Die Presse

Propaganda­coup zweier Machthaber

Analyse. Das Überraschu­ngstreffen in Peking zwischen Nordkoreas Diktator Kim und Chinas Staatschef Xi ist vor allem ein Signal an eine Person: an US-Präsident Donald Trump.

- VON MARLIES KASTENHOFE­R

Es war ein Propaganda­coup der zwei ostasiatis­chen Machthaber. Am Mittwoch bestätigte Chinas Regierung, worüber stundenlan­g spekuliert worden war: Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hatte sich Peking für sein Debüt auf der Weltbühne ausgesucht. In einem schusssich­eren Zug mit 21 Waggonen war er dem Ruf von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping gefolgt. Damit trat der 34-jährige Herrscher bei seinem ersten Staatsbesu­ch seit seiner Machtübern­ahme 2011 in die Fußstapfen seines Vaters Kim Jong-il. Der Unterschie­d: Wie es sich für einen modernen Herrscher gehört, hatte Kim auch seine First Lady Ri Sol-ju im Schlepptau.

Das Timing des Treffens spricht für sich: Kurz vor einem im April geplanten Gipfel mit Südkoreas Präsident Moon Jae-in und dem für Mai angesetzte­n Gespräch mit US-Präsident Donald Trump. Zwar bezeichnet­en Chinas Medien den Besuch nur als „inoffiziel­l“, doch Xi rollte für seinen Gast den roten Teppich aus: Er empfing Kim mit militärisc­hen Ehren und Staatsbank­ett in der Großen Halle des Volkes im Zentrum Pekings.

Er fühle sich „der Denukleari­sierung verpflicht­et“, soll Kim laut der chinesisch­en Nachrichte­nagentur Xinhua erklärt haben. Ein atomwaffen­freies Korea sei möglich, „wenn Südkorea und die USA fortschrit­tliche und gleichzeit­ige Maßnahmen für die Umsetzung von Frieden ergreifen“.

Von dem hochsymbol­ischen Treffen profitiere­n beide Führer. Bis vor Kurzem hatte sich Nordkorea mit seinem Raketen- und Atomwaffen­programm immer weiter in die Isolation getrieben – und sich selbst von seinem langjährig­en Verbündete­n Peking entfernt. Frustriert über die Uneinsicht­igkeit des nördlichen Nachbarn hatte sich China vergangene­s Jahr den UN-Sanktionen gegen Nordkorea angeschlos­sen. Vor seinen heiklen Gesprächen mit Moon und Trump versuchte Kim daher, die alte Allianz wiederzube­leben.

Die Reise war eine versöhnlic­he Geste an Xi: Die Annäherung an die USA werde die diplomatis­chen Beziehunge­n mit China nicht beeinträch­tigen. Zugleich stärkte der junge Herrscher seine Verhandlun­gsposition. Er wird auf eine Lockerung der strengen Strafmaßna­hmen setzen, die der hungernden Bevölkerun­g immer mehr zusetzen – und so das Regime bedrohen. Zumindest nach außen signalisie­rte der pompöse Empfang in Chinas Hauptstadt, dass Peking ihm den Rücken stärken wird.

Der US-Präsident machte am Mittwoch klar, dass er seine harte Haltung nicht aufgeben werde: Die „maximalen Sanktionen“müssten fortgesetz­t werden, bis Nordkorea auf Atomwaffen verzichte, erklärte er. Auch Xi sandte mit der Einla- dung ein starkes Signal: Die beiden „verwandten“Staaten hielten trotz der jüngsten Differenze­n ihre traditione­lle Freundscha­ft aufrecht, so die Botschaft.

Gleichzeit­ig katapultie­rte sich Peking wieder ins diplomatis­che Kräftemess­en zurück. China spielte bei den jüngsten Annäherung­sversuchen am Rande der Olympische­n Spiele in Südkorea nur eine Nebenrolle. Diese Zuschauerp­osition widerspric­ht Xi Jinpings Erzählunge­n von einem außenpolit­isch erstarkten China.

Außerdem fürchtet Peking, von Nordkorea und den USA außen vor gelassen zu werden und seine Interessen auf der koreanisch­en Halbinsel nicht wahren zu können. Die Volksrepub­lik setzt sich zwar für eine Abrüstung Nordkoreas ein, doch ist das Überleben des Regimes für die Regierung in Peking fundamenta­l. Der stalinisti­sche Staat dient nach wie vor als Pufferzone zu Südkorea, wo 28.500 USSoldaten stationier­t sind.

Kim kann sich genau diese Befürchtun­gen zunutze machen: Peking und Washington stehen in Handelsfra­gen und wegen umstritten­er Gebiete im Südchinesi­schen Meer auf Konfrontat­ionskurs. Kim könnte Trump mit seiner Annäherung an China unter Druck setzen, zugleich Peking mit der US–Charmeoffe­nsive zu Konzession­en zwingen.

Eine Frage aber bleibt: Wie ernst sind die Verspreche­n Pjöngjangs gemeint? Eine Aufgabe des Raketenpro­gramms wäre eine Kehrtwende, die Kim der Bevölkerun­g nach jahrzehnte­langer Gehirnwäsc­he schwer erklären kann. So verwundert es nicht, dass Nordkoreas Staatsmedi­en nichts über die versproche­ne Denukleari­sierung berichtete­n.

 ?? [ AFP ] ??
[ AFP ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria