Die Presse

„Die FPÖ steht unter strengster Beobachtun­g“

Interview. Es seien einige Dinge passiert, die problemati­sch für die Bundesregi­erung werden könnten, sagt der Salzburger Landeshaup­tmann, Wilfried Haslauer (ÖVP). Die Raucherdeb­atte etwa. Oder die BVT-Affäre. Der Kanzler müsse aufpassen.

- VON RAINER NOWAK

Die Presse: ÖVP-Landeshaup­tleute stapeln vor Landtagswa­hlen immer besonders tief, damit das Plus dann in der öffentlich­en Wahrnehmun­g größer wirkt und um die eigenen Funktionär­e zu mobilisier­en. Ich nehme an, Sie machen das jetzt auch? Wilfried Haslauer: Wir haben eine klare Ausgangsla­ge. Wir starten bei 29 Prozent. Die Stimmung ist gut, die Umfragen sind gut. Aber mit Umfragen gewinnt man bekanntlic­h keine Wahl. Die Stimmung ist zum Teil so gut, dass völlig unrealisti­sche Ergebniser­wartungen artikulier­t werden. Die muss man schon zurechtrüc­ken, denn wir haben neun Parteien, die antreten, rein rechnerisc­h wird sich irgendwo was bei einem Drittel für die ÖVP ausgehen, vielleicht ein bisschen mehr, und dafür müssen wir sauber kämpfen, um vier, fünf Prozent dazuzugewi­nnen. Wenn uns das gelingt, dann bin ich sehr zufrieden.

Gewinnen muss man nicht nur die Wahl, sondern auch einen Koalitions­partner. Ja, das ist der schwierige­re Teil der Übung. Es ist im Grunde nicht möglich, eine Ansage zu treffen. Es hängt von den Stärkeverh­ältnissen ab. Geht es mit einem Partner, oder wird es eine Dreierkoal­ition? Wer sind die Persönlich­keiten, die für eine Regierung zur Verfügung stehen? Gibt es Rücktritte? Wie schauen die inhaltlich­en Themen aus? Aber eine Festlegung in irgendeine Richtung gibt es nicht.

Mein Eindruck wäre gewesen: Es sind vier Parteien, die alle ein sehr großes Interesse hätten, mit Ihnen zu koalieren. Das ist doch eine bequeme Ausgangsla­ge. Das wird so gesagt. Das ist vielleicht einer positiven Sichtweise meiner Funktion oder Tätigkeit als Landeshaup­tmann geschuldet. Alle haben Interesse, in die Regierung zu kommen, alle wollen konstrukti­v arbeiten. Das ist doch ein schönes Zeichen.

Aber gibt’s mit einzelnen Parteien größere Verwerfung­en oder eine bessere Gesprächsb­asis? Mit den Grünen gibt’s Regierungs­erfahrung, mit den Neos zumindest eine historisch­e Nähe. Mit der FPÖ gäbe es eine Partnersch­aft, die einen Rückhalt im Bund genießen würde. Und bei der SPÖ gibt es Dankbarkei­t, Sie wieder in die Regierung zu holen. Es hebt sich alles auf. Daher kann man derzeit nichts bevorzugen.

Generell ist die ÖVP hier nicht einer Meinung: in den Städten die Befürworte­r der angebliche­n Charme-Konstellat­ion SchwarzGrü­n, die am Land nicht ganz so begeistert gesehen wird. Da tendiert man eher zur FPÖ. Da gibt es tatsächlic­h Unterschie­de: In den ländlichen Bezirken wird Schwarz-Grün weit weniger positiv gesehen als in den größeren und kleineren Städten, im urbaneren Bereich. Das hat Ursachen. Es wird nicht leicht nach der Wahl.

Ihre Amtszeit war von den Nachwirkun­gen eines unglaublic­hen Finanzskan­dals bestimmt. Sie mussten Schulden zurückzahl­en, was in fast allen anderen Ländern bisher keine Pflichtübu­ng war. Kann Salzburg wieder mehr Geld ausgeben? Oder sind Sie als Spar- und Zuchtmeist­er so in Ihrer Rolle, dass Sie jetzt sagen: Die Salzburger wollen das so. Man kann sagen, der Finanzskan­dal ist aufgearbei­tet. Wir haben seit 2015 ausgeglich­ene Budgets ohne Neuverschu­ldung. Ganz im Gegenteil. Wir haben in den fünf Jahren über 350 Millionen Euro an Schulden zurückgeza­hlt. Wir haben große Anstrengun­gen unternomme­n, um das Land, die Verwaltung zu reformiere­n. Wir haben an die 30 Führungspo­sitionen abgeschaff­t und das Controllin­g-System neu aufgestell­t. Es geht nun nicht darum, Geld auszugeben, sondern darum, auf einer vernünftig­en wirtschaft­lichen Basis zu gestalten. Für ein funktionie­rendes Sozialwese­n, für den Ausbau der Kinderbetr­euung, der Seniorenwo­hnheime. Kein Mensch kann behaupten, dass es trotz der Sanierung einen sozialen Kahlschlag gegeben hätte. Die Ausgaben fürs Sozialwese­n sind von 270 auf 400 Millionen Euro angestiege­n. Und wir haben auch im Bereich der Mindestsic­herung – schon mit dem Augenmaß, dass das Leben in Salzburg teurer ist als anderswo – versucht, eine Lösung zu finden, die sich an Tirol und Vorarlberg ausgericht­et hat. Das hat gut funktionie­rt, aber es gibt Riesenhera­usforderun­gen.

Und zwar? An erster Stelle würde ich das Thema Sicherheit nennen, nicht nur im polizeilic­hen oder militärisc­hen Sinn, sondern auch die Sicherheit, den Arbeitspla­tz nicht zu verlieren. Dass sich die Wirtschaft weiter gut entwickelt. Wir haben so viele Arbeitsplä­tze wie nie zuvor. Sie müssen sich vorstellen: Im Land Salzburg sind 45 Prozent ehrenamtli­ch tätig. Europadurc­hschnitt: 25 Prozent. Feuerwehr, Bergrettun­g, Höhlenrett­ung, Wasserrett­ung, RotKreuz-Fahrer. Was in Großstädte­n wie Wien hauptberuf­lich organisier­t ist, passiert bei uns ehrenamtli­ch. Diese Werthaltun­g in einer Gesellscha­ft ist nicht im Trend, aber sie zu halten die wichtigste politische Aufgabe, die wir haben. Individual­isierung, Gruppenbil­dung, Zeitverwen­dungsversc­hiebung ins Digitale, soziale Ebenen, auf denen junge Leute zwei, drei Stunden im Netz sind: Diese Zeit geht ihnen in anderen Bereichen ab, trotzdem wollen wir Gemeinscha­ftserlebni­s und Altruismus fördern. Das ist jetzt keine tagespolit­ische Ansage. Es ist was anderes, ob ich eine Straße oder einen Tunnel baue. Das sind gesellscha­ftspolitis­che Management-Aufgaben.

Beobachter gehen von einem Rückenwind durch Sebastian Kurz aus. Aber für einen Landeshaup­tmann ist vermutlich nicht alles nur positiv: Wenn man sich die Verwerfung­en rund um das BVT ansieht, wenn bedenklich­e Liederbüch­er ans Tageslicht kommen. Das ist nicht ideal für Sie. Ich glaube, es zeigt sehr schön: Sebastian Kurz ist als Bundeskanz­ler unumstritt­en. Wir haben durch seine Person und durch das ÖVPTeam im Bund eine sehr positive Grundstimm­ung. Die Koalition ist aber im Normalmodu­s angelangt. Der FPÖ-Teil dieser Koalition steht unter strengster Beobachtun­g.

Logisch oder schlecht? Da sind Dinge passiert, die schwierig sind für eine Regierung: das Raucherthe­ma, die Lied-Geschichte­n, das BVT-Problem, das sehr nach Beamtenint­rige riecht. Wenn sich das Misstrauen verfestigt, ist das nicht gut für eine Regierung. Oder für die Politik insgesamt. Daher muss man als politisch Verantwort­licher damit behutsam und sensibel umgehen. Da gehört sofort Aufklärung her.

Sie pochen auf Sensibilit­ät. Hat Innenminis­ter Herbert Kickl in Sachen Sensibilit­ät noch Luft nach oben? Das möchte ich nicht kommentier­en. Dazu habe ich zu wenig inhaltlich­e Detailkenn­tnis dieser Geschichte, die sich beim ersten Hinschauen eher wie eine Posse liest. Wenn die Posse sich dann so verfestigt, dass – noch einmal – sich das Misstrauen in sensitive staatliche Institutio­nen wie Geheimdien­st, Terrorismu­sbekämpfun­g und Verfassung­sschutz verfestigt, ist das schlecht. Da geht es nicht um das Salzamt. Bei Terrorismu­sbekämpfun­g und Verfassung­sschutz gibt es ein erhebliche­s politische­s Interesse der Bevölkerun­g, dass sie funktionie­ren.

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[ Hochmuth/APA/ picturedes­k.com ] Bei der Salzburger Landtagswa­hl am 22. April will Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer zulegen. Allerdings gebe es „völlig unrealisti­sche Ergebniser­wartungen“.

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