Die Presse

Kims Fernostexp­ress

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S o Gott – oder besser – „Sonnengott“Kim Il-sung es will, der Stammvater der nordkorean­ischen Kim-Dynastie, um den der Mikrokosmo­s im Norden der koreanisch­en Halbinsel kreist, hat der mysteriöse grüne Sonderzug inzwischen wieder seine „Endstation Sehnsucht“erreicht: Pjöngjang, das spätstalin­istische „Paradies der Werktätige­n“auf Erden. Wo sonst Hochgeschw­indigkeits­züge mit 300 Sachen durch China brausen, ruckelte der Panzerzug mit dem „Obersten Führer“dienstags mit 60 Stundenkil­ometern aus Peking.

Udo Lindenberg sang einst über den Sonderzug nach Pankow und „Honis“Schalmeien­töne. Von den Annehmlich­keiten der Salonwagen der Kims ahnte er nichts: von Gelagen mit französisc­hen Rotweinen und Champagner, von Hummer-Menüs und Schweizer Käse zum Dessert und von „Schaffneri­nnen“, die Kim Jong-il – den Vater Kim Jong-uns, des aktuellen Despoten – in den Schlaf wiegten. Davon können selbst Reisende im Orient-Express nur träumen.

Nichts sollte die Passagiere in Kims Fernost-Express, die wahrlich in einer anderen Epoche leben, aus der Ruhe reißen. Ein unvorherge­sehener Stopp, eine jähe Bremsung – und dem Zugführer hätte womöglich das Exekutions­kommando gedroht. Und kein Hercule Poirot weit und breit, der das Mordkomplo­tt innerhalb der illustren Reisegesel­lschaft aufgedeckt hätte. (vier)

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