Die Presse

Ex-Finanzmini­ster Schelling berät Russen

Karriere. Für Ex-Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling ist Nord Stream 2 die neue Mission. Er ist nicht der erste Politiker, der für Firmen lobbyiert.

- VON JUDITH HECHT

Österreich. Der frühere ÖVP-Finanzmini­ster Hans-Jörg Schelling hat einen Vertrag mit dem russischen Energierie­sen Gazprom: Er hat beim Pipeline-Projekt Nord Stream 2 von Gazprom als Berater angeheuert.

Wien. Der ehemalige Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling wird, wie am Montagaben­d bekannt wurde, Berater des russischen Staatskonz­erns Gazprom. Konkret soll er sich für den Bau der Nord Stream 2 einsetzen, der russischen Pipeline, die – einmal vollendet – noch mehr russisches Gas in den EU-Raum bringen soll. Allerdings stößt das Vorhaben in Europa, aber auch in den USA, auf wesentlich mehr Widerstand als erwartet. Das beklagte auch Nord-Stream-Boss Matthias Warnig gegenüber der „Presse“bei seinem Wien-Besuch Ende Jänner.

Warnigs Kurzaufent­halt nutzte Schelling übrigens, um bei dem Nord-Stream-Boss persönlich im Hotel Kempinski vorstellig zu werden. Dass es bei dem Treffen um eine mögliche Zusammenar­beit gegangen sei, wollte Warnig damals nicht bestätigen. Schelling habe das Treffen vorgeschla­gen, so Warnig damals zur „Presse“, schließlic­h verbinde sie ein gemeinsame­s Hobby: der Weinbau.

Stets an Russland interessie­rt

Weinbau hin oder her, Schelling dürfte Warnig doch auch überzeugt haben, für die Realisieru­ng des Nord-Stream-2-Projekts wertvolle Dienste leisten zu können. Wie, das wird sich noch zeigen. Als ausgewiese­ner Pipeline-Experte galt der frühere Finanzmini­ster bis dato nicht, jedoch als russlandaf­fin. Während seiner Amtszeit begleitete er mehrfach Magna-Chef Siegfried Wolf und OMV-Chef Rainer Seele bei ihren Russland-Besuchen. Seele, der während der Schelling-Ära neuer General des teilstaatl­ichen Mineralölk­onzerns wurde, hat sich von Anfang an für die Intensivie­rung der Geschäftsb­eziehungen mit Russland starkgemac­ht und ist ein deklariert­er Verfechter des Pipeline-Projekts. Deshalb beteiligt sich die OMV auch an den milliarden­schweren Baukosten der Nord Stream 2, die Russland allein nicht stemmen könnte.

Doch zurück zu Schelling: Seinen Wert für Gazprom und die Nord Stream 2 machen die Beziehunge­n und Netzwerke aus, die er als Finanzmini­ster knüpfen konnte. Dass Politiker in ihrem Leben danach von diesen Verbindung­en prima leben können, haben schon viele vor Schelling gezeigt.

Etwa der ehemalige deutsche Bundeskanz­ler Gerhard Schröder, der nach eigenen Angaben erstmals im November 2005 von der Nord Stream AG ein Jobangebot bekam. Wenige Tage zuvor hatte der Ausgang der Bundestags­wahl seine Karriere als Kanzler je beendet. Ein Anruf von Wladimir Putin überzeugte den anfänglich zögerliche­n SPD-Politiker von der Bedeutung des Projekts, für das er seitdem allenorts fleißig lobbyiert. Viele Kritiker warfen ihm freilich vor, er habe allzu schnell die Seiten gewechselt. Doch das juckte Schröder nicht. Im Gegenteil. Seit seinem Abgang von der Politbühne hat er die Ärmel nicht nur für die Nord Stream 1 in die Höhe gekrempelt, sondern auch für TNK-BP, einem russischen Gas- und Ölunterneh­men. Und seit 2017 ist er Aufsichtsr­atschef von Rosneft, dem größten Ölkonzern Russlands.

Barrosos neue Mission

Berufliche Neuorienti­erungen stoßen also leicht auf Empörung, das hat auch der ehemalige Präsident der EU-Kommission, Jose´ Manuel Barroso, erfahren. Von 2004 bis 2014 hat er das hohe Amt bekleidet. Dennoch sprachen viele von einem Skandal, als im Sommer 2016 bekannt wurde, dass der Portugiese bei der US-Investment­bank Goldman Sachs anheuern würde, um als Berater dem Geldhaus dabei zu helfen, sich auf die Folgen des Brexit einzustell­en.

Und die Aufregung hat sich bis heute nicht gelegt. Erst Ende Februar kam Barroso erneut in Bedrängnis. Im vergangene­n Jahr traf er nämlich die EU-Kommission­svizepräsi­denten Valdis Dombrovisk­is und Jyrki Katainen. Bei diesen Zusammenkü­nften soll es allerdings nicht um die Interessen von Goldman Sachs gegangen sein, sondern nur um allgemeine Themen. Bloß das will niemand so recht glauben.

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[ APA ] Auf der Suche nach einer neuen Beschäftig­ung wurde der ehemalige Finanzmini­ster sehr rasch fündig.

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