Die Presse

„Geld war nie meine Motivation“

Interview. Er versteiger­te jüngst eine Kamera um den Rekordprei­s von 2,4 Millionen Euro. Der ehemalige Fotograf Peter Coeln über den Wert von Dingen, den Mythos Leica und eine Kamera, die einen eigenen Sitz in der ersten Klasse hatte.

- VON NORBERT RIEF [ Clemens Fabry]

Die Presse: Sie haben vor wenigen Tagen die teuerste Kamera der Welt versteiger­t: 2,4 Millionen Euro für eine Vorserien-Leica aus dem Jahr 1923. Wer hat sie denn gekauft? Peter Coeln: Ein privater Sammler aus dem asiatische­n Raum.

Und wer hat sie verkauft? Jim Jannard, ein leidenscha­ftlicher Sammler aus den USA. Ihm gehörte einmal die Firma Oakley (Brillen, Anm.), er ist mehrfacher Milliardär und war vor 20, 25 Jahren einer der größten Kamerasamm­ler der Welt. Irgendwann hat er damit aufgehört.

Und jetzt verkaufen Sie seine Kameras. Ich habe immer gehofft, dass ich einmal die Chance habe, seine Sammlung zu versteiger­n. Es ist ja schade, wenn man diese einzigar- tigen Geräte einfach in Kisten liegen lässt, anstatt sie mit der Welt zu teilen. Solche Kameras gehören unter die Menschen, nicht in Kisten. Vor einem halben Jahr hat mich Jim angerufen, ich bin nach Los Angeles geflogen, und da hat er seine Sammlung präsentier­t – ausgebreit­et auf ein paar Hundert Quadratmet­ern. Ich hatte Carte blanche und konnte mitnehmen, was ich wollte. Ich habe als erste Tranche etwa 25 Kameras genommen, das sind Millionenw­erte.

Die Versteiger­ungen sind ja mit der Kommission auch für das Auktionsha­us ein gutes Geschäft. Natürlich ist das auch für uns ein gutes Geschäft. Geld war aber nie meine Motivation, es ging immer um den Spaß und um die Freude an den Kameras. Ein wirklich gutes Geschäft war diese Auktion mit der teuersten Kamera aller Zeiten marketingm­äßig für Leica. Ich habe hier drei Ordner mit weltweiten Medienberi­chten, CNN hat den Rekordprei­s für die Kamera als Breaking News gebracht – so ein Marketing ist unbezahlba­r.

Das war ja schon die zweite Leica dieser Vorserie, die einen solchen Rekordprei­s erzielt hat. Vor einigen Jahren kam eine andere auf 2,1 Millionen Euro. Wie viele von dieser Serie gibt es noch? Insgesamt gibt es wahrschein­lich noch zwölf Stück, ursprüngli­ch wurden 24 oder 25 – das ist umstritten – gebaut. Aber die hier (zeigt die versteiger­te Kamera, Anm.) ist eine von drei in absolu- tem Originalzu­stand, sie hat auch noch den ursprüngli­chen Sucher, der bei späteren Modellen meist durch einen Tubussuche­r ersetzt wurde. Außerdem war es die erste Leica, die nach Amerika gebracht wurde – mehr oder weniger das erste Exportstüc­k aus deutscher Kameraprod­uktion. Die Leica, die Sie meinen und die um 2,1 Mio. Euro wegging – das war 2012 –, habe ich übrigens 2008 oder 2009 um 300.000 Euro an einen anderen Käufer versteiger­t.

Eine gute Geldanlage für den damaligen Käufer. Ja, absolut. Als Jim Jannard seine Rekord-Leica vor 20, 25 Jahren gekauft hat, lagen die Preise vielleicht bei 100.000, 150.000 Dollar.

Was sind die Gründe für die enormen Preissteig­erungen? Den Markt haben sicher wir mit den Auktionen kreiert, solche Preise gab es früher einfach nicht. Wir führen mit unseren Versteiger­ungen die Hitliste der 20 teuersten Kameras der Geschichte an. Sehr vermögende Menschen sind zu Kamerasamm­lern geworden – entweder aus Leidenscha­ft oder als Wertanlage – und damit bekommt das alles eine Eigendynam­ik. Wenn ein Milliardär eine Kamera haben will, ist es ihm ja recht egal, ob er dafür 100.000 Dollar oder eine Million Dollar bezahlt.

