Das Langohr auf dem Balkon, im Garten – und auf dem Teller
Kaninchen zum Ostereiersuchen? Was sagt uns das? Sind wir Kannibalen – oder verbinden wir bloß zwanglos den Kult mit Kultus und Kultur? Eine leckere Alternative zum Festtagsbraten: Bärlauchpesto?
Osterhäschen putzt sich fein, schaut flugs in den Spiegel rein, ach herrje ein graues Haar, ich werd’ alt, und das ist wahr“, solche putzigen Verslein werden Kindern dieser Tage vorgelesen. Manche schauen dabei in den Garten oder zum Balkon, wo ein Hasengehege steht. Doch was ist das? Ein Fleischhauer bietet Kaninchen an, sogar als Mittagsmenü. Gestern noch lag die Keule, bleich mit dünnem Knochen, Vegetariern stehen die Haare zu Berge, in der Vitrine. Schon ist sie im Topf. Das sollte man einmal mit uns machen, damit wir wissen, was wir „Bruder Tier“antun. Usw. Allerdings isst der Mensch schon lange Fleisch. In schlechten Zeiten griff er häufig zum Kaninchen. In diesem paaren sich ideal Haus- und Beutetier. Daheim blieb das handliche und anspruchslose Karnickel frisch, bis der Hunger zu groß war. Alles konnte verwertet werden, vom Fell bis zur Leber.
„Was ist das?“, fragte bang das Kind. „Ach, das ist Huhn“, antwortete die Mutter. Der südliche Gourmet wählt seit jeher gern Wildartiges. Nicht nur dem Korsen gilt das Zicklein als Delikatesse. Franzosen schmoren ihren Lapin a` la Provencale¸ mit Thymian und Tomaten. Italiener geben Rosmarin dazu – diese Rohen braten sogar Singvögel. Immerhin: Kaninchenfleisch gilt als fettarm und gesund – und die Tiere werden artgerecht gehalten. Wie die Lämmer, die oft zu Festtagen serviert werden. Auch herzig, auch arm – und schmackhaft.
Wenn Sie zart besaitet, aber gut betucht sind, schenken Sie ein Faberge-´Ei, ein Symbol der Fruchtbarkeit. Auch Herr Kaninchen rammelt viel, daher sein Name. „Ein Bauer kann leicht 52 Jungtiere pro Häsin pro Jahr mästen“, liest man schaudernd. Mit dem Huhn hat es übrigens auch so begonnen, eine Bäuerin bekam statt der bestellten zehn 50 Küken und zog sie groß, die Hühnerbatterie war geboren. Der Mensch frisst alles, sogar seine Standesgenossen. Womöglich haben sich seine rabiaten Angewohnheiten in der Evolution bewährt. Er ist das skrupelloseste Tier. Oder ein Ge- schöpf Gottes, das der heute schwer umstrittenen Empfehlung der Genesis folgt: „Macht euch die Erde untertan!“
Sensible mögen sich damit trösten, dass der flotte Vogel Strauß trotz Farmvermarktung kein richtiger Hit wurde. Vielleicht ergeht es auch dem Kaninchen so, bei uns hat sein Verzehr (noch) nicht wirklich Tradition. Die Feiertage sind auch ein Moment, sich zu erinnern, dass Kult, Kultus und Kultur miteinander verflochten sind, vom einen zum anderen ist es ein langer Weg. Jetzt kommen erst noch der Gründonnerstag (Spinat) und Karfreitag (Fasttag). Da können Sie überlegen, was Sie zu den Feiertagen auf die Tafel bringen: Bärlauchpesto?