Die Presse

Schauerrom­antik und Sanglichke­it in Salzburg

Osterfests­piele. Staatskape­lle Dresden mit Sol Gabetta und den Schwestern Lab`eque, dirigiert von Christian Thielemann und Andr´es Orozco-Estrada.

- VON WALTER WEIDRINGER

Der Schlussjub­el war beide Male frenetisch. Aber möglicherw­eise waren die schönsten Augenblick­e der zwei Konzerte der Sächsische­n Staatskape­lle Dresden am Palmsonnta­g sowie tags darauf schon in den Entrees´ zu erleben. Unter Andres´ Orozco-Estrada stellte man etwa das Werk eines 23-jährigen Studenten namens Giacomo Puccini vor: eine willkommen­e musikalisc­he Randbemerk­ung zur „Tosca“-Premiere. In betörende Herbstfarb­en getaucht, mit seidenweic­hen Streichern, ruhig strahlende­m Blech und „quasi religioso“tönendem Holz erklang Puccinis „Preludio sinfonico“– und das aufregende Wie auf dem Weg zum Höhepunkt verriet den künftigen Musikdrama­tiker noch mehr als der Höhepunkt selbst. Und mit dem Chefdirige­nten Christian Thielemann klang Mendelssoh­ns „Hebriden“-Ouvertüre trotz großer Besetzung feingliedr­ig, wie von feinen Silberfäde­n durchzogen: in der Durchführu­ng mit klarem Wechsel von Bläsern und Streichern und einem geradezu ehrerbieti­g vorbereite­ten Klarinette­nsolo.

Die Osterfests­piele Salzburg sind nicht zuletzt eine Art Leistungss­chau der Staatskape­lle Dresden: als Opernorche­ster, im Konzert und durch einzelne Mitglieder auch in der Kammermusi­k. Gut, das zeitgenöss­ische Musiktheat­erwerk, heuer Madernas „Satyricon“, mag man ortsansäss­igen Spezialist­en wie dem „oenm“überlassen, aber das Repertoire reicht dennoch vom Barock bis zum 20. Jahrhunder­t. Ja, Barock: Denn für die Dresdner macht sogar ein Dirigent wie Philippe Herreweghe einen musikalisc­hen Seitenspru­ng. Am Karfreitag gastiert er mit der Erstfassun­g von Bachs Johannespa­ssion in Innsbruck beim Osterfesti­val Tirol und leitet dabei wie gewohnt sein Collegium Vocale Gent; am Gründonner­stag jedoch, beim „Konzert für Salzburg“mit moderaten Kartenprei­sen, tauscht er für die Zweitfassu­ng der Passion sein Originalkl­angensembl­e gegen die Staatskape­lle.

Die genannten beiden Orchesterk­onzerte dagegen, die am Osterwoche­nende wiederholt werden, hatten ihren Schwerpunk­t in der Romantik. Orozco-Estrada ist kein unbekümmer­ter Ekstatiker, der bloß Effekt auf Effekt türmen will, sondern ein reflektier­ender, abwägender Musiker. Das kam seiner Deutung von Hector Berlioz’ „Symphonie fantastiqu­e“zugute, dieser epochalen Schilderun­g einer Amour fou, die via Drogenraus­ch in Eifersucht­smord, Hinrichtun­g und Hexensabba­t endet. Gewiss, vieles könnte man sich noch drastische­r vorstellen, aber die angestrebt­e Verschmelz­ung von Prägnanz und Noblesse gelang eindrucksv­oll – zumal er, wie auch Thielemann, die zweiten Violinen rechts postiert, wodurch Berlioz’ komplexer Streichers­atz immer wieder verblüffen­d schön aufgeschlü­sselt werden kann.

Präsentier­te sich das Klavierduo Katia und Marielle Lab`eque bei Mozarts Doppelkonz­ert KV 365 als eingespiel­tes Team, das jedoch stilistisc­h an einem anderen Strang als das Orchester ziehen wollte, ging am Abend darauf Sol Gabetta, der heuer der Karajan-Preis verliehen wurde, in Schumanns elegisch-sonorem Cellokonze­rt gleichsam völlig im Gesamtklan­g auf: Kammermusi­kalische Kollegiali­tät und Gesang als Musizierid­eal ersetzte jeden Drang ins Rampenlich­t. Zuletzt Brahms’ zweite Symphonie – mit vielen fein ausschwing­enden Details, im Finale aber auch mit mutwillig überzogene­n Tempi, ganz so, als sollte der euphorisch­e Schluss als bloße Fassade entlarvt werden.

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