Strafbares Dienstmail
Disziplinarvergehen. Ein Mitglied des Verwaltungsgerichts Wien wollte seiner Lebensgefährtin helfen, im Fitnessstudio kündigen zu können. Seine Mails versah er mit der Dienstsignatur – laut Verwaltungsgerichtshof eine Dienstpflichtverletzung.
Ein Mitglied des Wiener Verwaltungsgerichts wollte seiner Lebensgefährtin bei der Kündigung helfen. Sein E-Mail versah er mit der Dienstsignatur.
„Wollen Sie so den Konsumenten, Ihren Kunden gegenübertreten? Ich glaube nicht.“So redete ein Richter des Verwaltungsgerichts Wien dem Betreiber eines Fitnessclubs und dem Chef von dessen Franchisezentrale per E-Mail ins Gewissen, den Verein für Konsumenteninformation in CC. Der Richter weiter: „Ein derartiges Verhalten ist schon als beleidigend, nicht bloß rechtlich und sachlich inkorrekt zu bezeichnen. Ich ersuche um Ihre Lösung.“Darunter stand die Dienstsignatur des Richters, mit Namen, Funktion, Telefonnummer und Adresse. Und damit sollte dann der Richter selbst ein Problem bekommen.
Grund des Schreibens waren Schwierigkeiten der Lebensgefährtin des Richters, einen Vertrag mit dem Fitnessclub zu beenden, ohne dafür extra zahlen zu müssen. Anfangs leitete der Richter bloß Mails „im Auftrag“seiner Freundin „in der Anlage“dem Club weiter, für alle Fälle auch schon mit der offiziellen Signatur als Richter versehen.
Das blieb dem Adressaten nicht verborgen und machte ihn stutzig: Im AntwortMail wurde der Richter um Aufklärung ersucht, in welchem Zusammenhang er und seine Funktion zur Beschwerde der Frau stünden. Das hielt den Richter nicht davon ab, das eingangs zitierte Mail abzuschicken. Welches dann, samt Vorkorrespondenz, auf dem Tisch des Disziplinarausschusses des Verwaltungsgerichts Wien landete.
Der Disziplinarausschuss sah die Vermengung der privaten Angelegenheiten des Kollegen mit seiner dienstlichen Funktion aber nicht allzu schlimm: Es gebe kein generelles Verbot, die dienstliche Mail-Adresse für private Mails zu verwenden, ein Zusammenhang mit einem schon laufenden oder noch drohenden Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehe nicht. Außerdem sei „nicht erkennbar, dass widerrechtlich Druck ausgeübt oder auch nur indirekt gedroht worden wäre“. Also: Freispruch.
Drohen und Druck gar nicht nötig
Den wollte die Disziplinaranwältin nicht hinnehmen. Die rechtskundige Beamtin der Stadt Wien, die weisungsfrei die dienstlichen Interessen vertritt, brachte den Fall vor den Verwaltungsgerichtshof. Und der korrigierte den Disziplinarausschuss: Die Art und Weise, wie der Richter in einer Privatangelegenheit seine Dienst-Mail-Adresse samt zugehöriger Signatur verwendet habe, sei grundsätzlich geeignet, das einem Richter entgegengebrachte Vertrauen zu beeinträchtigen und eine Dienstpflichtverletzung“zu begründen, (Ra 2017/09/0049).
Auf ein Drohen oder das widerrechtliche Ausüben von Druck kommt es laut VwGH nicht an. Sondern darauf, „ob bei objektiver Betrachtung der Eindruck entstehen kann, dass der Absender durch die Nennung seiner dienstrechtlichen Stellung dem Inhalt des Textes Nachdruck verleihen bzw. eine besondere Behandlung zur Erzielung eines Vorteils erreichen will“.
Der Gerichtshof bezog sich auf die Wiener Dienstordnung, ließ aber keinen Zweifel offen, dass für Justizrichter und Staatsanwäl- te das Gleiche gilt; auch sie müssen sich so verhalten, dass das Vertrauen der Rechtspflege sowie das Ansehen ihrer Berufsstände nicht gefährdet wird. Nicht anders ist die Situation bei Exekutivbeamten: Der VwGH hat schon einmal entschieden, dass ein Oberstleutnant der (damaligen) Gendarmerie die allgemeine Dienstpflicht verletzt hatte, indem er in einer Privatangelegenheit auf amtlichem Briefpapier rechtliche Schritte angedroht hatte. Heute dürfen Beamte und Vertragsbedienstete des Bundes in private Schreiben von der dienstlichen Mail-Adresse keinen Hinweis auf ihre dienstliche Stellung oder Mail-Adresse aufnehmen.
Wollte den „Friedenswahrer“geben
Zurück zum Wiener Richter und dem Fitnessclub: Ohne dass er sich darauf berufen hätte, setzt sich der VwGH auch mit der Frage auseinander, ob der Mann die Dienstsignatur möglicherweise unabsichtlich mitgeschickt hat. Dagegen spricht, wie er sich seinem Präsidenten gegenüber verantwortet hat: Er habe versucht, die verfahrene und unhaltbare Situation zu sanieren und zu entschärfen – und damit das Ansehen eines Richters als Friedenswahrers zu befördern. Zwar räumte er ein, dass ihm das gründlich misslungen sei. Für den VwGH ist trotzdem „nicht zu ersehen“, weshalb das gesamte Verhalten des Mannes disziplinär unerheblich sein sollte. Der Disziplinarausschuss muss nun nochmals entscheiden.