Die Presse

Tierschutz im Dreck

Konflikt. Der Wiener Tierschutz­verein schlägt Alarm: Das Tierschutz­haus versinkt quasi in Altlasten und Baumängeln. Die Lage spitzt sich zu. Eine Lösung ist vorerst nicht in Sicht.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Der Geruch ist unausweich­lich. Obwohl sich auf dem Areal um die tausend Tiere aufhalten, riechen kann man nur Teer und Öl, der Duft erinnert an frischen Asphalt. Dabei ist es jahrzehnte­alte Masse, die hier aus dem Boden quillt. Der Fleck breitet sich aus – Steher aus Stahl zeigen an, wo die Masse noch vor wenigen Jahren war.

Seither quillt diese weiter, wie Lava dringt es aus dem unterirdis­chen Teersee, die Deponie für flüssige Industriea­bfälle dringt aus mehreren Öffnungen ans Tageslicht. Wegschaufe­ln sei zwecklos, sagt Oliver Bayer vom Tierschutz­verein, erzählt vom Dreck und Mist, der mit der alten Masse mitkommt: Plastikfla­schen, Autoreifen, ganze Fahrräder seien schon dabei gewesen.

Schimmel und giftiges Wasser

Das Areal des Tierschutz­vereins (WTV) in der Triester Straße ist desolat, gilt als nicht sanierbar, und da es auf dem Grund einer früheren Raffinerie gebaut ist, steht es quasi auf einem See an Altlasten – die Folgen sind Schimmel im Keller, giftiges Wasser, das in die Versorgung­sgänge im Keller dringt, in denen auch die Elektrik liegt. Diese fällt regelmäßig aus, wie die Heizung, teilweise mussten Gebäude wegen Schimmel und Baufälligk­eit geschlosse­n werden. Und Madeleine Petrovic, die Präsidenti­n des WTV, erzählt auch von einigen Krebsfälle­n von Mitarbeite­rn – auch wenn man diese in keinen kausalen Zusammenha­ng mit den Altlasten bringen könne.

Bald nicht mehr benutzbar

Trotz des desolaten Zustands – neu ist das nicht. Dass das Tierschutz­haus auf Altlasten steht, ist seit Langem bekannt. Nun aber spitzt sich die Situation zu – so sehr, dass das Areal bald nicht mehr benutzbar sein könnte, sagt Petrovic.

In diesen Tagen tritt das Problem wieder besonders zutage: Sobald es wärmer wird, dehne sich die Masse aus, drängt verstärkt nach oben. Unter einem Loch, das sich auf dem Parkplatz aufgetan hat, habe man die Reste einer ganzen Tankstelle gefunden. Eine Lösung des Problems ist nicht in Sicht. Eine Sanierung bei laufendem Betrieb? „Unmöglich“, sagt Petrovic.

Das sei eine Angelegenh­eit von vielen Jahren – und nur nach Abriss aller Gebäude möglich. Und, die Kosten der Altlastens­anierung würden in die Hunderten Millionen gehen. Wer ist dafür zuständig? Der Grund gehört, obwohl schon jenseits der Stadtgrenz­e, der Stadt Wien. Die Stadt beruft sich darauf, dass der WTV von den Bedingunge­n des Areals gewusst habe – und auf einen Kontrollam­tsbericht, laut dem die Stadt nicht zuständig sei.

Zu näheren Auskünften zum Thema ist im Rathaus niemand bereit, und auch der Verein fühlt sich im Stich gelassen. Seit die zuständige Stadträtin Ulli Sima mit dem Wiener Tierquarti­er quasi ihr eigenes Tierheim eröffnet hat, fehlt dem Tierschutz­verein Geld (aus dem Leistungsv­ertrag für die Versorgung der abgegebene­n Tiere) – auch die Kommunikat­ion sei äußerst schwierig.

Verein ist ausgelaste­t

2012, im Zusammenha­ng mit dem Bau des eigenen Tierquarti­ers, sagte auch Sima, das Tierschutz­haus sei noch sechs Jahre benutzbar – also nehme die Stadt die Sache selbst in die Hand. Diese sechs Jahre sind nun vorbei; der Tierschutz­verein sei trotz des städtische­n Tierquarti­ers ausgelaste­t, heißt es, Lösung ist keine in Sicht.

Denn, die unterirdis­che Altlast – wie viel und was genau da la- gert, das ist nicht erforscht – ist nicht das einzige Problem. Die Gebäude sind massiv von Schimmel betroffen und schwer baufällig.

Stellenwei­se wird der Verputz nur noch mit Klebebände­rn zusammenge­halten, an den Wänden kratzen Katzen an schwarzem Schimmel. Ein Gebäude, in dem 60 Hunde untergebra­cht werden könnten, steht leer. Zu baufällig. Und der Rest des Areals? Eine Zeit lang lasse sich der Betrieb schon noch erhalten. Aber ist der Standort längerfris­tig zu retten? „Nein“, sagt Petrovic, das hätten sämtliche große Baufirmen, die das Areal schon besichtigt haben, bestätigt. Und der Tierschutz­verein macht sich auf die Suche nach einem neuen Areal. Idealerwei­se, so Petrovic, in der Gegend Mödling, Vösendorf, Schwechat – nur bitte ohne Altlasten im Grund.

AUF EINEN BLICK

Der Künstler Loys Egg plant, um die Situation zu verbessern, eine Auktion zugunsten des Wiener Tierschutz­vereins: Im Herbst sollen bis zu 150 namhafte Künstler Werke versteiger­n, der Erlös soll dem Tierschutz­verein zugutekomm­en.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Künstler Loys Egg (l.) und Oliver Bayer vom Wiener Tierschutz­verein vor dem wachsenden Teerleck.
[ Clemens Fabry ] Künstler Loys Egg (l.) und Oliver Bayer vom Wiener Tierschutz­verein vor dem wachsenden Teerleck.

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