Genossin im Gucci-Kostüm
IQn der Yellow Press hätte stehen können: Er zeigte ihr seine Briefmarkensammlung. Tatsächlich waren es unter anderem Napoleons Briefe aus dem Exil, die der Ehemann der Hausherrin seiner Besucherin auf dem englischen Landsitz präsentierte – quasi als Damenprogramm der Delegation; derweil die Ehegesponse der beiden brisante politische Gespräche im Salon führten.
Keine graue Maus im sowjetischen Outfit hatte an diesem Dezembertag den großen Saal des Anwesens betreten, sondern eine elegante Dame in einem maßgeschneiderten Kostüm mit Nadelstreifen. Als ihr Mann später Karriere machte, wurden die beiden dann die „Gucci-Genossen“genannt. Ihre Kleidung war jedoch ganz nach dem Geschmack der Hausherrin, die ähnlich gedresst war. Nach einem Begrüßungs-Cocktail begab man sich zu Tische. Die beiden mit politischer Funktion saßen selbstverständlich nebeneinander. Die Gastgeberin legte sofort los und pries die Vorzüge des freien Unternehmertums gegenüber dem Kommandosystem im Staate ihres Besuchers. Er erwiderte nur, sie könne gern in sein Land kommen und sehen, wie die Menschen dort voll Freude arbeiteten.
Nach dem Essen begleitete die elegante Dame den Gatten der Hausherrin einen Stock höher, um sich seine Sammlung alter Bücher und Briefe anzusehen und erwies sich sehr bald als gute Kennerin der britischen Geschichte und Philosophie. Im Salon darunter ging es inzwischen politisch zur Sache ging. Mehrere Stunden dauerte die Unterredung. Und es sprachen fast ausschließlich die beiden Repräsentanten ihrer Länder, kaum die sie begleitenden Beamten. Irgendwann einmal zog er einen Zettel aus der Tasche, auf dem stand, dass Großbritannien weder Freunde noch Feinde, sondern nur dauerhafte Interessen habe. Sie erkannte das als Spruch des viktorianischen Staatsmanns Lord Palmerston – und war beeindruckt.
Mehrmals legte sie eigenhändig einen neuen Holzklotz im Kamin nach und ertappte sich dabei, dass der geistreiche Herr, der konsequent argumentierte und seine Stimme zu modulieren wusste, anfing, ihr zu gefallen. Sechs Jahre nach diesem Treffen wurde der Landsitz zum Schauplatz einer politischen Affäre im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung.
Wer traf wen? Der Name des Landsitzes, in dem das Treffen stattfand?