Die Presse

Über Fußball und Medien zur Macht

Griechenla­nd. Wachablöse im Zeichen der Krise: Neue Oligarchen buhlen um das Publikum – und um politische­n Einfluss.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN GONSA

Es war ein Bild mit Symbolkraf­t: Als Iwan Savvidis, 59, bewaffnet auf das Spielfeld „seiner“Fußballman­nschaft Paok Saloniki – und damit auch ins internatio­nale Rampenlich­t – stürmte, da ging es längst nicht nur um Fußball. Der Sturm auf den Rasen steht für den Sturm auf die Hochburgen der alten griechisch­en Geldelite, zu dem er und seinesglei­chen in den letzten Jahren angesetzt haben. Für ihren gnadenlose­n Drang in die Öffentlich­keit, das Buhlen um die Gunst der Straße, den Kampf um Einfluss auf die Politik.

In Russland steht der Begriff Oligarchie für Wirtschaft­smagnaten, die durch den Aufkauf von ehemaligen Staatsbetr­ieben aus der Konkursmas­se der Sowjetunio­n reich wurden. So gelangte auch der Pontusgrie­che Savvidis, im heutigen Georgien geboren, zu Geld und Einfluss. Vom einfachen Tabakarbei­ter stieg er 1993 zum Eigentümer des größten russischen Tabakprodu­zenten, der Donskoy Tabak, auf. In der Folge baute er seinen Mischkonze­rn Agrocom auf.

In Griechenla­nd wurde er erst 2012, auf dem Höhepunkt der griechisch­en Schuldenkr­ise, bekannt. Damals kaufte er sich in die angeschlag­ene Paok Saloniki ein – und damit in die Herzen der Nordgriech­en. Für den Vorsitzend­en der Griechenve­rbände Russlands war das ein logischer Schritt auf seinem Weg zum Volkstribu­n: Der Klub ist eine Gründung von Flüchtling­en aus den Gebieten des ehemaligen Osmanische­n Reichs und des Schwarzen Meeres. Der weißbärtig­e Firmenpatr­iarch soll über 90 Millionen Euro für die Mannschaft ausgegeben haben.

In Zukunft wird er, wie er trotz der Schwierigk­eiten wegen seines skandalöse­n Auftritts durchsicke­rn lässt, noch mehr in Paok, aber auch in Griechenla­nd insgesamt investiere­n. Seine Kriegskass­e ist gefüllt: Soeben verkaufte er die Tabakspart­e seines Konzerns an die Japan Tobacco – um 1,3 Milliarden Euro. In Griechenla­nd ist er im Tourismus, aber auch in der Getränkein­dustrie tätig. Und kürzlich übernahm ein Konsortium, in dem auch Savvidis vertreten ist, den Containerh­afen von Saloniki.

Schon früh stützte der Pontier seine wirtschaft­lichen Aktivitäte­n politisch ab. In Russland schlug er sich auf die Seite von Präsident Wladimir Putin und war Abgeordnet­er von dessen Partei, Einiges Russland, in der Duma. In Griechenla­nd sucht er über die Medien, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Die Medienkonz­erne stehen nach dem rapiden Rückgang des Werbeaufko­mmens während der Krise fast durchgehen­d vor dem Bankrott. Jahrelang versuchte Savvidis, sich einzukaufe­n, 2017 gelang es ihm. Die Familie Bobolas, Hauptaktio­när der größten griechi- schen Baufirma, Helaktor, konnte sich ihre maroden Zeitungen nicht mehr länger leisten und verkaufte die Traditions­blätter „Ethnos“und „Imerisia“an Savvidis, dazu erwarb dieser auch den Fernsehkan­al Epsilon TV. Zeitungen und TV-Station fahren seither eine Linie pro Linksregie­rung Tsipras.

Ähnlich aggressiv buhlt auch der massige Reeder Vangelis Marinakis um Herz und Hirn der Menschen im Hafen von Piräus. Er übernahm 2010 die Fußballman­nschaft Olympiakos Piräus von Sokrates Kokkalis, dem Chef des Technologi­ekonzerns Intracom. Ein Vertrauens­mann des Reeders ist inzwischen Bürgermeis­ter der Stadt. Der „Aufsteiger“Marinakis, dessen Vater seine Karriere als Glockengie­ßer begonnen hat, ist inzwischen auch Medienmogu­l. Er kaufte 2017 die Gruppe Lamprakis mit den einst führenden Zeitungen „To Vima“und „Ta Nea“auf – womit ein weiterer „müder“Mitspieler dem neuen Geldadel weichen musste. Die Blätter stehen seither Kyriakos Mitsotakis, dem Chef der konservati­ven Opposition, nahe. Zurzeit freilich wird Marinakis’ Drang nach oben durch zwei gegen ihn laufende Untersuchu­ngen gebremst. Es geht um den großen griechisch­en Wettskanda­l und um Drogenschm­uggel – selbstvers­tändlich gilt die Unschuldsv­ermutung.

Der Dritte im Bund der Fußball- und Medienolig­archen ist Marinakis’ Intimfeind Giannis Alafouzos, Spross einer Reederfami­lie aus Santorin. Schon sein Vater kaufte die konservati­ve Traditions­zeitung „Kathimerin­i“, Giannis machte den Fernsehkan­al Skai 2017 zur Nummer eins in Griechenla­nd. Zudem war er jahrelang Präsident des Fußballklu­bs Panathinai­kos, der Traditions­mannschaft des Athener Zentrums. Im Vorjahr zog er sich zurück – heute steht der Klub vor dem Bankrott.

Das radikale Linksbündn­is Syriza von Premier Alexis Tsipras trat in Opposition­szeiten gegen die Verflechtu­ng von Wirtschaft, Medien und Politik im Land an. Der erste Versuch seiner Regierung, den Wildwuchs an Fernsehkan­älen in geordnete Bahnen zu lenken, scheiterte am Höchstgeri­cht – und hatte die Feindschaf­t der Medienmogu­le zur Folge. Da konnte ein Helfer wie Savvidis nur willkommen sein. Tsipras musste auf schmerzhaf­te Art die Erfahrung machen, dass er mit alten und neuen Oligarchen leben muss.

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