Glänzendes Comeback
Interview. Fran¸coise Hardy feiert mit der eleganten Chansonsammlung „Personne d’autre“ein glänzendes Comeback nach schwerer Krankheit. Mit der „Presse“sprach sie über Romantik, Naivität, Udo Jürgens und ihren alten Verehrer Bob Dylan.
Francoise¸ Hardy meldet sich mit der Chansonsammlung „Personne d’autre“fulminant zurück. Mit der „Presse“sprach sie über Romantik, Naivität, Udo Jürgens und ihren alten Verehrer Bob Dylan.
Francoise¸ Hardy personifiziert für alle Zeiten diese spezielle französische Marke von Coolness“, steht auf der Banderole eines ihrer fünf Frühsechziger-Alben, die das amerikanische Liebhaberlabel Light in the Attic vor ein paar Jahren wiederveröffentlicht hat. Diese Einschätzung hat natürlich viel mit männlicher Projektion zu tun. Doch die heute 74-jährige Hardy war zweifelsohne das französische Postergirl der Sechzigerjahre. Betrachtet man die wenigen, meist in Schwarz-Weiß gehaltenen Filme, die sie damals singend zeigen, dann fällt auf, dass ihre Melancholie sich nicht auf ihren Gesang beschränkt. Sie dominiert ihre gesamte Aura. Und was lädt mehr zu Fantasien ein als ein bildhübsches, trauriges Mädchen?
Hardy, die noch vor ihrer Matura einen Plattenvertrag hatte, wurde praktisch mit ihrem ersten, selbst komponierten Chanson „Tous les garcons¸ et les filles“zum Star. Die wunderbar simple Melodie transportiert den sehnsuchtsvollen Text eines Teenagers, der schwer Anschluss findet. „Mais moi, je vais seule par les rues, l’ameˆ en peine, oui mais moi, je vais seule, car personne ne m’aime“, flötet sie unwiderstehlich.
Keiner mag sie, sie bleibt allein; es sind stets die anderen, die das Glück leben: Diese Perspektive nimmt sie in vielen ihrer Texte ein. Das liegt wohl daran, dass Einsamkeit zu ihren Grunderfahrungen zählt. Ihr Vater absentierte sich früh, Hardy wuchs in sehr bescheidenen Verhältnissen allein mit ihrer Mutter auf. Und wurde bald berühmt.
„Frag den Abendwind“
Hätte sich der frühe Erfolg als Gefahr erweisen können? „Aus heutiger Sicht ja“, sagt sie, „ich hab das nur überlebt, weil ich gleichzeitig meine erste große Liebe kennengelernt habe. Das hat mich so beschäftigt, dass ich alles, was mit der Karriere einhergegangen ist, meist als langweilig empfunden habe.“
Im deutschen Sprachraum wurde sie 1966 mit „Frag den Abendwind“bekannt, einem schwärmerischen Lied, das in der Liebe schon ihr Ende mitbedenkt. „Frag den Abendwind, wo das Glück beginnt, aber frage nicht, woran es manchmal zerbricht“, lauten die Anfangszeilen.
„Dieses Lied zu singen war nicht unbedingt meine Wahl“, sagt sie heute. „Der deutsche Fernsehregisseur Truck Branss, der 1965 eine Show mit Hildegard Knef drehte, wollte etwas Ähnliches mit mir machen. Dafür brauchten wir rasch deutschsprachige Lieder. ,Frag den Abendwind‘ ist ein hübsches Lied, das zu einem jungen Mädchen passt. Heute würde ich so etwas nicht mehr singen.“Und so gibt es bis heute leider keine französische Version davon.
