In der Schmuddelecke liegen Hightech-Perlen
Rüstungssektor. Manche Geschäfte der Rüstungsindustrie sind anrüchig. Aber deshalb ist noch nicht der Sektor als solcher verpönt. An der Börse tummeln sich viele Firmen, ohne die eine hochmoderne Landesverteidigung unmöglich wäre.
Immer wenn das Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) seinen Bericht über den globalen Waffenmarkt veröffentlicht, wird der Welt damit indirekt auch ein Spiegel vorgehalten. Oftmals ist er schockierend, weil er unerbittlich reflektiert, wie sehr die Dinge an vielen Orten im Argen liegen. Im aktuellen Sipri-Bericht, der jüngst erschienen ist, wird abermals ein Anstieg der weltweiten Waffenverkäufe ausgewiesen.
Konkret haben die Berechnungen der Schweden ergeben, dass der globale Waffentransfer in den vergangenen fünf Jahren im Vergleich zu den fünf Jahren davor wieder um zehn Prozent zugenommen hat.
Gewiss – und das gilt es im Rüstungssektor auch zu bedenken – bei Weitem nicht alle Waffengeschäfte finden mit Ländern und Regionen statt, in denen auch tatsächlich bewaffnete Konflikte toben. Ein beträchtlicher Teil des Umsatzes in der Branche wird mit Staaten gemacht, die ihr Militär modernisieren oder ganz einfach in eine angemessene Verteidigungsfähigkeit investieren. Manche ob ihrer Größe eben ausgiebig.
So ist und bleibt der aktuellen Statistik zufolge Indien der größte Waffeneinkäufer mit zwölf Prozent der globalen Rüstungsimporte. Heikler ist da schon die Situation mit Saudiarabien, dem weltweit zweitgrößten Waffeneinkäufer. Demgegenüber machen neben Indien auch andere stabile Regionen Geld locker, um in Sachen Verteidigung auf dem letzten Stand der Technik zu sein. Viele der Rüstungsgeschäfte finden ohnehin im Inland statt. Am meisten Rüstungsausgaben bestreiten übrigens die USA, gefolgt von China und Russland.
Bemerkenswert ist, dass gerade die EU diesbezüglich zuletzt aktiv geworden ist, indem sie die Errichtung einer Verteidigungsunion vorantreibt. Da ist zum einen das Format der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“(Pesco) in Verteidigungsfragen, an der 25 Länder teilnehmen.
Zum anderen geht die Arbeit am Europäischen Entwicklungsprogramm für die Verteidigungsindustrie (EDIDP) voran. So hat das EU-Parlament soeben die Verhandlungen mit der EU-Kommission und den EU-Staaten über EDIDP gebilligt. Schon ab 2019 könnten die ersten Projek- te daraus finanziert werden – genannt wird ein Budget von 500 Millionen Euro für die Jahre 2019 und 2020. Kritiker sehen darin übrigens nur eine Vorstufe zu einem Rüstungsfonds.
Hintergrund für Europas Vorpreschen ist die Gewissheit, dass sich die europäischen NATO-Staaten nicht mehr nur auf die USA verlassen können. Auch die Nato selbst rüstet erstmals seit Jahrzehnten wieder auf, weil sie Russlands Politik als aggressiv wahrnimmt. Es geht um Dutzende Milliarden Euro.
Hintergrund ist die seit Langem geltende Zielgröße, dass die Nato-Mitglieder zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgeben. Realiter liegen sie weit dahinter zurück und sollten sich nun diesem Ziel – auf Druck der USA – zumindest bis zum Jahr 2024 annähern.
Wer aber sind nun die großen Player im Rüstungsgeschäft? Gemessen an den Export-Ländern sind es die USA, vor Russland, Frankreich, Deutschland und China, wie die Sipri-Statistik zeigt.
Was die einzelnen Konzerne betrifft, so machte zuletzt Rheinmetall viel von sich reden. Australien etwa setzt auf das deutsche Unternehmen und hat es nun dem britischen Wettbewerber BAE Systems bei einem Auftrag über 211 Panzer im Wert von 3,2 Mrd. Euro vorgezogen. Ein zweiter Auftrag über die dreifache Summe ist noch nicht vergeben: Um ihn rittern Rheinmetall, BAE, die zwei US-Konzerne General Dynamics und Lockheed Martin und ST Engineering aus Singapur. Alle sind börsenotiert.
Das umsatzstärkste Unternehmen auf dem Sektor ist – gemessen an reinen Rüstungs- verkäufen – übrigens Lockheed Martin, gefolgt von Boeing und der amerikanischen Raytheon. Letztere hat eine besondere Stellung bei Präzisionswaffen und Radaren und gilt als am meisten diversifiziert. Der Konzern will heuer den operativen Cashflow um 40 Prozent erhöhen. Seit Trumps Wahl zum US-Präsidenten Ende 2016 hat Raytheon an der Börse um über 50 Prozent zugelegt, während etwa General Dynamics im Vorjahr nur um 18 Prozent gestiegen ist.
Auf den ersten neun Plätzen des Sipri-Rankings finden sich bis auf BAE (Platz vier) und Airbus (Platz sieben) nur US-Konzerne. Platz zehn belegt die italienische Leonardo vor der französischen Thales. Rheinmetall liegt als erste deutsche Rüstungsfirma auf Platz 27, die deutsche Jenoptik gar nicht unter den ersten 100. Performt hat sie zuletzt – nicht nur an der Börse – dennoch stark. Der Gewinn sprang 2017 um ein Drittel auf 72,5 Mio. Euro. Wie viele Branchenkonzerne ist auch Jenoptik nicht nur in der Rüstung tätig, als Hightechkonzern will sie sich in Zukunft auf photonische Technologien konzentrieren.
Gerade die US-Konzerne haben seit Trumps Wahl in Erwartung hoher Verteidigungsausgaben an der Börse zugelegt. Aber die Aussicht auf weitere Rüstungsausgaben ist intakt. Das denkt auch Rheinmetall. Sie werde 2018 den „Auftragseingang auf ein ganz anderes Niveau heben können“, sagte ihr Chef Armin Papperger kürzlich: Rheinmetall ist übrigens auch als Autozulieferer tätig.