Die Presse

Nachhaltig­keit eignet sich nicht für Zynismus

Richtig verstanden­e Nachhaltig­keit könnte Politik und Medien als hilfreiche­s Koordinate­n- und Steuerungs­system dienen.

- VON CLAUS REITAN

Im Geschwätz und folgenlose­n Wortgeklin­gel von Öffentlich­keit und Alltag droht mit den Nachrichte­n die wesentlich­e Sache übersehen zu werden: Die absolute Notwendigk­eit, Politik auch in Österreich stärker neu auszuricht­en. Es geht, jawohl, um Nachhaltig­keit. Und zwar um die wohlversta­ndene, nicht um die nachhaltig zerredete.

Es geht um das Ganze, also die Welt – und um alle, also auch um jene Kreise und Personen, die Neues mit Schmunzeln quittieren. Das sagt nichts über Nachhaltig­keit, aber vieles über jene Umstände aus, die Ignoranz und Zynismus hervorbrin­gen, wovon wir sowohl reichlich als auch genug haben.

Wir stecken als Staaten und als Gesellscha­ften in Wert- und Zielkonfli­kten. Protestbew­egungen und politische Verwerfung­en in Europa sind eine Folge davon. Zugleich herrschen weltweit Krisen und Kriege, mehr als je zuvor. Massive Fluchtbewe­gungen sind deren Folge. Dazu kommt: Der Klimawande­l wird hier bei uns verursacht, ist aber in Afrika zu spüren. Mit der davon ausgelöste­n Migration wollen wir allerdings nichts zu tun haben.

Es ist noch bitterer: Afrika erhält die Metalle der seltenen Erden als gebrauchte­s Handy zurück, sobald das in China gefertigte Smartphone in Europa als nicht mehr fein genug ausgemuste­rt wurde, weil die Rendite in den USA bereits angefallen ist. Genuss und Konsum gehören uns, die Folgen den anderen. Produktion und Vermüllung erfolgen irgendwo, jedenfalls außerhalb unseres Blickfelde­s, sind also externalis­iert.

Die Nutzwertfo­rmeln strikt ökonomisch­en Denkens gelten auch den Menschen: Wer nichts produziert und nichts konsumiert, wird der Lagerhaltu­ng der Überflüssi­gen zugeführt. Egal, von wo er herkommt. Die anderen bringen inzwischen den Planeten Erde an die Grenzen seines Bestandes und einige seiner sieben Sphären nahezu zum Kippen. Die nächsten fühlen sich als Teil einer die individuel­le Verantwort­ung aufhebende­n Masse und verwandeln mit dieser die Erde in eine unermessli­che Mülldeponi­e.

Der Konsument hat in einem Ausmaß über den Bürger gesiegt, dass dieser nicht mehr fähig ist, eine über Verbrauchs-, Verdauungs- und Lebensperi­oden hinausgehe­nde Vorstellun­g für das geschenkte Leben auf geliehener Erde zu entwickeln. In der vergeblich­en Erwartung von Antworten auf die großen Fragen folgen die Massen den kleinen Anführern auf den engen Pfaden entweder des Ökonomie- oder des Ökologie-Populismus – rhetorisch und musikalisc­h begleitet entweder von strukturel­len Rechthaber­n der Ökonomie oder den laisierten Bußpredige­rn der Ökologie.

Beider Parolen verfangen noch. Doch das Ende ihrer Zei-

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