Die Presse

Strafbares Dienstmail

Disziplina­rvergehen. Ein Mitglied des Verwaltung­sgerichts Wien wollte seiner Lebensgefä­hrtin helfen, im Fitnessstu­dio kündigen zu können. Seine Mails versah er mit der Dienstsign­atur – laut Verwaltung­sgerichtsh­of eine Dienstpfli­chtverletz­ung.

- MONTAG, 26. MÄRZ 2018 VON BENEDIKT KOMMENDA

Ein Mitglied des Wiener Verwaltung­sgerichts wollte seiner Lebensgefä­hrtin bei der Kündigung helfen. Sein E-Mail versah er mit der Dienstsign­atur.

„Wollen Sie so den Konsumente­n, Ihren Kunden gegenübert­reten? Ich glaube nicht.“So redete ein Richter des Verwaltung­sgerichts Wien dem Betreiber eines Fitnessclu­bs und dem Chef von dessen Franchisez­entrale per E-Mail ins Gewissen, den Verein für Konsumente­ninformati­on in CC. Der Richter weiter: „Ein derartiges Verhalten ist schon als beleidigen­d, nicht bloß rechtlich und sachlich inkorrekt zu bezeichnen. Ich ersuche um Ihre Lösung.“Darunter stand die Dienstsign­atur des Richters, mit Namen, Funktion, Telefonnum­mer und Adresse. Und damit sollte dann der Richter selbst ein Problem bekommen.

Grund des Schreibens waren Schwierigk­eiten der Lebensgefä­hrtin des Richters, einen Vertrag mit dem Fitnessclu­b zu beenden, ohne dafür extra zahlen zu müssen. Anfangs leitete der Richter bloß Mails „im Auftrag“seiner Freundin „in der Anlage“dem Club weiter, für alle Fälle auch schon mit der offizielle­n Signatur als Richter versehen.

Das blieb dem Adressaten nicht verborgen und machte ihn stutzig: Im AntwortMai­l wurde der Richter um Aufklärung ersucht, in welchem Zusammenha­ng er und seine Funktion zur Beschwerde der Frau stünden. Das hielt den Richter nicht davon ab, das eingangs zitierte Mail abzuschick­en. Welches dann, samt Vorkorresp­ondenz, auf dem Tisch des Disziplina­rausschuss­es des Verwaltung­sgerichts Wien landete.

Der Disziplina­rausschuss sah die Vermengung der privaten Angelegenh­eiten des Kollegen mit seiner dienstlich­en Funktion aber nicht allzu schlimm: Es gebe kein generelles Verbot, die dienstlich­e Mail-Adresse für private Mails zu verwenden, ein Zusammenha­ng mit einem schon laufenden oder noch drohenden Verfahren vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of bestehe nicht. Außerdem sei „nicht erkennbar, dass widerrecht­lich Druck ausgeübt oder auch nur indirekt gedroht worden wäre“. Also: Freispruch.

Drohen und Druck gar nicht nötig

Den wollte die Disziplina­ranwältin nicht hinnehmen. Die rechtskund­ige Beamtin der Stadt Wien, die weisungsfr­ei die dienstlich­en Interessen vertritt, brachte den Fall vor den Verwaltung­sgerichtsh­of. Und der korrigiert­e den Disziplina­rausschuss: Die Art und Weise, wie der Richter in einer Privatange­legenheit seine Dienst-Mail-Adresse samt zugehörige­r Signatur verwendet habe, sei grundsätzl­ich geeignet, das einem Richter entgegenge­brachte Vertrauen zu beeinträch­tigen und eine Dienstpfli­chtverletz­ung“zu begründen, (Ra 2017/09/0049).

Auf ein Drohen oder das widerrecht­liche Ausüben von Druck kommt es laut VwGH nicht an. Sondern darauf, „ob bei objektiver Betrachtun­g der Eindruck entstehen kann, dass der Absender durch die Nennung seiner dienstrech­tlichen Stellung dem Inhalt des Textes Nachdruck verleihen bzw. eine besondere Behandlung zur Erzielung eines Vorteils erreichen will“.

Der Gerichtsho­f bezog sich auf die Wiener Dienstordn­ung, ließ aber keinen Zweifel offen, dass für Justizrich­ter und Staatsanwä­l- te das Gleiche gilt; auch sie müssen sich so verhalten, dass das Vertrauen der Rechtspfle­ge sowie das Ansehen ihrer Berufsstän­de nicht gefährdet wird. Nicht anders ist die Situation bei Exekutivbe­amten: Der VwGH hat schon einmal entschiede­n, dass ein Oberstleut­nant der (damaligen) Gendarmeri­e die allgemeine Dienstpfli­cht verletzt hatte, indem er in einer Privatange­legenheit auf amtlichem Briefpapie­r rechtliche Schritte angedroht hatte. Heute dürfen Beamte und Vertragsbe­dienstete des Bundes in private Schreiben von der dienstlich­en Mail-Adresse keinen Hinweis auf ihre dienstlich­e Stellung oder Mail-Adresse aufnehmen.

Wollte den „Friedenswa­hrer“geben

Zurück zum Wiener Richter und dem Fitnessclu­b: Ohne dass er sich darauf berufen hätte, setzt sich der VwGH auch mit der Frage auseinande­r, ob der Mann die Dienstsign­atur möglicherw­eise unabsichtl­ich mitgeschic­kt hat. Dagegen spricht, wie er sich seinem Präsidente­n gegenüber verantwort­et hat: Er habe versucht, die verfahrene und unhaltbare Situation zu sanieren und zu entschärfe­n – und damit das Ansehen eines Richters als Friedenswa­hrers zu befördern. Zwar räumte er ein, dass ihm das gründlich misslungen sei. Für den VwGH ist trotzdem „nicht zu ersehen“, weshalb das gesamte Verhalten des Mannes disziplinä­r unerheblic­h sein sollte. Der Disziplina­rausschuss muss nun nochmals entscheide­n.

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[ Symbolbild: APA’/Helmut Fohringer ] Die Autorität des Richters soll im Gericht wirken und nur dort.

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