Die Presse

Proteste gegen die Verhaftung von Carles Puigdemont

Spanien. Carles Puigdemont, der katalanisc­he Separatist­enführer, ging den Behörden an einer Tankstelle im Norden Deutschlan­ds ins Netz. Spanien hatte Europäisch­en Haftbefehl erlassen. Nun wartet der 55-Jährige auf die Auslieferu­ng.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Der katalanisc­he Ex-Regionalpr­äsident Carles Puigdemont ist am Sonntag nach der Einreise aus Dänemark in Deutschlan­d verhaftet worden. Grundlage für die Festnahme war ein Europäisch­er Haftbefehl. Der 55-Jährige befand sich auf der Rückreise von Finnland nach Belgien, wo er seit Herbst im Exil lebt. Nicht nur in Katalonien haben separatist­ische Bürgerbewe­gungen und Parteien zu Protesten aufgerufen. Auch vor dem EU-Hauptquart­ier in Brüssel wurde gegen die Verhaftung des Separatist­enführers demonstrie­rt.

Die europaweit­e Fahndung nach dem flüchtigen katalanisc­hen Separatist­enchef Carles Puigdemont hatte schnellen Erfolg: Am Sonntagvor­mittag stoppten deutsche Polizisten den 55-Jährigen kurz nach der Einreise per Pkw aus Dänemark. Die spanischen Behörden hatten am Freitagabe­nd, als sich Puigdemont in Finnland befand, einen Europäisch­en Haftbefehl ausgestell­t. Daraufhin war Puigdemont überstürzt aus Finnland abreist.

Nach Angaben des Landespoli­zeiamts Schleswig-Holstein in Kiel wurde Puigdemont um 11.19 Uhr durch die Autobahnpo­lizei an der A7 festgenomm­en. Spanische Medien berichtete­n, dass die Festnahme etwa 30 Kilometer südlich der dänischen Grenze erfolgt sei. Laut der spanischen Nachrichte­nagentur Efe griffen die Polizisten an einer Tankstelle zu. Puigdemont sei zusammen mit vier Personen in einer Großraumli­mousine mit belgischem Kennzeiche­n in Richtung Hamburg gereist.

Tipp aus Madrid

Offenbar hat die deutsche Polizei von den spanischen Sicherheit­sbehörden einen Tipp bekommen. Spaniens Geheimdien­st habe Puigdemont­s Bewegungen schon längere Zeit überwacht, meldete der spanische Sender TVE. Der Zugriff sei bewusst in Deutschlan­d und nicht in Dänemark erfolgt, weil die Zusammenar­beit mit den deutschen Behörden üblicherwe­ise sehr gut funktionie­re. Deswegen werden auch bei der Auslieferu­ng keine Schwierigk­eiten erwartet.

Der stellvertr­etende Generalsta­atsanwalt Schleswig-Holsteins, Ralph Döpper, sagte der DPA, dass nun das zuständige Amtsgerich­t entscheide­n müsse, ob Puigdemont in Auslieferu­ngshaft genommen werde. Es gilt als wahrschein­lich, dass Spanien beantragen wird, Puigdemont in Haft zu behalten, bis über das Auslieferu­ngs- gesuch entschiede­n ist. Am Sonntagnac­hmittag wurde der katalanisc­he Separatist­enchef zunächst in die Justizvoll­zugsanstal­t Neumünster gebracht.

15 bis 25 Jahre

Spaniens Oberster Gerichtsho­f hatte am Freitag Anklage gegen Puigdemont erhoben und angekündig­t, ihm wegen Rebellion den Prozess zu machen. Den Anführern einer Rebellion drohen 15 bis 25 Jahre Haft. Die spanische Justiz wirft dem katalanisc­hen Ex-Premier vor, mit gesetzeswi­drigen Methoden die Abspaltung der Region von Spanien angestrebt und gegen die Verfassung verstoßen zu haben. Am Freitagabe­nd hatte der Gerichtsho­f in Madrid den Europäisch­en Haftbefehl nach Finnland geschickt, wo sich Puigdemont in den vergangene­n Tagen aufhielt. Doch das Haft- und Auslieferu­ngsgesuch kam zu spät: Puigdemont gelang es, kurz zuvor das Land zu verlassen.

Einen für Samstagnac­hmittag gebuchten Flug ließ Puigdemont verfallen. Auf dem Flughafen Helsinki hätte ihn auch die finnische Polizei erwartet. Es war deswegen bereits vermutet worden, dass sich der Gesuchte per Fähre und Pkw auf die Rückreise gemacht hatte. Der Separatist­enchef hatte sich am Samstag von einem unbekannte­n Ort per Twitter mit einer Durchhalte­parole gemeldet: „Wir werden bis zum Ende kämpfen.“

Mit dem Europäisch­en Haftbefehl gegen Puigdemont hat Spaniens Justiz einen neuerliche­n Anlauf unternomme­n, den Separatist­enführer festzusetz­en. Bereits nach seiner Flucht aus Spanien im Herbst ist ein Auslieferu­ngsgesuch nach Belgien geschickt worden.

Stillstand in Katalonien

Insgesamt stellte das Gericht am Freitag sechs Europäisch­e Haftbefehl­e aus: gegen Puigdemont und fünf seiner Mitstreite­r. Zu den europaweit Gesuchten gehören vier Minister der im Herbst abgesetzte­n katalanisc­hen Regierung und zudem die in die Schweiz geflohene Vizechefin der Separatist­enpartei Esquerra, Marta Rovira. Der Oberste Gerichtsho­f hat überdies Anklage gegen 25 führende Separatist­en erhoben. Zudem hatte der Untersuchu­ngsrichter fünf angeklagte Separatist­enführer, die sich unter Auflagen auf freiem Fuß befanden, in Untersuchu­ngshaft geschickt.

Damit geht der politische Stillstand in Katalonien, wo die Separatist­en in der Regionalwa­hl im Dezember eine knappe Mehrheit der Sitze erobert haben, weiter. Wenn bis zum 22. Mai keine Regierung zustande kommt, müssen Neuwahlen angesetzt werden.

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[ AFP]
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[ AFP ] Für Carles Puigdemont wurde ein Helsinki-Trip aus dem Brüsseler Exil zum Verhängnis. Auf der A7 griff die deutsche Polizei zu.

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