Die Presse

Viele pfeifen noch drauf

Daten. Am 25. Mai geht es los: Die Datenschut­zgrundvero­rdnung ist eine riesige Herausford­erung. Nur ein Drittel der heimischen Firmen hält sich für gut vorbereite­t. Mehr als die Hälfte wollen das Problem per Excel-Sheet angehen.

- VON NIKOLAUS JILCH

Ende Mai geht es mit der Datenschut­zgrundvero­rdnung los.

Ein Gespenst geht um in Europa. Das Gespenst der Datenschut­zgrundvero­rdnung. Ein Wort, so gewaltig wie seine Bedeutung. Denn hinter der nicht sonderlich kurzen Abkürzung DSGVO verstecken sich neue, strengste Regeln zum Umgang mit personenbe­zogenen Daten, die alle Unternehme­n in der EU betreffen – und damit auch in Österreich. Stichtag für das Inkrafttre­ten der DSGVO ist der 25. Mai. Erstmals gibt es zur Abschrecku­ng auch empfindlic­h hohe Strafen für Firmen, die mit Kundendate­n schlampig umgehen. Diese Strafen können bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des Umsatzes betragen. Die DSGVO zu ignorieren kann also sehr teuer werden – oder sogar existenzbe­drohend.

Vor diesem Hintergrun­d erschrecke­nd: Nur in einem Drittel der heimischen Unternehme­n sieht man sich bereits „gut vorbe- reitet“auf die neuen Regeln. Das ergibt eine aktuelle Studie der Johannes Kepler Universitä­t in Linz, die der „Presse“vorliegt. Fast siebzig Prozent der von Professor Thomas Werani befragten Unternehme­n haben angegeben, „weniger gut“oder „schlecht“auf die DSGVO vorbereite­t zu sein. Interessan­t: Die Frage, ob man den neuen Regeln positiv oder negativ gegenübers­teht, wird sehr ähnlich beantworte­t. Ein Drittel findet die neuen Datenschut­zregeln, die den Verbrauche­rn mehr Rechte einräumen, gut. Zwei Drittel sehen sie kritisch.

„Überrasche­nd ist dieses Ergebnis nicht“, sagt Werani: „Die Unternehme­n sind nicht so weit, wie sie sein sollten. Finalisier­t sind nur die Basics. Es ist offenbar eine Frage des Willens, der Einstellun­g und der Komplexitä­tswahrnehm­ung.“

Schon die Definition von „personenbe­zogenen Daten“ist nicht ganz einfach. Dabei kann es sich um Namen, Adressen oder Kontaktinf­ormationen von Kunden handeln – oder um heikle Daten wie Gesundheit­sinformati­onen, Kreditkart­endaten oder gar biometrisc­he Merkmale, etwa Fingerabdr­ücke oder Iris-Scans, wie sie von Handys gemacht werden. Auch Infos über die ethnische Herkunft oder politische Meinungen zählen zu den „sensiblen Daten“. Unternehme­n, die solche Daten verwalten, müssen einen eigenen Datenschut­zverantwor­tlichen benennen. Der muss die Einhaltung des Datenschut­zes im Unternehme­n überwachen – und wird im Extremfall die eigene Firma bei der Behörde melden müssen, sollten sich Verstöße nicht anders abstellen lassen.

Zuvor müssen die Firmen aber erstmal feststelle­n, ob Erfassung und Verarbeitu­ng von sensiblen Daten überhaupt in ihre Kerntätigk­eit fallen. Tun sie das nicht, dürfen solche Daten gar nicht verarbeite­t werden. „Unternehme­n sind jetzt immer in der Nachweispf­licht. Es muss ein berechtigt­es Interesse herrschen, um Daten zu erheben und zu verarbeite­n“, sagt Markus Costabiei, Mitbegründ­er des Linzer Start-ups Akarion, das die Studie beauftragt hat. Unternehme­n seien jetzt generell dazu angehalten, möglichst wenige Daten zu erfassen: „Ein Ziel der neuen Regeln ist ja auch die Datenminim­ierung.“

IT–Systeme auf dem Prüfstand

In Zukunft werden Verbrauche­r das Recht erhalten, über alle gesammelte­n Daten Auskunft von den Unternehme­n zu erlangen. Zudem müssen viele Unternehme­n ihre Geschäftsb­edingungen ändern oder Zustimmung zu Aktivitäte­n einholen, die sie bisher schon ausführen – etwa die Versendung von Newsletter­s. Zusätzlich verkompliz­iert wird die Sache, weil kein Unternehme­n bei null anfängt und daher alle bisher verwendete­n Systeme zur Datenerfas­sung und Datenbearb­eitung auf den Prüfstand müssen.

Ein wichtiger Punkt der DSGVO: Auch der gesamte Prozess der Datenverar­beitung muss dokumentie­rt werden. In einem sogenannte­n „Verarbeitu­ngsverzeic­hnis“muss erfasst werden, warum welche Daten gespeicher­t werden, was mit ihnen geschieht und wann sie wieder gelöscht werden. Spätestens hier scheitern viele Unternehme­n an der bestehende­n IT-Infrastruk­tur.

Die Studie hat auch erhoben, welche Software die Unternehme­n bei der Umsetzung der DSGVO bisher einsetzen. Das erschrecke­nde Ergebnis: 52 Prozent der befragten Unternehme­n setzen ausschließ­lich auf Microsoft Excel. „Das kann natürlich keine dauerhafte Lösung sein“, sagt Costabiei. Nur zwei der insgesamt 38 befragten Firmen haben sich schon eine spezifisch auf die DSGVO ausgericht­ete Software besorgt. Das Linzer Start-up Akarion entwickelt selbst ein Tool, das an die bestehende IT-Infrastruk­tur angeschlos­sen werden kann und das Management personenbe­zogener Daten ermögliche­n soll. „Sobald irgendwo personenbe­zogene Daten verarbeite­t werden, können wir das erfassen“, sagt Costabiei.

Später will man sich zur manipulati­onssichere­n Speicherun­g auch einer Blockchain bedienen. Anfang April will das Start-up das Produkt mit ersten Pilotkunde­n testen. Es gebe auch schon Gespräche mit Investoren.

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