Ein letztes Halleluja
Tennis. Nach neunmonatiger Verletzungspause kehrt Jürgen Melzer, 36, bei einem Challenger in Spanien auf den Platz zurück. Operationen blieben nicht ohne Folgen, Ziele gilt es erst auszuloten.
Jürgen Melzer hat schon auf den größten und bedeutendsten Tennisanlagen der Welt gespielt. Er hat etliche Male in New York, London oder Paris aufgeschlagen, kennt das Gefühl, vor tausenden euphorisierten Zuschauern zu vollieren. Vor sieben Jahren war Melzer die Nummer acht der Rangliste und damit so gut wie nie zuvor klassiert. Der Linkshänder war der erste österreichische Top-10-Spieler seit Thomas Muster. Er entfachte hierzulande durchaus Euphorie, speziell durch seine beiden Heimsiege in der Wiener Stadthalle in den Jahren 2009 und 2010.
Heute, im März 2018, ist Jürgen Melzer die Nummer 583 der Weltrangliste. 50 Punkte von drei Challenger-Turnieren aus dem Vorjahr hat der Routinier noch zu Buche stehen, sonst nichts. Zum Vergleich: Roger Federer, er steht an der Spitze des Spiels, sammelte in den vergangenen zwölf Monaten 9660 Punkte. Sein letztes Match hat Melzer Anfang Juli 2017 in der Qualifikation für sein Lieblingsturnier in Wimbledon bestritten. Fortan war er zum Zuschauen verdammt, wieder einmal, der linke Ellbogen streikte. Am Dienstag kehrt der Niederösterreicher auf die Tour zurück, nach Monaten des Aufbautrainings, anfangs mit Softbällen, dient ein mit 43.000 Euro dotierter Challenger im spanischen Marbella als erste Standortbestimmung.
Melzer hat für das Turnier eine Wildcard bekommen, sein Ranking hätte ihm eine Teilnahme am Hauptbewerb nicht ermöglicht. Der letzte, direkt qualifizierte Spieler ist die Nummer 193 der Rangliste, ein weitestgehend unbekannter Argentinier. Als Turnierdirektor fungiert in Marbella Ex-ÖTV-Präsident Ronnie Leitgeb, seines Zeichens auch Melzers ehemaliger Manager. Seinem früheren Schützling hielt Leitgeb eine der vier Wildcards bis zuletzt frei, der Gewinner von fünf ATP-Turnieren nahm sie dankend an. Seit Mittwoch bereitet sich Melzer auf der schmucken Anlage („hier könnte auch ein ATP-250-Event stattfinden“) auf sein erstes Match seit neun Monaten vor. Im Training funktioniere einiges schon wieder richtig gut, „was die Grundschläge betrifft, bin ich voll dabei.“
Melzer ist schmerz-, aber nicht sorgenfrei. Der linke Schlagarm sei nicht mehr der eines jungen Tennisprofis, Ellbogen- und Schulteroperation (2015) haben zwangsläufig Spuren hinterlassen. Das Service ist nicht mehr so schnell wie früher, „und ich serviere mehr Doppelfehler.“Durch Training und Matchpraxis soll Besserung erzielt werden. Melzer, Jungvater des einjährigen Noah, möchte sein abermaliges Comeback nicht als reines Genussprojekt verstanden wissen, Leistungssportler folgen stets Visionen. „Wenn ich auf den Platz gehe, dann möchte ich auch gewinnen.“
Natürlich sei es erstrebenswert, nochmals in die Top 100 zurückzukehren. Im fortgeschritte- nen Tennisalter von 36 Jahren allerdings habe er nicht mehr ewig Zeit, wenngleich Geduld eine Grundvoraussetzung sei. „Es wird mal ein gutes, dann wieder ein schlechtes Match dabei sein. Das ist normal, wenn man so lange nicht gespielt hat.“Melzer wolle die nächsten Wochen abwarten, „rausfinden, wo mein Level ist“, erst dann werde er sich konkrete Ziele stecken.
Die Hoffnung, es nochmals in höhere Rankingsphären zu schaffen, ist durchaus begründet. 40 (!) Spieler in den Top 100 sind 30 Jahre oder älter. Mit Roger Federer führt ein 36-Jähriger das Feld an, der Kroate Ivo Karlovic,´ Nummer 79 der Rangliste, ist sogar 39. Melzer relativiert: „Ich habe nichts davon, wenn andere vorn mitspielen, die keine Schulter- und Ellbogen-Operation hatten. Für mich ist wichtig, wie sich mein Körper anfühlt.“
Weil dem Routinier der Davis Cup stets eine Herzensangelegenheit war, möchte er ÖTV-Kapitän Stefan Koubek für den Länderkampf in Russland (6./7. April) auf jeden Fall zur Verfügung stehen, „sofern in Marbella nichts Außergewöhnliches passiert.“Österreichs Chancen auf den Aufstieg sind gering, neben dem verletzten Dominic Thiem werden auf eigenen Wunsch auch Gerald Melzer sowie die Doppel-Spezialisten Oliver Marach und Alexander Peya fehlen. Koubek ist nicht zu beneiden, weil ihm praktisch keine Optionen bleiben. Neben Jürgen Melzer dürften Sebastian Ofner, Dennis Novak und Philipp Oswald im Kader aufscheinen.
(36) begann seine Profilaufbahn 1999 und gewann fünf Turniere, zuletzt in Winston-Salem 2013. Seinen größten Erfolg im Einzel feierte der Linkshänder bei den French Open 2010, als er nach einem Sieg über Novak Djokovic´ das Halbfinale erreichte.
gewann Melzer sowohl Wimbledon (2010) als auch die US Open (2011). Nach einer Ellbogenverletzung kehrt er diese Woche beim Challenger in Marbella auf die Tour zurück.