„Nebellungentreue“ÖVP
Die Volkspartei tritt Gesundheit und Wohlbefinden der Österreicher ebenso wie Vernunft und Rechtssicherheit mit Füßen.
Am 1. Mai beginnt zwar nicht die lang erwartete Ära der rauchfreien Luft in der österreichischen Gastronomie, dafür endet meine 15-jährige Laufbahn als ÖVP-Wähler.
Eine Partei, die nicht nur Gesundheit und Wohlbefinden der Österreicher, sondern auch Vernunft und Rechtssicherheit mit Füßen tritt, kann ich nicht weiter mit meiner Stimme unterstützen – ganz zu schweigen von einer „Wirtschaftspartei“, die Wettbewerbsverzerrungen einzementiert, und einer „Familienpartei“, die sich dafür einsetzt, dass Kinder und Jugendliche auch weiterhin Zigarettenrauch als fixen Bestandteil geselligen Beisammenseins kennenlernen.
Freilich haben die nebellungentreuen Vertreter der Volkspartei im Koalitionspakt einen praktischen Fetzen, um sich unter öffentlichem Bedauern die Hände in Unschuld abzuwischen. Dass der Fetzen in allen anderen zum Thema Nichtraucherschutz vereinbarten Punkten (keine Minderjährigen im Tschickbereich, Sonderabgaben für Plätze im Raucherbereich) schon löchriger ist als eine Tumorlunge, tut da nichts weiter zur Sache. Und als Christlichsozialer kennt man ja Pontius Pilatus als moralischen Sieger des Neuen Testaments.
Vielleicht sollte ich weniger verbittert als vielmehr dankbar sein. Immerhin nehmen mir ÖVP und FPÖ durch ihre parlamentarische Hauruckaktion ja nicht für einen einzigen Tag die viel gepriesene Wahlfreiheit.
Anstatt mit erträglicher Luft zwangsbeglückt zu werden, dürfen ich und die übrigen drei nicht nikotinabhängigen Viertel der Österreicher weiterhin wählen, ob wir das Gift der Suchtler pur (Raucherlokal) oder leicht verdünnt („abgetrennter“Nichtraucherbereich) einatmen wollen.
Alternativ können wir auch langwierige Recherchen und Umwege auf uns nehmen, um ein komplett rauchfreies Lokal zu finden – und dann versuchen, unsere süchtigen Freunde und Kollegen zu überzeugen, dort auf ein paar Bier zu gehen statt in der Rauchkuchl ums Eck. Danke! Österreich bleibt damit der stinkende Aschenbecher Europas – ein Land, in dem sich der normale Mensch der „Freiheit“der Süchtigen anpassen muss, sich und ihre Umwelt zu vergiften. Irgendwann wird freilich auch in Österreich die Moderne Einzug halten. Die rauchfreie Gastronomie wird dann Zustimmungsraten von 90 Prozent verzeichnen wie schon seit Jahren bei unseren Nachbarn in Bayern.
Ich und viele andere Menschen werden sich freilich auch dann noch erinnern, welche Krebskanzlerpartei ihnen diesen Fortschritt im Jahr 2018 so kurz vor dem Ziel verwehrt hat.
Nahtlos dazu passt, dass die Volkspartei anscheinend sämtliche Reformversprechen des Wahlkampfs über Bord geworfen hat. Von der Abschaffung der kalten Progression im Steuersystem ist zum Beispiel plötzlich keine Rede mehr. Dafür soll der Bürger „entlastet“werden, indem ab nächstem Jahr die Steuern auf Zigaretten nicht mehr steigen werden.
Welche Clownpartie habe ich da nur gewählt?