Wie erinnert sich Francoise Hardy an Udo Jürgens, mit dem sie in den Sixties viel gemeinsam tourte und fürs Fernsehen aufnahm? „Ich mochte sein ,Warum nur, warum?‘ sehr gern. Er hatte damals viele schöne Chansons. Aber aufnehmen wollte ich keines davon. Ich hatte meine eigene Agenda, wollte meine Texte selbst verfassen.“
Unsittlich wurde es bei diesen professionellen Kontakten nie. Wahrscheinlich war Hardy für Udo Jürgens ohnehin zu wenig blond und entschieden zu spröde. Und bald sang sie mehr auf Englisch als auf Deutsch. „Mir sind so viele deutsche Vokabel verloren gegangen“, seufzt sie im Gespräch mit der „Presse“: „Das Englische war mir von mei- nen musikalischen Wurzeln her näher. Damals waren wir alle stark von dem beeinflusst, was Radio Luxemburg brachte. Das war der Sender für junge Hörer. Über ihn lernte man den amerikanischen und britischen Pop kennen. Elvis Presley, Cliff Richard, The Shadows und, und, und. Ich war ganz verrückt nach dieser neuen Musik. Sie hat mich mehr beeinflusst als das Chanson.“
Und so sang sie ab 1966 Songs von Leonard Cohen, Tim Hardin, Randy Newman. Das brachte ihr neue Verehrer. Der britische Balladier Nick Drake klopfte an ihre Tür. Da war sie verreist. Mick Jagger umhechelte sie. Es blieb bei gemeinsamen Fotoaufnahmen. Den um sieben Zentimeter kleineren Bob Dylan hielt sie erst recht auf Abstand: „Als ich ihn zum ersten Mal traf, war er nicht sonderlich attraktiv. Er wirkte kränklich. Mir wurde zugetragen, dass er mich verehrt. Aber ich hab nichts darauf gegeben.“
Eine Art Rendezvous zu ertrotzen schaffte schaffte Dylan dann doch: Als er am 24. Mai 1966 ein Konzert im Pariser Olympia gab, weigerte er sich, Zugaben zu geben. Außer wenn, Francoise Hardy in seine Garderobe käme . . . Hardy war anwesend und tat ihm den Gefallen. Nach dem Konzert zog Dylans Tross zum Hotel George V. Dylan bat sie allein in sein Schlafzimmer und spielte ihr seine damals in Frankreich noch unveröffentlichten Songs „Just Like a Woman“und „I Want You“auf der Gitarre vor.
„Damals war ich so naiv“
„Ich lauschte seinen Worten“, erzählt Hardy heute: „,Just Like a Woman‘ gefiel mir irrsinnig gut. Heute weiß ich natürlich, dass er etwas sehr Konkretes im Schilde führte, als er mir das vorsang. Aber damals war ich so naiv, dass ich mir nichts dabei dachte.“Vor wenigen Jahren wurde Hardy von einem älteren Ehepaar kontaktiert, das jene Briefe besitzt, die ihr Dylan damals geschrieben, aber nie abgeschickt hat. „Erst da begriff ich, dass er wirklich in mich verliebt war. Auf sehr romantische, sehr adoleszente Weise. Das hat mich nachträglich sehr bewegt.“
Spätere Verehrer aus der englischsprachigen Welt hatten es einfacher. Hardy nahm mit Malcolm McLaren, Damon Albarn und Iggy Pop auf. Ein Lied auf Englisch singt sie auch auf ihrem neuen Opus, „Personne d’autre“, das beinah nicht entstanden wäre: Hardy war 2015 so krank, dass sie monatelang zwischen Leben und Tod schwebte. Danach war ihre Stimme weg.
Auslöser für das neue Album war das Lied einer finnischen Band, das sie zufällig auf YouTube fand: „Sleep“von Poets of the Fall, das von der Heilkraft der Träume schwärmt, bewegte sie tief und inspirierte sie zur Nachdichtung auf Französisch. Jüngere Kolleginnen wie La Grande Sophie und Yael Naim sandten ihr ungefragt Melodien.
Das spornte Hardy an. Von edlen Sounds getragen, gibt sie sich in „Un mal qui fait du bien“ungewöhnlich nachdenklich. „Pourquoi penser a` demain? Tout est si incertain“, heißt es etwa. Entspricht das ihrer aktuellen Lebenseinstellung? „Nicht so ganz“, relativiert sie, „die Melodien, zu denen ich Texte schreibe, verführen mich oft zu Gedanken, die ich privat nicht hegen würde. Ich versetzte mich in erdachte Charaktere. Da lösen sich dann Dinge aus meinem Unbewussten. Die Grundidee dieses Chansons, dass etwas Übles auch positive Wirkung zeitigen kann, scheint mir wie eine unsichtbare Überschrift über meinem neuen Album zu sein.“