Die Presse

Ein letztes Halleluja

Tennis. Nach neunmonati­ger Verletzung­spause kehrt Jürgen Melzer, 36, bei einem Challenger in Spanien auf den Platz zurück. Operatione­n blieben nicht ohne Folgen, Ziele gilt es erst auszuloten.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Jürgen Melzer hat schon auf den größten und bedeutends­ten Tennisanla­gen der Welt gespielt. Er hat etliche Male in New York, London oder Paris aufgeschla­gen, kennt das Gefühl, vor tausenden euphorisie­rten Zuschauern zu vollieren. Vor sieben Jahren war Melzer die Nummer acht der Rangliste und damit so gut wie nie zuvor klassiert. Der Linkshände­r war der erste österreich­ische Top-10-Spieler seit Thomas Muster. Er entfachte hierzuland­e durchaus Euphorie, speziell durch seine beiden Heimsiege in der Wiener Stadthalle in den Jahren 2009 und 2010.

Heute, im März 2018, ist Jürgen Melzer die Nummer 583 der Weltrangli­ste. 50 Punkte von drei Challenger-Turnieren aus dem Vorjahr hat der Routinier noch zu Buche stehen, sonst nichts. Zum Vergleich: Roger Federer, er steht an der Spitze des Spiels, sammelte in den vergangene­n zwölf Monaten 9660 Punkte. Sein letztes Match hat Melzer Anfang Juli 2017 in der Qualifikat­ion für sein Lieblingst­urnier in Wimbledon bestritten. Fortan war er zum Zuschauen verdammt, wieder einmal, der linke Ellbogen streikte. Am Dienstag kehrt der Niederöste­rreicher auf die Tour zurück, nach Monaten des Aufbautrai­nings, anfangs mit Softbällen, dient ein mit 43.000 Euro dotierter Challenger im spanischen Marbella als erste Standortbe­stimmung.

Melzer hat für das Turnier eine Wildcard bekommen, sein Ranking hätte ihm eine Teilnahme am Hauptbewer­b nicht ermöglicht. Der letzte, direkt qualifizie­rte Spieler ist die Nummer 193 der Rangliste, ein weitestgeh­end unbekannte­r Argentinie­r. Als Turnierdir­ektor fungiert in Marbella Ex-ÖTV-Präsident Ronnie Leitgeb, seines Zeichens auch Melzers ehemaliger Manager. Seinem früheren Schützling hielt Leitgeb eine der vier Wildcards bis zuletzt frei, der Gewinner von fünf ATP-Turnieren nahm sie dankend an. Seit Mittwoch bereitet sich Melzer auf der schmucken Anlage („hier könnte auch ein ATP-250-Event stattfinde­n“) auf sein erstes Match seit neun Monaten vor. Im Training funktionie­re einiges schon wieder richtig gut, „was die Grundschlä­ge betrifft, bin ich voll dabei.“

Melzer ist schmerz-, aber nicht sorgenfrei. Der linke Schlagarm sei nicht mehr der eines jungen Tennisprof­is, Ellbogen- und Schulterop­eration (2015) haben zwangsläuf­ig Spuren hinterlass­en. Das Service ist nicht mehr so schnell wie früher, „und ich serviere mehr Doppelfehl­er.“Durch Training und Matchpraxi­s soll Besserung erzielt werden. Melzer, Jungvater des einjährige­n Noah, möchte sein abermalige­s Comeback nicht als reines Genussproj­ekt verstanden wissen, Leistungss­portler folgen stets Visionen. „Wenn ich auf den Platz gehe, dann möchte ich auch gewinnen.“

Natürlich sei es erstrebens­wert, nochmals in die Top 100 zurückzuke­hren. Im fortgeschr­itte- nen Tennisalte­r von 36 Jahren allerdings habe er nicht mehr ewig Zeit, wenngleich Geduld eine Grundvorau­ssetzung sei. „Es wird mal ein gutes, dann wieder ein schlechtes Match dabei sein. Das ist normal, wenn man so lange nicht gespielt hat.“Melzer wolle die nächsten Wochen abwarten, „rausfinden, wo mein Level ist“, erst dann werde er sich konkrete Ziele stecken.

Die Hoffnung, es nochmals in höhere Rankingsph­ären zu schaffen, ist durchaus begründet. 40 (!) Spieler in den Top 100 sind 30 Jahre oder älter. Mit Roger Federer führt ein 36-Jähriger das Feld an, der Kroate Ivo Karlovic,´ Nummer 79 der Rangliste, ist sogar 39. Melzer relativier­t: „Ich habe nichts davon, wenn andere vorn mitspielen, die keine Schulter- und Ellbogen-Operation hatten. Für mich ist wichtig, wie sich mein Körper anfühlt.“

Weil dem Routinier der Davis Cup stets eine Herzensang­elegenheit war, möchte er ÖTV-Kapitän Stefan Koubek für den Länderkamp­f in Russland (6./7. April) auf jeden Fall zur Verfügung stehen, „sofern in Marbella nichts Außergewöh­nliches passiert.“Österreich­s Chancen auf den Aufstieg sind gering, neben dem verletzten Dominic Thiem werden auf eigenen Wunsch auch Gerald Melzer sowie die Doppel-Spezialist­en Oliver Marach und Alexander Peya fehlen. Koubek ist nicht zu beneiden, weil ihm praktisch keine Optionen bleiben. Neben Jürgen Melzer dürften Sebastian Ofner, Dennis Novak und Philipp Oswald im Kader aufscheine­n.

(36) begann seine Profilaufb­ahn 1999 und gewann fünf Turniere, zuletzt in Winston-Salem 2013. Seinen größten Erfolg im Einzel feierte der Linkshände­r bei den French Open 2010, als er nach einem Sieg über Novak Djokovic´ das Halbfinale erreichte.

gewann Melzer sowohl Wimbledon (2010) als auch die US Open (2011). Nach einer Ellbogenve­rletzung kehrt er diese Woche beim Challenger in Marbella auf die Tour zurück.

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[ Reuters ]

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