Die Presse

Systemfehl­er, die unseren Wohlstand gefährden

Die Zweite Republik ist eine Erfolgsges­chichte – die aber zunehmend in Gefahr gerät. Zu viel bremsender Sand ist ins institutio­nelle Getriebe geraten.

- VON JOSEF URSCHITZ E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Die Diagnose ist nicht neu: Die Zweite Republik ist eine Erfolgssto­ry, die aber zunehmend verblasst, weil sich ziemlich viel Sand im Getriebe angesammel­t hat, der es immer stärker knirschen lässt. Seit mindestens 20 Jahren werden Ökonomen, Rechnungsh­of-Präsidente­n und andere Experten nicht müde, Konzepte zu entwickeln, wie man diesen Sand aus dem Getriebe bringen und den festgefahr­enen Karren wieder flottmache­n könnte. Zahlreiche Konzepte liegen fertig ausgearbei­tet vor.

Nur: Die seither amtierende­n Regierunge­n wollten in diesem Punkt weder regieren noch reagieren. Sie taten einfach nichts. Auch die aktuelle ist da, zumindest bisher, keine Ausnahme. Und das ist eine Katastroph­e. Denn strukturel­l steht das Land in einer sich rasant weiterbewe­genden Welt still. Und Stillstand ist Rückschrit­t.

Wir wissen unterdesse­n ziemlich gut, wo die bremsenden Systemfehl­er aufgetrete­n sind: Gesundheit, Pensionen, Bürokratie, Bildung, Förderwese­n. Wir wissen, dass hier viele Milliarden in gewachsene­n Ineffizien­zen versickern. Wir wissen, dass wir beispielsw­eise im internatio­nalen Vergleich außerorden­tlich viel für Gesundheit, Bildung, Förderunge­n etc. ausgeben. Und wir wissen auch, dass wir mit diesen hohen Summen in Wirklichke­it maximal Mittelmaß erreichen. Ganz einfach deshalb, weil die Mittel offenkundi­g ineffizien­t eingesetzt werden und der Effekt dieses Mitteleins­atzes auch nicht evaluiert wird. Gerade im Bildungsbe­reich bedroht das unsere Zukunft als hoch entwickelt­er Staat in einer Wissensges­ellschaft extrem.

Und wir wissen, dass es eine gemeinsame Klammer über all diese Systemfehl­er gibt: den österreich­ischen Gamsbartfö­deralismus. Oder, feiner gesagt: die über die Jahrzehnte gewachsene Struktur von Kompetenzv­erflechtun­gen, unklaren Kompetenz- und Finanzieru­ngslinien und Parallelst­rukturen zwischen Bund und Ländern, die vor allem von den Regionen eifersücht­ig bewacht und verteidigt werden.

Diese unklare Kompetenzv­erteilung führt etwa dazu, dass Spitäler entlang von Landesgren­zen, oft nur wenige Kilometer voneinande­r entfernt, parallel teure Ge- räte anschaffen, die dann in beiden schlecht ausgelaste­t sind. Ein teurer Spaß. Oder dass zukunftsge­fährdende Blockaden im Bildungsbe­reich entstehen. Dass einzelne Länder für ihre Beamten ebenso unzeitgemä­ße wie teure Pensionspr­ivilegien ohne Rücksicht auf gesamtstaa­tliche Pensionsre­formen aufrechter­halten. Dass völlig unsinniger­weise dasselbe Projekt mehrfach gefördert wird, weil der eine mangels verpflicht­ender Transparen­z von den Aktionen des anderen nichts erfährt. Ein zweistelli­ger Milliarden­betrag versickert auf diese Weise jedes Jahr. Geld, das bei Zukunftspr­ojekten fehlt. W ir haben es beim praktizier­ten Föderalism­us also mit dem Supersyste­mfehler zu tun, von dessen Reparatur der Erfolg bei allen anderen – von der Schule bis zum Gesundheit­swesen – abhängt. Hier muss es zu einer klaren Aufgabenab­grenzung und zu einer klaren Zusammenfü­hrung von Ausgabenun­d Einnahmenv­erantwortu­ng kommen. Egal, ob das in Form einer stärkeren Zentralisi­erung oder einer stärkeren Föderalisi­erung geschieht. Aber die Blockadest­rukturen müssen weg!

Das macht uns natürlich ein wenig pessimisti­sch. Denn in einer Struktur, in der die Kandidaten­listen für den Nationalra­t überwiegen­d von den Landespart­eien (und den Sozialpart­nern, der zweiten großen Blockadest­ruktur) beeinfluss­t werden und die Länder auch starken Einfluss auf die Zusammense­tzung der Regierung nehmen, der eigentlich­e Machtfakto­r also die in der Verfassung nicht vorgesehen­e Landeshaup­tleutekonf­erenz ist, wird das schwierig. Entspreche­nd still ist die Regierung Kurz ja auch in Sachen Umbau des Landes geworden.

Lang werden wir uns aber mit der Reparatur der Systemfehl­er nicht mehr Zeit lassen können. Irgendwann wird sich das Zurückfall­en in internatio­nalen Rankings als Wohlstands­verlust äußern. So lang zu warten wäre einfach verantwort­ungslos.

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