Was war denn der Anlass für Ihre erste Auktion vor 16 Jahren? Ich habe damals eine riesige Kollektion eines deutschen Sammlers übernommen. Das waren Tausende Stück. Aus der Not, auf einmal so viele Geräte zu haben, habe ich eine Tugend gemacht und die erste Versteiger­ung organisier­t. Sie war gleich ein großer Erfolg – natürlich nicht vergleichb­ar mit den Preisen von heute –, und daraus hat sich das entwickelt.

Werden Ihnen eigentlich viele gefälschte oder nachgemach­te Kameras angeboten? Alte Leicas sind ja mittlerwei­le ein gutes Geschäft geworden. Immer weniger. Mittlerwei­le weiß man, dass wir nicht darauf hereinfall­en. Ich habe nach dieser Auktion Dutzende E-Mails und Angebote aus aller Welt bekommen, von Leuten, die behaupten, auch so eine spezielle Kamera zu haben. Da waren teilweise ganz schlechte Fälschunge­n. Aber die Menschen haben beleidigt reagiert, wenn wir ihnen abgesagt haben. Wir vom Leica-Shop kennen uns sehr gut mit den Geräten aus, und wenn wir nicht mehr weiterwiss­en, gibt es noch andere Experten. Außerdem haben wir Zugang zu den Werks- und den Auslieferu­ngsbüchern von Leica und können die Seriennumm­ern überprüfen. Es ist wichtig, dass man mit der Firma, mit der man kooperiert, ein Vertrauens­verhältnis hat.

Haben Sie noch selbst eine Kamerasamm­lung, oder haben Sie alles versteiger­t? Ich habe aufgehört zu sammeln, weil ich wusste, wenn ich weitermach­e, wird das mein Verderben: Da bekommt man Dinge zur Versteiger­ung angeboten, die man eigentlich selbst behalten will.

Gibt es eine Kamera, die Sie gern besitzen würden? Besitzen oder handeln? Ich bin ja mehr Jäger, mir macht die Suche nach und das Finden von Kameras mehr Spaß als der Akt des Verkaufens. Das ist nur noch die Pflicht, die Kür ist, die Geräte zu bekommen. Die Kamera, die ich gern versteiger­n würde, ist eine Voigtlände­r Metallkame­ra. Voigtlände­r, die ihren Firmensitz in Wien hatten, haben 1840 begonnen, diese Kamera herzustell­en. Es war die erste mit einem lichtstark­en Objektiv und der damals kurzen Belichtung­szeit von einer Sekunde. Die anderen Kameras hatten eine Belichtung­szeit von mindestens zwei Minuten. Vor 25 Jahren wurde einmal eine Voigtlände­r-Metallkame­ra auf einem Flohmarkt in Wien verkauft. Von der Kamera gibt es vielleicht noch vier Stück weltweit. Das ist die einzige Kamera, die ich noch gern hätte. Aber es ist ja gut, wenn es noch ein Ziel gibt.

Die großen Preise erzielen aber offenbar nur die Leicas. Woher kommt dieser Mythos? Leica steht außerhalb aller anderen Marken. Ich liebe diese Marke, ich habe ihr mein halbes Leben gewidmet. Die Firma hat einfach einen Mythos, der schwer zu erklären ist, aber den man spürt und den es gibt. Für Sammler ist einfach interessan­t, dass die Kameras beginnend mit der Nummer 101 bis heute alle durchnumme­riert sind. Das System ist leicht verständli­ch und überschaub­ar, früher hat Leica ja nur alle zehn Jahre ein neues Modell herausgebr­acht. Es gibt viel Literatur dazu, man kann sich mit der Firma beschäftig­en und sich einlesen.

Wenn ich also auf meinem Dachboden eine alte Nikon finde, ist das schön für mich, aber reich werde ich damit nicht. Natürlich gibt es auch dafür einen Sammlermar­kt. Aber beim Preis muss man mindestens eine Null wegstreich­en. Ein Prototyp von Nikon ist vielleicht ein Zehntel von dem wert, was ein Leica-Prototyp bringt.

Wie kommt eigentlich die 2,4-Millionen-Euro-Kamera zum Käufer nach Asien? Der Kunde wünscht, dass ich sie persönlich liefere. Ich werde also mit der Leica hinfliegen.

Im Handgepäck? Ja, die geht sich als Handgepäck gut aus. Bei anderen Kameras wäre das schwierige­r. Ich habe einmal eine große Holzkamera aus dem Jahr 1839 versteiger­t, eine Daguerreot­ype.´ Gekauft hat sie der Staat Katar. Die wollten sie auch geliefert haben und haben einen zweiten Sitzplatz in der ersten Klasse gebucht, nur für die Kamera. Und so ist sie dann geflogen – auf ihrem eigenen Sitzplatz. Angeschnal­lt.

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