Schwarze Schwäne tauchen meist unerwartet auf
Besonders hart für die Märkte sind Ereignisse, die gefährlich, selten und in ihrer Schärfe unerwartet sind. Man erkennt sie erst, wenn sie da sind. Ob sich der Handelskrieg zwischen China und den USA zu einem schwarzen Schwan auswächst, wird sich erst zei
Anfang des Vorjahres schien die die Welt noch in Ordnung. Der US-Leitindex Dow Jones hatte nach dem Wahlsieg Donald Trumps einen einjährigen Seitwärtskurs hinter sich gelassen und war nach oben ausgebrochen. Auch der Jahresstart glückte. Andere Indizes wie DAX und ATX wurden mit nach oben gezogen.
Die Rohstoffmärkte hatten das erste positive Jahr seit 2010 hinter sich gebracht und schickten sich ebenfalls an, weiter zu steigen (tatsächlich sollte es 2017 dann wieder leicht nach unten gehen). Die Zeichen standen in den ersten Jännertagen des Vorjahres jedenfalls auf Hochkonjunktur – was könnte also schiefgehen?
Zu diesem Zeitpunkt suchten die Analysten von Barclays nach möglichen Ereignissen, die die Rohstoffmärkte negativ beeinflussen könnten. Sie suchten „schwarze Schwäne“.
Dabei handelt es sich um Ereignisse, die fatale Auswirkungen auf die Finanzmärkte hätten, die aber so unwahrscheinlich sind, dass niemand ernsthaft damit rechnet, zumindest nicht, dass sie eskalieren. Deswegen sind sie auch nicht in den Kursen eingepreist. Geprägt hat den Begriff „Black Swan“der Finanzmathematiker und Anlagespezialist Nassim Nicholas Taleb im Jahr 2007, als er auf die gefährlichen Verflechtungen und Abhängigkeiten der Bankenbranche hinwies. Die Intensität der Finanzkrise, die ein Jahr später über die Märkte hinwegschwappte, kam für viele dennoch überraschend.
Seitdem ist der Begriff in aller Munde, und jeder fragt sich, wo sich der nächste schwarze Schwan verbergen könnte. Nur wäre es kein schwarzer Schwan, wenn er erkennbar wäre. Barclays versuchte vor über einem Jahr trotzdem, mehr als ein Dutzend mögliche schwarze Schwäne für die Rohstoffpreise auszumachen, und zwar sowohl für die Angebots- als auch für die Nachfrageseite. Nun lau- fen die Rohstoffmärkte mit den Aktienmärkten nicht unbedingt parallel; so haben erstere in den vergangenen Jahren keine Rallye gesehen, letztere schon. Ein Black-Swan-Ereignis für die Rohstoffmärkte würde aber auch die Aktienmärkte treffen, weshalb es sich lohnt, genauer hinzusehen.
Einige Szenarien sind eingetroffen, waren aber nicht heftig genug, um zum schwarzen Schwan zu werden. So ist Venezuela, wie in einem Szenario skizziert, teilweise pleite, und es kam auch zu Förderausfällen in diesem Land; das führte aber lediglich dazu, den ohnehin überversorgten Ölmarkt ein wenig zu entlasten.
Die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran sind traditionell schlecht und könnten sich nun weiter verschlechtern, da US-Präsident Donald Trump seinen bisherigen Nationalen Sicherheitsberater Raymond McMaster durch John Bolton ersetzen wird, der als scharfer Kritiker des Iran-Atomabkommens gilt. Die Nachricht hat am Freitag den Ölpreis ein wenig steigen lassen; ein wirkliches Black-Swan-Ereignis schaut aber anders aus.
Das aus damaliger Sicht „größte Risiko eines schwarzen Schwans für die Nachfrage nach Rohmaterialien“, ein Konjunktureinbruch in China oder bei einem anderen großen Rohstoffimporteur, ist bis dato ausgeblieben. Zu einem schwarzen Schwan könnte sich aber nun ein ganz anderes Ereignis auswachsen, das vor einem Jahr ebenfalls als mögliches Szenario angesehen worden war: ein Handelskrieg zwischen den USA und China. Die Angst davor sorgt seit Tagen für heftige Turbulenzen auf Rohstoff- wie auf Aktienmärkten.
Als Anfang Februar die Märkte bebten, sahen viele in einer hohen US-Inflation und einer zu schellen Zinsanhebung in den USA die größte Gefahr. Diese Angst hat sich ein wenig gelegt. Ob sich der Handelskrieg zu einem schwarzen Schwan auswächst, muss sich auch erst zeigen.