Wehleidige Türkei-Kritik und Doppelmoral
Als AMS-Berater war es mir nach den politisch motivierten medialen Attacken eine große Erleichterung, diese Kolumne zu lesen. Ich frage mich, woher die Autorin dieses Insiderwissen hat. Sie trifft den Nagel auf den Kopf, mit ihrer Beschreibung unserer Klientel.
Was manche Politiker nämlich vergessen: Zu uns kommen immer noch „Menschen“, und niemandes Lebenssituation ist gleich. Diejenigen, die eine gute Ausbildung haben und in einem intakten Familienverband leben, sieht man höchstens ein Mal. Die anderen leben meist am Rand der Gesellschaft, und ich finde es nicht sozial, diese Menschen zu treten. Denn Menschen ohne Perspektiven, die nichts mehr zu verlieren haben, verlieren sich nur allzu oft in irrationalem Handeln.
Integration funktioniert nur mit Kommunikation und Respekt. Wahren wir die Würde der Menschen, behandeln wir sie so, wie wir selbst behandelt werden möchten, dann werden sie unsere Gesellschaft über kurz oder lang in ihrem Leben integrieren. „Liebe Türkei, eure Praxis verstößt gegen unsere Rechtsordnung“, LA von Erich Kocina, 29. 3. Es liegt in der Natur der Sache, dass Staaten unterschiedliche Rechtsregeln haben. Dies muss auch akzeptiert werden, solang nicht gegen anerkannte Rechtsgrundsätze (etwa die Menschenrechtskonvention) verstoßen wird. Wenn man dann der Türkei eine (Mit-)Schuld an unserem Problem mit doppelten türkischen Staatsbürgerschaften gibt (die Türkei sei an einem guten Verhältnis nicht interessiert), so klingt das allenfalls etwas beleidigt, wehleidig – aber keinesfalls rechtlich fundiert.
Auch sollte man nicht verkennen, dass wir nicht nur ein Problem von Doppelstaatsbürgerschaften mit der Türkei, sondern auch mit anderen Staaten haben. Von der Doppelmoral, dass diese bei Sportlern, Künstlern und Personen mit Millionärsstatus vollkommen in Ordnung ist, wollen wir erst gar nicht sprechen.