seinen Auftrag. Die Konkurrenz ist ganz woanders und heißt Google, Facebook und Co. Darum halte ich es für notwendig, den öffentlich-rechtlichen Auftrag weiterzuentwickeln. Der Habitus „die Privaten gegen den ORF und umgekehrt“muss der Vergangenheit angehören.