Tierschutz im Dreck
Konflikt. Der Wiener Tierschutzverein schlägt Alarm: Das Tierschutzhaus versinkt quasi in Altlasten und Baumängeln. Die Lage spitzt sich zu. Eine Lösung ist vorerst nicht in Sicht.
Der Geruch ist unausweichlich. Obwohl sich auf dem Areal um die tausend Tiere aufhalten, riechen kann man nur Teer und Öl, der Duft erinnert an frischen Asphalt. Dabei ist es jahrzehntealte Masse, die hier aus dem Boden quillt. Der Fleck breitet sich aus – Steher aus Stahl zeigen an, wo die Masse noch vor wenigen Jahren war.
Seither quillt diese weiter, wie Lava dringt es aus dem unterirdischen Teersee, die Deponie für flüssige Industrieabfälle dringt aus mehreren Öffnungen ans Tageslicht. Wegschaufeln sei zwecklos, sagt Oliver Bayer vom Tierschutzverein, erzählt vom Dreck und Mist, der mit der alten Masse mitkommt: Plastikflaschen, Autoreifen, ganze Fahrräder seien schon dabei gewesen.
Schimmel und giftiges Wasser
Das Areal des Tierschutzvereins (WTV) in der Triester Straße ist desolat, gilt als nicht sanierbar, und da es auf dem Grund einer früheren Raffinerie gebaut ist, steht es quasi auf einem See an Altlasten – die Folgen sind Schimmel im Keller, giftiges Wasser, das in die Versorgungsgänge im Keller dringt, in denen auch die Elektrik liegt. Diese fällt regelmäßig aus, wie die Heizung, teilweise mussten Gebäude wegen Schimmel und Baufälligkeit geschlossen werden. Und Madeleine Petrovic, die Präsidentin des WTV, erzählt auch von einigen Krebsfällen von Mitarbeitern – auch wenn man diese in keinen kausalen Zusammenhang mit den Altlasten bringen könne.
Bald nicht mehr benutzbar
Trotz des desolaten Zustands – neu ist das nicht. Dass das Tierschutzhaus auf Altlasten steht, ist seit Langem bekannt. Nun aber spitzt sich die Situation zu – so sehr, dass das Areal bald nicht mehr benutzbar sein könnte, sagt Petrovic.
In diesen Tagen tritt das Problem wieder besonders zutage: Sobald es wärmer wird, dehne sich die Masse aus, drängt verstärkt nach oben. Unter einem Loch, das sich auf dem Parkplatz aufgetan hat, habe man die Reste einer ganzen Tankstelle gefunden. Eine Lösung des Problems ist nicht in Sicht. Eine Sanierung bei laufendem Betrieb? „Unmöglich“, sagt Petrovic.
Das sei eine Angelegenheit von vielen Jahren – und nur nach Abriss aller Gebäude möglich. Und, die Kosten der Altlastensanierung würden in die Hunderten Millionen gehen. Wer ist dafür zuständig? Der Grund gehört, obwohl schon jenseits der Stadtgrenze, der Stadt Wien. Die Stadt beruft sich darauf, dass der WTV von den Bedingungen des Areals gewusst habe – und auf einen Kontrollamtsbericht, laut dem die Stadt nicht zuständig sei.
Zu näheren Auskünften zum Thema ist im Rathaus niemand bereit, und auch der Verein fühlt sich im Stich gelassen. Seit die zuständige Stadträtin Ulli Sima mit dem Wiener Tierquartier quasi ihr eigenes Tierheim eröffnet hat, fehlt dem Tierschutzverein Geld (aus dem Leistungsvertrag für die Versorgung der abgegebenen Tiere) – auch die Kommunikation sei äußerst schwierig.
Verein ist ausgelastet
2012, im Zusammenhang mit dem Bau des eigenen Tierquartiers, sagte auch Sima, das Tierschutzhaus sei noch sechs Jahre benutzbar – also nehme die Stadt die Sache selbst in die Hand. Diese sechs Jahre sind nun vorbei; der Tierschutzverein sei trotz des städtischen Tierquartiers ausgelastet, heißt es, Lösung ist keine in Sicht.
Denn, die unterirdische Altlast – wie viel und was genau da la- gert, das ist nicht erforscht – ist nicht das einzige Problem. Die Gebäude sind massiv von Schimmel betroffen und schwer baufällig.
Stellenweise wird der Verputz nur noch mit Klebebändern zusammengehalten, an den Wänden kratzen Katzen an schwarzem Schimmel. Ein Gebäude, in dem 60 Hunde untergebracht werden könnten, steht leer. Zu baufällig. Und der Rest des Areals? Eine Zeit lang lasse sich der Betrieb schon noch erhalten. Aber ist der Standort längerfristig zu retten? „Nein“, sagt Petrovic, das hätten sämtliche große Baufirmen, die das Areal schon besichtigt haben, bestätigt. Und der Tierschutzverein macht sich auf die Suche nach einem neuen Areal. Idealerweise, so Petrovic, in der Gegend Mödling, Vösendorf, Schwechat – nur bitte ohne Altlasten im Grund.
AUF EINEN BLICK
Der Künstler Loys Egg plant, um die Situation zu verbessern, eine Auktion zugunsten des Wiener Tierschutzvereins: Im Herbst sollen bis zu 150 namhafte Künstler Werke versteigern, der Erlös soll dem Tierschutzverein zugutekommen.