Die Presse

Das Langohr auf dem Balkon, im Garten – und auf dem Teller

Kaninchen zum Ostereiers­uchen? Was sagt uns das? Sind wir Kannibalen – oder verbinden wir bloß zwanglos den Kult mit Kultus und Kultur? Eine leckere Alternativ­e zum Festtagsbr­aten: Bärlauchpe­sto?

- VON BARBARA PETSCH E-Mails an: barbara.petsch@diepresse.com

Osterhäsch­en putzt sich fein, schaut flugs in den Spiegel rein, ach herrje ein graues Haar, ich werd’ alt, und das ist wahr“, solche putzigen Verslein werden Kindern dieser Tage vorgelesen. Manche schauen dabei in den Garten oder zum Balkon, wo ein Hasengeheg­e steht. Doch was ist das? Ein Fleischhau­er bietet Kaninchen an, sogar als Mittagsmen­ü. Gestern noch lag die Keule, bleich mit dünnem Knochen, Vegetarier­n stehen die Haare zu Berge, in der Vitrine. Schon ist sie im Topf. Das sollte man einmal mit uns machen, damit wir wissen, was wir „Bruder Tier“antun. Usw. Allerdings isst der Mensch schon lange Fleisch. In schlechten Zeiten griff er häufig zum Kaninchen. In diesem paaren sich ideal Haus- und Beutetier. Daheim blieb das handliche und anspruchsl­ose Karnickel frisch, bis der Hunger zu groß war. Alles konnte verwertet werden, vom Fell bis zur Leber.

„Was ist das?“, fragte bang das Kind. „Ach, das ist Huhn“, antwortete die Mutter. Der südliche Gourmet wählt seit jeher gern Wildartige­s. Nicht nur dem Korsen gilt das Zicklein als Delikatess­e. Franzosen schmoren ihren Lapin a` la Provencale¸ mit Thymian und Tomaten. Italiener geben Rosmarin dazu – diese Rohen braten sogar Singvögel. Immerhin: Kaninchenf­leisch gilt als fettarm und gesund – und die Tiere werden artgerecht gehalten. Wie die Lämmer, die oft zu Festtagen serviert werden. Auch herzig, auch arm – und schmackhaf­t.

Wenn Sie zart besaitet, aber gut betucht sind, schenken Sie ein Faberge-´Ei, ein Symbol der Fruchtbark­eit. Auch Herr Kaninchen rammelt viel, daher sein Name. „Ein Bauer kann leicht 52 Jungtiere pro Häsin pro Jahr mästen“, liest man schaudernd. Mit dem Huhn hat es übrigens auch so begonnen, eine Bäuerin bekam statt der bestellten zehn 50 Küken und zog sie groß, die Hühnerbatt­erie war geboren. Der Mensch frisst alles, sogar seine Standesgen­ossen. Womöglich haben sich seine rabiaten Angewohnhe­iten in der Evolution bewährt. Er ist das skrupellos­este Tier. Oder ein Ge- schöpf Gottes, das der heute schwer umstritten­en Empfehlung der Genesis folgt: „Macht euch die Erde untertan!“

Sensible mögen sich damit trösten, dass der flotte Vogel Strauß trotz Farmvermar­ktung kein richtiger Hit wurde. Vielleicht ergeht es auch dem Kaninchen so, bei uns hat sein Verzehr (noch) nicht wirklich Tradition. Die Feiertage sind auch ein Moment, sich zu erinnern, dass Kult, Kultus und Kultur miteinande­r verflochte­n sind, vom einen zum anderen ist es ein langer Weg. Jetzt kommen erst noch der Gründonner­stag (Spinat) und Karfreitag (Fasttag). Da können Sie überlegen, was Sie zu den Feiertagen auf die Tafel bringen: Bärlauchpe­sto?

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