Über Fußball und Medien zur Macht
Griechenland. Wachablöse im Zeichen der Krise: Neue Oligarchen buhlen um das Publikum – und um politischen Einfluss.
Es war ein Bild mit Symbolkraft: Als Iwan Savvidis, 59, bewaffnet auf das Spielfeld „seiner“Fußballmannschaft Paok Saloniki – und damit auch ins internationale Rampenlicht – stürmte, da ging es längst nicht nur um Fußball. Der Sturm auf den Rasen steht für den Sturm auf die Hochburgen der alten griechischen Geldelite, zu dem er und seinesgleichen in den letzten Jahren angesetzt haben. Für ihren gnadenlosen Drang in die Öffentlichkeit, das Buhlen um die Gunst der Straße, den Kampf um Einfluss auf die Politik.
In Russland steht der Begriff Oligarchie für Wirtschaftsmagnaten, die durch den Aufkauf von ehemaligen Staatsbetrieben aus der Konkursmasse der Sowjetunion reich wurden. So gelangte auch der Pontusgrieche Savvidis, im heutigen Georgien geboren, zu Geld und Einfluss. Vom einfachen Tabakarbeiter stieg er 1993 zum Eigentümer des größten russischen Tabakproduzenten, der Donskoy Tabak, auf. In der Folge baute er seinen Mischkonzern Agrocom auf.
In Griechenland wurde er erst 2012, auf dem Höhepunkt der griechischen Schuldenkrise, bekannt. Damals kaufte er sich in die angeschlagene Paok Saloniki ein – und damit in die Herzen der Nordgriechen. Für den Vorsitzenden der Griechenverbände Russlands war das ein logischer Schritt auf seinem Weg zum Volkstribun: Der Klub ist eine Gründung von Flüchtlingen aus den Gebieten des ehemaligen Osmanischen Reichs und des Schwarzen Meeres. Der weißbärtige Firmenpatriarch soll über 90 Millionen Euro für die Mannschaft ausgegeben haben.
In Zukunft wird er, wie er trotz der Schwierigkeiten wegen seines skandalösen Auftritts durchsickern lässt, noch mehr in Paok, aber auch in Griechenland insgesamt investieren. Seine Kriegskasse ist gefüllt: Soeben verkaufte er die Tabaksparte seines Konzerns an die Japan Tobacco – um 1,3 Milliarden Euro. In Griechenland ist er im Tourismus, aber auch in der Getränkeindustrie tätig. Und kürzlich übernahm ein Konsortium, in dem auch Savvidis vertreten ist, den Containerhafen von Saloniki.
Schon früh stützte der Pontier seine wirtschaftlichen Aktivitäten politisch ab. In Russland schlug er sich auf die Seite von Präsident Wladimir Putin und war Abgeordneter von dessen Partei, Einiges Russland, in der Duma. In Griechenland sucht er über die Medien, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Die Medienkonzerne stehen nach dem rapiden Rückgang des Werbeaufkommens während der Krise fast durchgehend vor dem Bankrott. Jahrelang versuchte Savvidis, sich einzukaufen, 2017 gelang es ihm. Die Familie Bobolas, Hauptaktionär der größten griechi- schen Baufirma, Helaktor, konnte sich ihre maroden Zeitungen nicht mehr länger leisten und verkaufte die Traditionsblätter „Ethnos“und „Imerisia“an Savvidis, dazu erwarb dieser auch den Fernsehkanal Epsilon TV. Zeitungen und TV-Station fahren seither eine Linie pro Linksregierung Tsipras.
Ähnlich aggressiv buhlt auch der massige Reeder Vangelis Marinakis um Herz und Hirn der Menschen im Hafen von Piräus. Er übernahm 2010 die Fußballmannschaft Olympiakos Piräus von Sokrates Kokkalis, dem Chef des Technologiekonzerns Intracom. Ein Vertrauensmann des Reeders ist inzwischen Bürgermeister der Stadt. Der „Aufsteiger“Marinakis, dessen Vater seine Karriere als Glockengießer begonnen hat, ist inzwischen auch Medienmogul. Er kaufte 2017 die Gruppe Lamprakis mit den einst führenden Zeitungen „To Vima“und „Ta Nea“auf – womit ein weiterer „müder“Mitspieler dem neuen Geldadel weichen musste. Die Blätter stehen seither Kyriakos Mitsotakis, dem Chef der konservativen Opposition, nahe. Zurzeit freilich wird Marinakis’ Drang nach oben durch zwei gegen ihn laufende Untersuchungen gebremst. Es geht um den großen griechischen Wettskandal und um Drogenschmuggel – selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung.
Der Dritte im Bund der Fußball- und Medienoligarchen ist Marinakis’ Intimfeind Giannis Alafouzos, Spross einer Reederfamilie aus Santorin. Schon sein Vater kaufte die konservative Traditionszeitung „Kathimerini“, Giannis machte den Fernsehkanal Skai 2017 zur Nummer eins in Griechenland. Zudem war er jahrelang Präsident des Fußballklubs Panathinaikos, der Traditionsmannschaft des Athener Zentrums. Im Vorjahr zog er sich zurück – heute steht der Klub vor dem Bankrott.
Das radikale Linksbündnis Syriza von Premier Alexis Tsipras trat in Oppositionszeiten gegen die Verflechtung von Wirtschaft, Medien und Politik im Land an. Der erste Versuch seiner Regierung, den Wildwuchs an Fernsehkanälen in geordnete Bahnen zu lenken, scheiterte am Höchstgericht – und hatte die Feindschaft der Medienmogule zur Folge. Da konnte ein Helfer wie Savvidis nur willkommen sein. Tsipras musste auf schmerzhafte Art die Erfahrung machen, dass er mit alten und neuen Oligarchen leben muss.