Orb´ans Schicksal hängt an der Wahlbeteiligung
Ungarn. Regierungspartei führt haushoch in Umfragen. Falls die Opposition kooperiert, könnte es trotzdem eng werden.
Budapest. Als Ende Februar vorgezogene Bürgermeisterwahlen in der ungarischen Stadt Hodmezöv´as´arhely´ anstanden, war man bei der Regierungspartei Fidesz zuversichtlich. Die Stadt war eine eigene Hochburg. Interne Umfragen zeigten, dass man hoch gewinnen würde. Die Mobilisierung der Sympathisanten lief auf Hochtouren. Und tatsächlich: Für den Regierungskandidaten stimmten in absoluten Zahlen noch mehr als bei den Wahlen zuvor.
Dennoch verlor er haushoch. Ein spektakulärer Anstieg in der Wahlbeteiligung hatte den Ausschlag gegeben. 62,5 Prozent der Bürger waren zu den Urnen geströmt, mehr als je zuvor. Das riesige Lager der Nichtwähler und Unentschiedenen (30 bis 40 Prozent der Wahlberechtigten) war zu einer Wählerreserve für die Opposition geworden. Und zugleich hatten alle Oppositionsparteien nur einen einzigen Kandidaten unterstützt.
Nun wird vor den Parlamentswahlen am 8. April überall fieberhaft gerechnet. „Wenn die Wahlbeteiligung über 70 Prozent liegt, wird Fidesz keine Regierungsmehrheit mehr haben“, sagt Gabor´ Vona, Chef der einst rechtsextremen Jobbik-Partei. Seit gut drei Jahren gibt er sich gemäßigt und versucht, die Partei in die Mitte des politischen Spektrums zu manövrieren. Jobbik ist die zweitstärkste Partei im Land, mit Umfragewerten zwischen 16 und 18 Prozent. Aus den Reihen der Regierungspartei hört man hinter der Hand, dass alles gut wird, wenn die Beteiligung unter 60 Prozent bleibt. Alles über 63 Prozent betrachtet man als Grund zur Sorge. 2014 hatte man allerdings bei einer Beteiligung von 61 Prozent souverän gewonnen.
Als Vona von den magischen 70 Prozent sprach, hatte er sich gerade an einer Autobahn-Raststätte mit der Chefin der ungarischen Grünen (LMP) getroffen, Bernadett Szel.´ Thema des Gesprächs: Die „gemeinsame Zukunft“. Denn selbst wenn Orban´ verlieren sollte, dürfte Fidesz die bei weitem stärkste Partei bleiben. Keine der Oppositionsparteien würde alleine regieren können. Man würde koalieren müssen.
So weit ist es freilich noch lange nicht. Die Meinungsumfragen sehen so aus, als müsste Fidesz sich nicht die geringste Sorgen machen. Die Partei liegt durchwegs bei rund 50 Prozent der „sicheren“Wahlabsichten. Den Rest teilen sich ein Haufen Oppositionsparteien – Jobbik, die LMP (5 bis 8 Prozent in den Umfragen), die Sozialisten (MSZP), die zusammen mit verbündeten Splitterparteien bei etwas über zehn Prozent liegen, und die von den Sozialisten abgespaltene Demokratische Koalition (DK) von Ex-Premier Ferenc Gyurcsany´ mit etwa acht Prozent.
Das Ergebnis könnte am Ende dennoch anders aussehen, als es die Umfragen vermuten lassen. Zum einen wird Fidesz in Umfragen historisch überbewertet. Zum anderen wirken sich die Prozentanteile nur auf die Mandate aus, die über die Landeslisten der Parteien vergeben werden. Das sind aber nur 93 von 199 Abgeordnetensitzen. 106 Mandate werden dagegen über Direktmandate vergeben. Bei den Wahlen 2014 gewann Fidesz alle außer zehn – weil die Opposition gespalten war. In den meisten Wahlkreisen waren rechnerisch mehr Wähler gegen als für Fidesz, die gewann aber doch, mit einer relativen Mehrheit.
Seither hat sich das Stimmungsbild teils erheblich geändert. Meinungsforscher gehen davon aus, dass diesmal in bis zu 25 Wahlkreisen für die Opposition ein Sieg denkbar ist. In weiteren 40 Bezirken könnten sie gewinnen, wenn sie miteinander kooperieren: Wenn also nur ein Oppositionskandidat antritt gegen den Regierungskandidaten. Wie bei der Bürgermeisterwahl in Hodmezöv´as´arhely.´
Es sind verlockende Zahlen. Wenn die Opposition 40 Wahlkreise gewinnt, kann Fidesz Experten zufolge nicht mehr alleine regieren. Das könnte für Orban´ den Verlust der Macht bedeuten.
Ein bunter, zerstrittener Haufen
Die Oppositionsparteien sind aber so zerstritten, dass es ihnen schwerfällt, zueinander zu finden. Ein linker Block von Sozialisten (MSZP), DK und einigen Mini-Parteien hat sich nun aber zu einem Wahlbündnis formiert. Gerne würde man auch mit den Grünen zusammenarbeiten, aber die wollen nur dann, wenn Jobbik mit einbezogen wird, was weder Jobbik noch die Sozialisten wollen. Das Argument der Grünen: Ohne Jobbik kein Sieg. Das Argument der Jobbik: Ihre zumeist rechten Wähler würden nicht unbedingt für Linke stimmen, wenn in einem Bezirk der Jobbik-Kandidat nicht antrete.
Dennoch rauft man sich allmählich und mühsam zusammen. Mittlerweile haben alle Parteien außer Jobbik zumindest ein paar Kandidaten zurückgezogen, um die Chancen eines stärkeren Oppositionskandidaten zu erhöhen. Die Zeitung Blikk will zudem erfahren haben, dass Jobbik zwölf Kandidaten zurückziehen will, aber erst kurz vor der Wahl. Bestätigt ist das nicht. Allgemein erwarten Experten kurz vor dem Urnengang eine Welle plötzlich verzichtender Kandidaten. Und dann werden am Wahltag alle wie gebannt auf die Wahlbeteiligung schauen.
Liegt die Wahlbeteiligung über 70 Prozent, hat Fidesz keine Regierungsmehrheit mehr.“Gabor´ Vona, Chef der Jobbik Partei.