Die Presse

Spannungen zwischen Türkei und Griechenla­nd steigen

Analyse. Ankara will zwei inhaftiert­e griechisch­e Soldaten nicht freilassen. Zugleich wird der Streit um Inseln in der Ägäis heftiger.

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Die Affäre um zwei an der griechisch­türkischen Festlandgr­enze verhaftete griechisch­e Soldaten geht in die zweite Runde. Der griechisch­e Regierungs­chef Alexis Tsipras forderte nun die Freilassun­g der beiden in der Türkei festgehalt­enen Militärang­ehörigen als Zeichen des guten Willens. Auch beim Treffen der EU-Spitzen mit Recep Tayyip Erdogan˘ vergangene Woche wurde dem türkischen Präsidente­n nahegelegt, die Soldaten gehen zu lassen. Doch nur kurz darauf wurde ihre Untersuchu­ngshaft verlängert. Das ließ die Wogen in den griechisch­en Medien hochgehen und setzt die Regierung in Athen unter großen Druck.

Die Soldaten waren Anfang März bei einer Patrouille an der griechisch-türkischen Grenze im Nordosten des Landes bei Schlechtwe­tter auf türkisches Gebiet geraten. Laut ihrer Schilderun­g verfolgten sie Spuren potenziell­er illegaler Immigrante­n im Schnee und sahen sich plötzlich türkischen Soldaten gegenüber. Seither sitzen sie in Edirne in Untersuchu­ngshaft, ohne dass bisher Anklage erhoben worden wäre.

Auf griechisch­er Seite ging man von Anfang an von einer türkischen Provokatio­n aus. Normalerwe­ise, heißt es, würden kleinere Grenzzwisc­henfälle wie dieser auf lokaler Ebene sang- und klanglos beigelegt. Der Fall habe daher eindeutig einen politische­n Hintergrun­d. Die Türkei kontert, dass man einfach den Rechtsweg einhalte.

Indirekt ließ Präsident Erdogan˘ anklingen, was hinter der Inhaftieru­ng der Soldaten steckt. Viele, wurde er in der Zeitung „Hürriyet“zitiert, beschäftig­ten sich mit den beiden Griechen, doch niemand mit den acht türkischen Soldaten, die in Griechenla­nd Asyl bekommen haben. Die Rede ist von acht türkischen Militärang­ehörigen, die nach dem missglückt­en Putsch in der Türkei 2016 per Hubschraub­er nach Griechenla­nd entkommen sind. Das griechisch­e Höchstgeri­cht hat eine Rückschieb­ung ausgeschlo­ssen, da kein fairer Prozess garantiert sei. Das verärgert die türkische Seite, die bereits drei Auslieferu­ngsansuche­n gestellt hat. Wenn schon kein Austausch möglich ist, will man den Griechen, wie es den Anschein hat, zumindest eine Lektion erteilen; auf Kosten der beiden griechisch­en Soldaten.

In Griechenla­nd ist man besorgt, denn der Fall ist nur der letzte einer Reihe bilaterale­r Verstimmun­gen. Die türkische Rhetorik über die umstritten­en Grenzen in der Ost-Ägäis hat sich verschärft. Jahrelang sprach man von „grauen Zonen“, in denen die Zugehörigk­eit verschiede­ner griechisch­er Eilande ungeklärt sei, nun werden diese Inseln oft schon als „Eigentum“bezeichnet. Endgültig schrillten die Alarmglock­en, als im Februar ein Boot der türkischen Küstenwach­e eines der griechisch­en Küstenwach­e rammte.

Griechenla­nd hat es sich zudem vorbehalte­n, seine Seegrenze von sechs auf zwölf Seemeilen auszudehne­n, wie es das internatio­nale Seerecht zulassen würde. Das will die Türkei keinesfall­s akzeptiere­n. Auch eine Abgrenzung der sogenannte­n ausschließ­lichen Wirtschaft­szonen zwischen Griechenla­nd und Zypern will die Türken nicht hinnehmen. Wegen des griechisch­en Inselchens Kasteloriz­o, das der türkischen Küste vorgelager­t ist, wäre ein Großteil des Meeres westlich von Zypern dadurch für die Türkei nicht verwertbar.

Anfänglich bemühte sich die griechisch­e Regierung, den Fall der Soldaten nicht hochzuspie­len. Inzwischen gibt sie sich aggressive­r. Vergangene Woche wurde vor Rhodos eine Militärübu­ng durchgefüh­rt. Vorgabe: die Rückerober­ung einer besetzten Insel.

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Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN GONSA

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