Die Presse

Eine absehbare Finanzieru­ngskrise

Systemfehl­er. Steigende Lebenserwa­rtung, hohe Pensionen, wenig Kinder. Die Probleme des Pensionssy­stems sind bekannt. Ohne Anpassung an die demografis­che Entwicklun­g droht eine kaum finanzierb­are Kostenexpl­osion.

- VON JAKOB ZIRM

„Die Pensionsfr­age ist ein nationales Problem, das es zu lösen gilt.“Diese Worte sprach Finanzmini­ster Hartwig Löger vergangene Woche bei seiner Budgetrede. Denn: „Jeden vierten Euro dieses Budgets geben wir 2018 für Pensionen aus.“Mit 18,8 Mrd. Euro fließen knapp 24 Prozent des Bundesbudg­ets von 78,5 Mrd. Euro an pensionier­te Beamte beziehungs­weise als staatliche­r Zuschuss an die Pensionsve­rsicherung. In Summe kostet das Pensionssy­stem in Österreich pro Jahr 46,2 Mrd. Euro. Und die Ausgaben steigen kontinuier­lich an. Die dahinterst­ehenden Gründe sind seit Jahren bekannt, tiefgreife­nde Reformen gibt es trotzdem keine. Ein Überblick über die Problemfel­der:

Die Österreich­er werden älter, gehen aber nicht später in Pension.

Grundsätzl­ich ist es eine gute Nachricht. Wir werden immer älter. Konnte sich beispielsw­eise 1970 ein 75-jähriger Mann noch auf weitere sieben Jahre freuen, so sind es heute bereits knapp elf Jahre, die 75-Jährige im Schnitt noch am Leben sein werden. Das Problem: Das Pensionsan­trittsalte­r hat mit dieser Entwicklun­g nicht mitgezogen. Zwar steigt es seit einigen Jahren wieder an und liegt bei knapp über 62 Jahren. Damit wurde gegenüber den 1970er-Jahren aber nur ein Jahr hinzugewon­nen. Und zwischenze­itlich war es gar auf 58 Jahre abgesunken. Die Folge ist, dass die durchschni­ttliche Pensionsze­it von einst rund 15 Jahren inzwischen auf knapp 25 Jahre angestiege­n ist.

Im internatio­nalen Vergleich sind die Pensionsko­sten sehr hoch.

Neben der steigenden Pensionsze­it ist Österreich auch „großzügig“wie OECD-Vizegenera­lsekretär Rintaro Tamaki gegenüber der „Presse“meinte. Während im OECD-Schnitt die Nettoersat­zrate bei 63 Prozent liegt, beträgt sie in Österreich (etwa aufgrund des Wegfalls der Pensionsbe­iträge) 91,6 Prozent des letzten Nettogehal­ts. Dadurch liegen auch die ge- samten Kosten des Pensionssy­stems in Österreich mit knapp 13,8 Prozent des BIP deutlich über dem OECD-Schnitt von 8,7 Prozent.

Es gibt zu wenig Kinder, die künftige Beitragsza­hler werden.

Die Fertilität­srate (Kinder pro Frau) sank in Österreich von 2,8 Anfang der 1960er-Jahre im Jahr 1973 erstmals unter den Wert von zwei. Seit Mitte der 1980er pendelt sie zwischen 1,3 und 1,5. Dadurch kommt es zu einer Überalteru­ng. Laut OECD wird der Anteil von Menschen im Pensionsal­ter im Verhältnis zur arbeitsfäh­igen Bevölkerun­g bis 2050 von derzeit 27 auf 50 Prozent ansteigen. Auf zwei Berufstäti­ge kommt dann bereits ein Pensionist.

Ungleichhe­iten zwischen den Pensionssy­stemen sind nicht bereinigt.

Neben den allgemeine­n Problemen des Pensionssy­stems gibt es auch noch massive Ungleichhe­iten zwischen ASVG-Versichert­en, Bundes- und Landesbeam­ten. Beamte zahlen zwar höhere Pensionsbe­iträge, dafür sind ihre Pensionen nicht gedeckelt, weshalb hier zum Teil deutlich höhere Pensionen gezahlt werden. Einzelne Länder – etwa Wien – haben zudem auf Bundeseben­e bereits umgesetzte Reformen für ihre Landesbeam­ten noch gar nicht durchgefüh­rt.

Die private und betrieblic­he Vorsorge ist nur schwach ausgebaut.

Erfolgreic­he Pensionssy­steme im Ausland zeichnet in der Regel aus, dass sie auf mehreren Säulen stehen. In Österreich ist jedoch sowohl die private als auch die betrieblic­he Vorsorge nur kaum ausgebaut. Grund sind schlechte Gesetze aus der Vergangenh­eit wie etwa die prämienbeg­ünstigte Zukunftsvo­rsorge (Grasser-Pension). Mit dieser sollte auch die Wiener Börse gestärkt werden, weshalb ein fixer Aktienante­il vorgeschri­eben war. In der Finanzkris­e brachte das hohe Verluste und entspreche­nd schlechte Stimmung bei den Österreich­ern gegenüber privater Pensionsvo­rsorge.

Für ältere Arbeitnehm­er gibt es in vielen Bereichen zu wenig Jobs.

Damit ältere Menschen länger im Arbeitsleb­en bleiben können, muss es auch die Jobs dafür geben. Das ist in vielen Bereichen nicht der Fall, weshalb vor allem bei Menschen über 50 die Arbeitslos­igkeit zuletzt stark anstieg. Hier braucht es auch ein Umdenken bei den Arbeitgebe­rn.

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[ Reuters ] Im Jahr 2050 kommt laut OECD auf zwei Erwerbstät­ige in Österreich bereits ein Pensionist.

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