Konsulate in Österreich verweigern Zusammenarbeit
Allerdings gebe es auch hierzu Ausnahmen, weswegen jeder Fall im Einzelnen durchleuchtet werden sollte. Eine negative Entscheidung lediglich aufgrund der Liste – beispielsweise, weil die türkischen Behörden nicht kooperieren – hält Yilmaz für nicht zulässig. „Das wäre mit dem Rechtsstaat keinesfalls vereinbar. Die Liste entbehrt hierfür nämlich jeglicher Grundlage.“
Droht auch Minderjährigen der Verlust der Staatsbürgerschaft?
Ja, die Gesetzeslage ist hier eindeutig. Kinder teilen das Schicksal der Eltern. Ausgenommen sind allerdings mündige Minderjährige – also Jugendliche von 14 bis 18 Jahren. Sie müssten der Wiederaufnahme der türkischen Staatsangehörigkeit aktiv zugestimmt haben, was selbstverständlich nicht nachweisbar ist, da alle Dokumente ihre Eltern unterschrieben haben.
Müssen die Betroffenen für die Dokumente in die Türkei reisen?
Das kann tatsächlich passieren, einige haben das schon getan. Denn es gibt Fälle, in denen die türkischen Konsulate in Österreich nicht helfen konnten bzw. wollten. Dann nämlich, wenn es sich bei den Betroffenen um keine türkischen Staatsbürger mehr handelt und sich die Konsulate für sie nicht zuständig fühlen. Der „Presse“liegen derartige Fälle vor. Diese Personen müssten den Auszug aus dem Personenstandsregister in der Türkei besorgen – oder jemanden bevollmächtigen, der das macht. Aber: Selbst in der Türkei wird ehemaligen Staatsbürgern oft ein Auszug aus dem Personenstandsregister verweigert. Auch hier liegen der „Presse“schriftli- che Bestätigungen vor. Es hängt also von der Region und den jeweiligen türkischen Behörden ab, ob jemand einen Auszug aus dem Personenstandsregister bekommt und seine Unschuld beweisen kann oder nicht.
Was passiert nach der Aberkennung der Staatsbürgerschaft?
Zunächst stellt die MA 35 den Verlust der Staatsbürgerschaft fest. Das bedeutet nicht, dass die Betroffenen sofort ihre Staatsangehörigkeit verlieren und das Land verlassen müssen. Sie können Rechtsmittel einlegen und das Landesverwaltungsgericht, später den Verwaltungsgerichtshof damit befassen. Das kann Monate oder sogar Jahre dauern.
Sollten sie keinen Einspruch einlegen (viele verzichteten darauf, um sich einen teuren Prozess zu ersparen) oder sollte ihnen letztinstanzlich die Staatsbürgerschaft aberkannt werden, müssten sie in Österreich um einen Aufenthaltstitel ansuchen. Das dürfte kein Problem sein. Sollten sie in der Zwischenzeit auch die türkische Staatsbürgerschaft aufgegeben haben, könnten sie auch um diese erneut ansuchen. Dass also jemand, der seit Langem in Österreich lebt und seine Staatsbürgerschaft verliert, das Land verlassen muss, ist schon aus humanitären Gründen fast ausgeschlossen. Was aber passieren kann: Personen mit Berufen, die an die österreichische Staatsbürgerschaft gekoppelt sind, könnten diese Berufe verlieren. Yilmaz: „Gut integrierte, seit Jahrzehnten in Österreich lebende Menschen mit guten Jobs, die einen wesentlichen Beitrag in unserer Gesellschaft leisten, wären plötzlich arbeitslos und könnten sogar zu Sozialfällen werden.“