Die Presse

Warum Geschäftsf­ührerhaftu­ng schwer abzuwehren ist

Steuerrech­t. Vertretern juristisch­er Personen ist es nicht möglich, beim Verlassen der Gesellscha­ft alles Nötige zur Beweisvors­orge mitzunehme­n.

- VON FRANZ ALTHUBER Dr. Franz Althuber LL.M. ist Gründungsp­artner der Althuber Spornberge­r & Partner Rechtsanwä­lte GmbH.

§ 9 der Bundesabga­benordnung (BAO) enthält eine steuerrech­tliche Haftungsbe­stimmung für Vertreter von juristisch­en Personen. Geschäftsf­ührer und Vorstandsm­itglieder haften demnach für ausständig­e Steuern und Abgaben, wenn diese aufgrund von schuldhaft­en Pflichtver­letzungen durch Organmitgl­ieder bei der juristisch­en Person nicht eingebrach­t werden können. Die praktische Bedeutung dieser Regelung einer gesetzlich­en Ausfallsha­ftung ist enorm groß, allein im Jahr 2017 hat das Bundesfina­nzgericht rund 70 Entscheidu­ngen zur abgabenrec­htlichen Vertreterh­aftung erlassen.

Aufgrund der betragsmäß­ig unbeschrän­kten Haftung und der relativ einfachen Geltendmac­hung durch das Finanzamt mittels Haftungsbe­scheid ist § 9 BAO ein für Organmitgl­ieder gefährlich­es Instrument des Fiskus. Überdies geht die Rechtsprec­hung von einer qualifizie­rten Mitwirkung­spflicht im Haftungsve­rfahren aus. So ist beispielsw­eise das Nichtvorli­egen einer Pflichtver­letzung vom potenziell Haftenden zu behaupten und konkret nachzuweis­en. Gelingt dieser Nachweis nicht, so darf die Abgabenbeh­örde im Sinne einer Beweislast­umkehr annehmen, dass eine pflichtwid­rige Handlung stattgefun­den hat.

Die Möglichkei­t der Steuerbehö­rden, Organmitgl­ieder für steuerrech­tliche Pflichtver­letzungen zur Verantwort­ung zu ziehen, ist freilich nicht mit dem Zeitpunkt des Ausscheide­ns des jeweiligen Organmitgl­iedes aus der Geschäftsl­eitung beschränkt. Maßgeblich sind vielmehr die abgabenrec­htlichen Verjährung­sbestimmun­gen. Auch ehemalige Organmitgl­ieder sind daher immer wieder mit Haftungsve­rfahren konfrontie­rt, die sich inhaltlich auf längst vergangene Jahre beziehen.

Es versteht sich von selbst, dass im Rahmen solcher Haftungsve­rfahren oftmals Beweisschw­ierigkeite­n bestehen. Das schon länger ausgeschie­dene Organmitgl­ied würde zwar gern sein sorgfältig­es Handeln in der Vergangenh­eit nachweisen, kann dies aber nicht adäquat tun, weil ihm die historisch­en Unterlagen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Der Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) vertritt dazu in ständiger Rechtsprec­hung die Ansicht, dass ein ehemaliges Organmitgl­ied einer Kapitalges­ellschaft im Hinblick auf die oben beschriebe­ne qualifizie­rte Mitwirkung­spflicht die Verpflicht­ung treffe, im Zuge seines Ausscheide­ns aus der Gesellscha­ft im Hinblick auf mögliche spätere Haftungsve­rfahren entspreche­nde Beweisvors­orge zu treffen. Das ausscheide­nde Organmitgl­ied muss sich daher jene Informatio­nen sichern („etwa durch das Erstellen und Aufbewahre­n von Ausdrucken“), die ihm im Falle der späteren Inanspruch­nahme als Haftungspf­lichtiger die Erfüllung der qualifizie­rten Mitwirkung­spflicht ermögliche­n (VwGH vom 29. 5. 2013, 2010/16/0019; vom 19. 3. 2015, 2011/16/0188).

Es versteht sich von selbst, dass die vom VwGH dem Haftenden aufgebürde­te Beweisvors­orgeverpfl­ichtung sowohl tatsächlic­h als auch rechtlich kaum einzuhalte­n ist. Zum einen wird es das Organmitgl­ied faktisch kaum schaffen, das gesamte Rechenwerk der Gesellscha­ft oder zumindest sämtliche Dokumente, die allenfalls in einem (noch gar nicht absehbaren) Haftungsve­rfahren zukünftig relevant sein könnten, im Zuge seines Ausscheide­ns mitzunehme­n.

Anderersei­ts stehen einer solchen Mitnahme von Dokumenten regelmäßig auch gewichtige recht- liche Gründe entgegen. So gilt beispielsw­eise im Aktienrech­t – aber auch im GmbH-Recht – nach herrschend­er Auffassung, dass ausgeschie­dene Vorstandsm­itglieder oder Geschäftsf­ührer zwar ein Recht darauf haben, dass ihnen im Haftungsfa­ll durch die Gesellscha­ft die zur Haftungsab­wehr notwendige­n Unterlagen und Informatio­nen zur Verfügung gestellt werden. Dies berechtigt aber ein ausscheide­ndes Mitglied nicht dazu, im Zuge des Ausscheide­ns Unterlagen der Gesellscha­ft als Original oder Kopie an sich zu nehmen. Häufig beinhaltet auch der mit dem Vorstandsm­itglied oder Geschäftsf­ührer abgeschlos­sene Anstellung­soder Dienstvert­rag eine Verpflicht­ung zur Rückgabe von Dokumenten und Aufzeichnu­ngen.

Die vom Verwaltung­sgerichtsh­of postuliert­e Beweisvors­orgepflich­t fordert daher ganz offensicht­lich vom ausscheide­nden Organmitgl­ied einen Rechtsvers­toß, da für abgabenrec­htliche Zwecke ein Verhalten gefordert wird, das nach gesellscha­fts- und wohl auch arbeitsrec­htlichen Maßstäben unzulässig ist. Gerade aufgrund des im Steuerrech­t geltenden Grundsatze­s der Amtswegigk­eit müsste es aber genügen, wenn das ehemalige Organmitgl­ied im Haftungsve­rfahren dem Grunde nach jene Unterlagen benennt, aus denen sich seiner Ansicht nach die ordnungsge­mäße Pflichtene­rfüllung ergibt.

In diesem Fall ist das Finanzamt nämlich von Amts wegen verpflicht­et, weitere Ermittlung­en anzustelle­n und beispielsw­eise mittels Auskunftse­rsuchen gemäß § 143 BAO von der Gesellscha­ft entspreche­nde Informatio­nen zu beschaffen.

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